Über Erbach lacht die Sonne. Rucksack, Sonnenbrille, Treffpunkt Büchereitreppe.

Pfarrer Harald Poggel im Sommer-Interview in Erbach

Pfarrer Harald Poggel (c) Gemeinde St. Sophia
Pfarrer Harald Poggel
Datum:
Mo. 8. Aug. 2022
Von:
Willi Weiers

Angekommen! Wir haben das Vergnügen einander zu treffen: „Ich komme gerade aus Bensheim“. - „Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt. Ich komme gerade aus dem Eiscafé gegenüber.“ Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und schon startet das Gespräch mit Pfarrer Harald Poggel.

Von Bensheim nach Erbach, nur knapp 28 km Luftlinie – wie kam es dazu?

Wie es so geht bei großen Veränderungen wie dem Pastoralen Weg, das Stühlerücken gehört dazu. Mich hat dazu ein sehr überzeugender Anruf aus Mainz von einem Insider erreicht. Er hat mir den Pastoralraum Odenwaldkreis und die heutigen drei „Süd-Pfarreien“ ganz nah ans Herz gelegt. Das habe ich mir näher angesehen und war angetan: da tut sich was! Ich bin regelmäßiger Leser der Neuigkeiten auf der Homepage und im Newsletter. Die Zusammenarbeit mit der Caritas ist sehr rege. Und die Aktivitäten beim Pastoralen Weg bislang waren richtig gut. Also ging’s ins Land der Berge und Wälder.

Also voller Elan?

Ja. Übrigens, die Naturnähe gefällt mir. Ist ja nicht so, dass ich noch nie im Odenwald gewesen wäre. In Bensheim habe ich immer wieder mein Fahrrad zum Ausgleich hervorgeholt. Im Odenwald brauche ich jetzt wohl ein Pedelec. Ich werde 57, da ist ein Neuanfang nicht mehr so ohne. Aber Ruhen und Rasten ist nicht mein Ding. Selbst aktiv sein und mit Anderen Verantwortung tragen und teilen ist sehr wesentlich für mich.

Das sagt schon viel über Ihre Art zusammen zu arbeiten?

Ich werde in Zukunft mit meinen zwei Aufgaben (Leiter des Pastoralraums und zugleich Pfarrer für Erbach, Beerfelden und Hesselbach) für sehr viele Menschen da sein. Auch hier gilt: mit den Menschen für die Menschen da sein, zusammen machen wir das! Das Stadtleben gehört selbstverständlich ebenso dazu wie das ökumenische Miteinander. Ich werde so oft es geht “Hallo!“ sagen. Meine Gesprächspartner möchte ich gerne kennen und sie sollen mich natürlich auch kennen. Teamarbeit ist ausschlaggebend, mit Haupt- und Ehrenamtlichen. Die Vielfalt unserer Erfahrungen und Standpunkte macht es lebendig.

Nochmal die Natur...

Wir sitzen hier ja schon mitten in der Natur. Ein guter Schritt. Die Bewahrung der Schöpfung sollte uns ganz wichtig sein. Wir sollten Vorreiter sein.

Große Probleme in - oder mit - der Katholischen Kirche – was tun?

Ganz klar: wir müssen wieder glaubwürdig werden. Offenheit und Transparenz müssen überall vorhanden sein. Sehr viele Amtsträger wollen die Wirklichkeit immer noch nicht wahrhaben. Wir erleben andauernd, dass die Probleme, die Fehler, im System liegen. Gerade die ausgeprägte Autoritätshörigkeit und ein überzogenes Priesterbild früherer Zeiten haben viel Unheil angerichtet. Das müssen wir überwinden.

Das gilt auch für die unsäglichen Missbrauchsfälle!

Unsere Gemeinden müssen sicher sein! Wenn wir, wie alle anderen Kirchengemeinden, jetzt unsere Vor-Ort-Situationen grundsätzlich durchleuchten, dann hilft uns das dabei entstehende Institutionelle Schutzkonzept (ISK) enorm. Aber wir müssen noch einen Schritt mehr tun: diese Arbeit nicht als lästige Pflicht hinnehmen, sondern den Geist und Zweck dahinter verstehen und für den Alltag verinnerlichen. Wir können all das entstandene Leid nicht übersehen (im doppelten Sinn); es reicht, es muss sich schnell ändern!

Und das innerkirchliche oben und unten?

Wir können von der demokratischen Gesellschaft noch so viel lernen. Angefangen beim „drüber reden“. In unserer Gesellschaft ist Vielfalt, in unserer Kirche auch! Nutzen wir das. Diskutieren widerspricht nicht der Heiligen Schrift, sie ist uns Richtschnur und Orientierung in Gespräch, Austausch und Begegnung. Auch Jesus hat nicht alle Probleme gelöst, aber er hat uns ermutigt, im Vertrauen auf Gott die Probleme anzugehen und das Unlösbare zu tragen.

Wie lange schreiben Sie an einer Predigt?

Meine Predigten gibt es nicht als fertigen Text. Ich ziehe es vor, frei zu predigen, was gerade deshalb eine gute Vorbereitung erfordert. Ich mache mir meist nur Stichworte. Mir ist wichtig, dass die Leute mich verstehen und die Impulse erkennen, die ich damit geben möchte.

Es war sehr interessant zu lesen, dass Sie Vorsitzender des Caritas-Aufsichtsrates sind…

Ja, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Caritas-Verbandes Darmstadt e.V. und Pfarrer, das sind erstmal zwei Welten. Sie haben aber sehr, sehr viel miteinander zu tun. Es ist äußerst spannend, hier über den Tellerrand zu schauen und den Horizont rundherum zu weiten. Gott schickt einen auf Wege, die mehr als spannend sind.

Da würden wir gerne mehr über dieses himmlisch irdische Engagement wissen!

Das Arbeiten im Caritas-Aufsichtsrat baut ganz stark auf Teamwork auf. Unser Hauptpunkt: vernünftig und gemeinnützig arbeiten – für Mitarbeitende und für jene, die sich dem Caritasverband anvertrauen.. Als Aufsichtsräte achten wir auf die Einhaltung der strategischen Ausrichtung der Caritas-Verbands, auf das Setzen der richtigen Schwerpunkte, was tun und was lassen. Als Vertreter des Bistums achten wir auf die Wahrung des Geschäftszwecks des eingetragenen Vereins. Wir beobachten natürlich, was in der Branche passiert. Wir haben zum Beispiel unsere Regularien auf den Prüfstand gestellt und nehmen die sog. Compliance sehr ernst, gerade auch in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden.

Wie halten Sie es mit Ihrem Berg Arbeit?

Ich organisiere meinem Tagesablauf, das hilft mir, das Wichtige und das Dringende richtig anzugehen. Meine Zeit und die der Leute, mit denen ich zusammenarbeite, kann ich so gut nutzen und wertschätzen. Ganz klar verwende ich dafür digitale Hilfsmittel wie z.B. Aufgabenplaner. Meinen E-Mail-Posteingang versuche ich immer in einem Tag abzuarbeiten, sonst wächst der Berg und wächst…

Bleibt Zeit für Hobbies?

Vom Fahrrad haben wir schon kurz gesprochen. Gerne würde ich mehr trainieren, aber die Zeit fehlt mir recht oft dafür. Musik gehört natürlich auch dazu – Gitarre in allen Lebenslagen, auch elektrisch! Geht neuerdings auch ganz klein, ich habe eine Ukulele geschenkt bekommen. Und dann noch, kommt leider dauernd zu kurz: meine H0 (sprich: ha-null)-Eisenbahn. Vielleicht findet sich da noch ein bisschen Unterstützung…

Ihr Gruß im Pfarrbrief beginnt mit „Schwestern und Brüder“, fehlt da nicht etwas?

Ja, „Schwestern und Brüder“, in anderer Umgebung „Damen und Herren“, bedarf noch einer Ergänzung zur Political Correctness. Aber „Schwestern und Brüder (m/w/d)“ wird dem Anliegen nicht gerecht. Die Paulus-Briefe der Heiligen Schrift wenden sich nicht umsonst „an die Gemeinde“. Wir alle sind Menschen, Gottes Geschöpfe in ihrer Verschiedenheit. Für mich ist es sehr wichtig, der Not der Menschen, die ausgegrenzt werden, deren Not keine Heimat findet, gerecht zu werden. Das Anliegen ist sehr ernst. Leider gibt es bei vielen solcher Themen, ich sage das ganz ungeschützt, Betonköpfe, die es zum Beispiel verdammen, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen.

Stellen Sie sich vor, in Erbach würden sich Gemeindemitglieder für Maria 2.0 engagieren…

Dann würde es interessante, lebendige und manchmal kontroverse Gespräche geben. Was gut ist. Kirche möge viel mehr demokratische Errungenschaften/ Strukturen nutzen. Das ermöglicht Meinungsbildung auf breiter Basis mit den Erfahrungen vieler Leute. Das nimmt sicher viel mehr Leute mit als heute. So werden wir hoffentlich zur einladenden Kirche. Aber bitte nicht vergessen: Pauschalisierungen sind nicht hilfreich, auf keiner Seite; aufeinander hören ist das Wesentliche. Und das mit allen, die etwas zu sagen haben im Geiste Christi. Und das sind alle Menschen auf dieser Erde.

Und was passiert als Nächstes?

In Bensheim eine gute Übergabe zu Ende bringen. Einige Tage verschnaufen. In den Odenwald übersiedeln. Erst in eine Ferienwohnung bis im Herbst dann das Pfarrhaus in Erbach bezugsfertig ist. Mitte August den Dienst aufnehmen und viele nette Leute kennenlernen. Ich bin sehr froh, dass Gabriele Maurer und Peter Heiligenthal das Thema Gottesdienstfeiern schon vorab aufgegriffen haben und so den Gemeinden helfen, sich darauf einzustellen.

Danke schön!

Ein tolles Gespräch. Unterhaltsam und tiefschürfend, ein wenig Lokalkolorit mit viel Kennenlernen. Vielen Dank dafür! Übrigens, direkt vor dem Palais steht unser Firmenschild: zum Hof raus, nach links und den Blick nach oben richten!

Blick hinter die Interview-Kulissen

Pfarrer Harald Poggel beim Sommer-interview (c) Gemeinde St. Sophia
Pfarrer Harald Poggel beim Sommer-interview

(WW) Zum guten Schluss brauchen wir noch ein Foto. (HP) Machen wir gleich hier im Wäldchen? (WW) Ja, das Licht ist sehr gut. (HP) Wieviel vom Ferienhaus kommt drauf? (WW) *grins* Kein Problem, das ist das Nachbarhaus. Ihre Sonnenbrille passt auch ganz locker ins Bild, vielleicht noch ein wenig mehr nach vorne. (HP) Hmm, nicht dass die Leute meinen, ich wäre zum Urlaub im Odenwald: Sonnenbrille, Rucksack, Ferienwohnung, hemdsärmelig… (WW) Nein, niemals 😉