Liebe Leserinnen und Leser,
es ist unübersehbar. Die Bäume werfen ihre Blätter ab. Die Tage werden kürzer, die Dunkelheit nimmt zu und es wird kälter. Der November kommt.
Wenn man sich in dieser Zeit draußen aufhält, kann einem etwas melancholisch ums Herz werden, gilt es doch nun Abschied zu nehmen von Sonnenschein, Wärme, Licht und den herrlichen Farben des Oktobers. Und doch hat auch diese Zeit ihre Bedeutung und ihre Qualität. In dem Maße, in dem die äußeren Reize abnehmen, ist man umso mehr auf sein Inneres, sein eigenes Denken und Handeln zurückgeworfen. Es ist kein Zufall, dass in dieser Zeit Gedenktage wie Allerheiligen, Allerseelen, Buß- und Bettag oder der Volkstrauertag liegen. In dieser Jahreszeit werden wir mit der Vergänglichkeit der Natur, aber auch unserer eigenen Vergänglichkeit, unserem eigenen Zerfall konfrontiert. In dieser Jahreszeit fällt es uns weit schwerer als etwa im Frühling oder Sommer, den Kernfragen menschlichen Lebens- dem Sinn unseres Seins, den Zielen unseres Lebens und der Frage ob, und was nach unserem Tode noch sein wird, auszuweichen.
Ich denke, dass es nur heilsam sein kann, wenn wir diese Fragen auch zuweilen aushalten und uns intensiv mit ihnen beschäftigen, auch gerade dann, wenn wir noch in der Blüte unseres Lebens stehen. Denn: Wer sich mit dem Sterben auseinandersetzt, dem werden auch die Qualitäten des Lebens bewusster. Er wird seine Maßstäbe neu überdenken und sich der Endlichkeit seiner Lebenszeit klar, die sinnvoll gefüllt, und nicht oberflächlich vergeudet werden will. Er wird sich freuen über das, was er hat, und nicht dem hinterhertrauern, was er haben könnte. Und er wird vielleicht auch entdecken, dass nicht nur der Frühling und der Sommer des Lebens, sondern auch der Herbst als Zeit der Reife, der Ernte, der Weisheit und der Gelassenheit seine eigenen Reize haben kann. Er wird sich aber vielleicht auch bewusst, dass das Leben kein Zufallsprodukt, das menschliche Sein nicht alleine das Ergebnis von physikalischen und chemischen Prozessen ist. Wäre es so, dann wäre zumindest für mich der Gedanke an das Sterben, vor allem aber daran, dass ich die Menschen, die ich liebe, niemals mehr wiedersehen werde, schwer erträglich. Dann käme nach dem Tod ja „Nichts“ mehr! Unser Leben wäre demnach unter kosmischen Gesichtspunkten relativ bedeutungslos, wie im Psalm 103 zu lesen ist:
„Des Menschen Tage sind wie Gras,/ er blüht wie eine Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin; /der Ort, wo sie stand, weiß von nichts mehr.“
Alles sinnlos? Nein, denn wenn man in diesem Psalm weiterliest, heißt es da:
„Doch die Huld des Herrn währt immer und ewig/ für alle, die ihn fürchten und ehren;..“.(Ps 103,16f)
Jeder Mensch ist von Gott gewollt und das gibt jedem Leben einen einzigartigen Sinn.
Leben und Tod, Werden und Vergehen gehören nun einmal zu unserem Dasein in dieser Welt dazu und wir werden uns zu unseren Lebzeiten damit abfinden müssen. Nicht die Länge der Lebenszeit, sondern, was wir daraus machen, ist entscheidend. Für einen glaubenden Menschen ist es doch so: Nach unserem Tode werden alle Erfahrungen, alle Freuden und alles Leiden, in ein neues Leben bei Gott münden, wie es so herrlich in der Offenbarung heißt:
„Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr...Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, kein Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“. (Offenb 21,3f)
Was für eine wunderbare Perspektive!
Ein schönes Wochenende und besinnliche Gedenktage wünscht Ihnen
Markus Kreuzberger, Gemeindereferent der katholischen Gemeinden in Griesheim und Weiterstadt