Sankt Marien Großen-Buseck

Predigt - Gedanken zum 2. Sonntag der Osterzeit.

Corona-Predigt zum Weißen Sonntag

Wenn sich eine Wirklichkeit gründlich in unserer Vorstellungswelt festgesetzt hat, dann gibt es praktisch keinen Lebensbereich, bei dem diese Realität nicht zugleich mit in den Vordergrund tritt. So ist es auch bei „Corona“: Es setzt sich nicht nur in der Lunge der Infizierten fest, sondern auch in der Phantasie aller übrigen.

So ergeht es mir auch beim Evangelium dieses Sonntags, und das bereits in den ersten Versen: „Als die Jünger aus Furcht […] die Türen geschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“ Beschreibt das nicht auch unser Ostern von 2020? Auch wir haben, ob im wörtlichen oder im übertragenen Sinne, „die Türen verschlossen“. Damit nichts Böses, nichts Schädliches über die Schwelle tritt. Das „Zuhause-Bleiben“, das uns aus jedem Fernsehkanal entgegenstrahlt, heißt ja im Umkehrschluss: Mach deine Türe fest hinter dir zu!

Es tut uns Menschen nicht gut, auf die Dauer in die Isolation zu gehen; es wird unserem sozialen Wesen nicht gerecht. Im Augenblick ist es der Vernunft und der virologischen Einsicht geschuldet. Trotzdem führt das, was Leben erhalten und retten soll, dazu, dass etwas anderes, das ebenfalls sehr wichtig ist, beginnt zu verkümmern. Die Seele wird in Mitleidenschaft gezogen, sie kann sich vom übrigen Organismus nicht abkapseln. Nur ganz wenige Menschen werden das trennen können.

Hier nun aber kommt Jesus ins Spiel. Und noch wichtiger als das: Er kommt überhaupt! Er lässt die Seinen nicht im Stich, er überlässt sie nicht ihrer Angst. Er wartet vor allem nicht, dass sie sich wieder hervorwagen. Es ist keine ausgestreckte Hand hinter einer verschlossenen Tür. Jesus, der Auferstandene, tritt ein. Er macht sich sichtbar und nahbar. Jede soziale Distanzierung ist ihm fremd. Der ungläubige Thomas darf sogar seine Hände und Finger in die Wunden der Kreuzigung hineinlegen.

Offensichtlich wird in den nächsten zwei oder drei Wochen so manche Tür sich wieder öffnen. Aber die Angst und die Sorge vor Ansteckung werden mitgehen. Wir werden die eigenen Haus- und Wohnungstüren nicht mit einem Schwung wiederaufreißen, sondern zunächst eher zögerlich. Zugleich aber werden Begegnungen wieder möglich, und wenn es durch eine Gesichtsmaske hindurch ist. Wir kehren wieder in die Gemeinschaft, ins Leben zurück. Derselbe Jesus, der uns in der Isolation zur Seite stand, wird auch diese Schritte begleiten. Und eines nicht mehr fernen Tages wartet er auf uns auch an unserem Altar und sättigt uns mit seinem Sakrament.