Liebe Gemeinde,
unser alltägliches Leben ist eingewoben in Etikette, gesellschaftliche Regeln und Gesetze. Wir haben uns daran gewöhnt oder damit arrangiert, dass uns dies Richtschnur sein kann oder einen Rahmen vorgibt. Das ist gut so, denn es hilft auch, dass Menschen miteinander auskommen. Was globale Teilhabe betrifft, haben die verschiedenen Zivilisationen untereinander leider noch erhebliche Defizite, die dringend aufgelöst werden sollten.
Die vermeintliche Sicherheit, an die wir uns eben durch Achtung dieser Regeln gewöhnt haben, führt jedoch auf der anderen Seite auch dazu, dass Fantasie und Kreativität allzu oft ein Schattendasein führen oder schlimmstenfalls einfach verkümmern.
Kinder könnten uns da ein Vorbild sein. Sie sind noch nicht eingebunden oder eingeschränkt, je wie man es sehen möchte. Für alles offen lernen sie beim Tun und mit unserer Hilfe, sich im Geflecht der Regeln zurechtfinden. Fantasie und Kreativität sind dabei der Motor für ihre Entwicklung und manche können sich diese Gaben oder wenigstens einen Teil davon beim Erwachsenwerden bewahren.
Als Kind mit Dir
auf Du und Du.
Doch irgendwann
bist Du entschwunden
meinen Blicken.
So suche ich
seit Jahren schon
den Himmel ab
nach deines Geistes
Feuerzungen.
Gisela Baltes fasst in wenigen Zeilen trefflich zusammen und stellt damit auch die Frage, in welcher inhaltlichen Dimension der Biblische Text zu Pfingsten noch bei uns ankommt.
„Der Heilige Geist erfüllt die Jünger mit dem lebendigen Glauben daran, dass Gott Jesus vom Tod auferweckt hat, dass er heute lebt und regiert. Sofort beginnen die Apostel, allen voran Petrus, anderen zu verkünden, was sie selbst erlebt haben. Sie konnten plötzlich in vielen Sprachen sprechen und alle Zuhörenden konnten sie verstehen.“
Ich lade Sie ein, mit auf die Suche zu gehen, Fragen zu stellen, zu sortieren, sich Antworten zu nähern.
Bis der biblische Text unser Herz erreicht, wenn er denn so weit vordringt, wurde er von Regeln und Sachzwängen geschliffen, reduziert auf Worte, die man glaubt zu glauben. Gestehen wir uns selbst ein, dass es uns kaum gelingen würde, nur mit eigenen Worten den Inhalt überzeugend zu beschreiben? Es fehlt Entscheidendes, aber ein erster Schritt könnte es sein.
Lassen wir uns von Gottes Geist packen und beGEISTern? Also nicht nur hören, sondern auch und vor allem fühlen. Über die Worte hinaus, auf direktem Weg hinein in unser Innerstes.
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. So sagt es der Fuchs dem kleinen Prinzen.
Schauen wir über Mauern und geben wir unserer Fantasie und Kreativität Luft zum Atmen? Nehmen wir uns die uneingeschränkte Offenheit der Kinder zum Vorbild und lassen unseren Gefühlen freien Lauf, uns überraschen von dem, was uns durch die Worte vor Augen geführt wird? Suchen wir zu erspüren, was kaum erfassbar ist, wo uns Gott im Rauschen des Windes, im Brausen des Sturms, in Feuerzungen nicht sichtbar aber spürbar, fühlbar gegenübersteht?
Jesu Jünger hatten zwar den Vorteil, alles erlebt, es am eigenen Leib erfahren zu haben. Aber auch ihnen hat der Geist den letzten Schubs gegeben.
Wenn die Worte zu Pfingsten sich in unseren Emotionen spiegeln, in der Waage liegen, wird es uns dann möglich sein, sie mit unserer Begrenztheit zu ertasten?
Wollen wir es versuchen?