Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zu Ostersonntag 2021

Datum:
So. 4. Apr. 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu Ostersonntag

Liebe Schwestern und Brüder,

wie hat sich doch unser Leben seit nunmehr über einem Jahr verändert! Manchmal weiß ich gar nicht mehr so genau, wie unbeschwert und selbstverständlich „alles“ vor Corona war oder zumindest schien. So vieles ist seitdem eingeschränkt, so viele Menschen sind gestorben, so viele haben Ihre Lieben verloren, oft ohne Abschied, ohne Handhalten, ohne dass, was noch gesagt werden wollte und musste, so viele haben ihre Jobs oder ihre Geschäfte verloren – eine weltweite Tragödie, und es geht weiter.

Krisen zeigen, wer wir sind! Ich hoffe, nicht nur Krisen, aber die sicherlich auch. Aber was zeigt die Corona-Krise? Wie globalisiert wird sind? Das wussten wir schon vorher – auch jetzt sehen wir mögliche Gefahren, und Abhängigkeiten, die vielleicht überdacht werden müssen. Was wir tatsächlich zum täglichen Leben brauchen? Ganz wichtig! Wie bleibe ich mit wem in Ver-Bindung, wenn das nicht mehr so einfach und selbstverständlich wie bisher geht. Wie gestalte ich meinen Alltag? Nehme ich Zeit anders wahr? Gibt es mehr „Nachdenken“, d.h. mehr Reflektieren über das und mein Leben? Die Corona-Krise hat uns auch gezeigt, obwohl das jetzt schon länger kein Thema mehr ist, welche „systemrelevanten“ Berufe unser Leben und unsere Gesellschaft sichern: Erzieherinnen, Kassiererinnen, Krankenschwestern, Ärzte, Lkw-Fahrer. Ob die Unterbezahlten von ihnen dauerhaft mehr bekommen, wird sich wohl noch zeigen müssen. – Ob das häufige „Bleiben Sie gesund“ auch nach Corona bleiben wird? Auch das werden wir sehen. Bei dem vielen, was uns diese Krise zeigt und zeigen kann, eines ist ebenfalls wesentlich: Wie wir miteinander umgehen! Ein Politiker hat das schon zu Beginn der Pandemie hier bei uns als „Charaktertest der Gesellschaft“ beschrieben. Das stimmt. Hamsterkäufe sind kein Thema mehr, das abendliche Kirchenläuten und Klatschen für das medizinische und pflegerische Personal auch nicht. Nach wie vor gibt es in vielen Ländern, auch bei uns, die Wirklichkeits-Leugner, was ich persönlich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Jetzt geht es um Impf-Strategien und –Nebenwirkungen – wir können nur hoffen und beten, dass es damit dann irgendwann überwunden sein wird. – Die eigentliche Frage für mich ist aber: Wird sich durch die Corona-Pandemie etwas nachhaltig zum Guten verändern? Wie können wir das Bewusstsein über unsere Abhängigkeiten, unsere Bedürfnisse und Not-Wendigkeiten, aber auch über unsere Möglichkeiten, Chancen und Privilegien auch nach dieser Pandemie bewahren und (für alle?!) hilfreich umsetzen? Wir werden sehen, welche gesellschaftlichen Veränderungen sich durch politische Entscheidungen ergeben, aber was machen wir? Werden wir bereit sein, (konkret) zu unterstützen, dass unsere systemrelevanten und unterbezahlten Berufsgruppen mehr Gehalt bekommen? Werden wir und die entsprechenden Verantwortlichen bereit sein, dass z.B. 1 Prozent aller Eintrittspreise für Freizeitveranstaltungen (Sport-Events, Kino, Theater, Museen, Volksfeste etc.) direkt an solche Berufsgruppen gehen? Wenn sie unser tägliches Leben sichern, dann könnten wir das durch einen kleinen Anteil von unseren  „schönen“ Lebensaktivitäten doch auch honorieren. Und ich finde die Frage wichtig, ob wir nach Corona rücksichtsvoller und achtsamer sein werden – und, was wir dafür brauchen? Es ist kein frommer Spruch, sondern ich meine das sehr ernst: Ich glaube, wir brauchen dafür auch Ostern! Ostern zeigt, dass durch Angst, Selbstsucht, Leiden und Tod hindurch eine Wirklichkeit aufleuchtet, die alles heilt bzw. heilen kann, wenn man denn darauf vertraut. Was so unscheinbar im letzten Winkel der Welt begann, sollte die ganze Welt und v.a. die Herzen aller Menschen erobern, weil es gezeigt hat, wie alle Menschen glücklich werden können: Durch Güte und Gleichberechtigung, durch Toleranz und Teilen, durch Verbinden und Vergeben, und immer wieder: durch Umkehr und Neuanfang – das war nicht nur die Botschaft und das Lebenselixier dieses Jesus von Nazareth, durch das Zeugnis derer, die ihn seit seiner Auferstehung erlebt haben, wissen wir überhaupt etwas davon. Für die Jüngerinnen und Jünger war die Kreuzigung mit Sicherheit die größte Krise ihres Lebens – aber das sollte eben nicht das Ende sein, sondern der Anfang! Das ist Ostern: Durch Gottes Kraft, die wir nur erahnen können und die alles Menschliche übersteigt, wird durch den Tod Leben, durch Verrat Erfüllung, durch Angst Treue! Auch die Krise der Jünger zeigt, um was es geht! Und sie haben – durch Ostern – gelernt, dass die Kraft Gottes und das Vertrauen auf sie, alles bewirken kann, was gut ist – und zwar für alle! Das bedeutet nicht – was Gründonnerstag und Karfreitag beweisen – die (göttliche) Verhinderung oder Eliminierung von Leid und Tod. Aber es unterstreicht ja gerade die „Wahrheit“ der Botschaft und des Lebens Jesu, dass er trotz Leid und Tod dem treu geblieben ist, was von jeher seine Seele erfüllt hat: Dass wir Menschen aus Liebe und zur Liebe geschaffen sind, und nur dann wirklich glücklich werden können, wenn wir so leben!

Wenn wir mögen, können wir gerade auch durch die Corona-Krise lernen, was eigentlich zählt im und für das Leben – und hoffentlich vergessen wir es nicht wieder, wenn wir diese Pandemie mal überwunden haben!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen von Herzen ein frohes und gesegnetes Osterfest!

Ihr Pfr. Rudolf Göttle.