Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 1. Advent 2020

Datum:
Sa. 28. Nov. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 1. Advents 2020:

Der Advent (von lat. adventus domini = Ankunft des Herrn) ist die Vorbereitungszeit für die Feier der Geburt Christi. Die ersten Zeugnisse darüber finden sich in Gallien und Spanien, wo der ursprüngliche Termin für das Weihnachtsfest auf dem 6. Januar lag, was von Byzanz (Ostkirche, später Konstantinopel, heute Istanbul) übernommen wurde. Da es dadurch auch ein wichtiger Tauftermin war, lag dem – genauso wie beim Osterfest – eine vierzigtätige Vorbereitungszeit voraus (deswegen auch violette Messgewänder). Da nach ostkirchlicher Tradition nicht nur der Sonntag, sondern auch der Samstag kein Fasttag sein sollte, ergab sich für den Beginn dieser Vorbereitung auf Weihnachten der Tag nach dem 11. November. Im weiteren Verlauf war dann v.a. in Gallien der Advent immer mehr von der endzeitlichen Erwartung = Wiederkunft Christi geprägt.

In Rom lassen sich adventliche Liturgien ab dem 6. Jh. nachweisen, im Unterschied zur gallikanischen Prägung jedoch als unmittelbare Vorbereitung auf das Fest der Geburt des Erlösers. Dieses wurde jedoch (nachweislich seit 336 n. Chr.) in Rom am 25. Dezember gefeiert (als Reaktion der römischen Gemeinde auf das von Kaiser Aurelian 274 n. Chr. eingeführte heidnische Geburtsfest des unbesiegten Sonnengottes). So wurde hier der Advent als eine besinnliche Zeit der Vorbereitung auf das (römische) Weihnachtsfest begangen.

Im Laufe der Geschichte sind diese beiden Traditionen zusammengewachsen und entsprechen den zwei Phasen des Advents, wie wir ihn heute noch feiern: In den ersten drei Adventswochen steht (in gallikanischer Tradition) die Wiederkunft des Herrn am Ende der Zeiten im Vordergrund, die Zeit vom 17.-24.12. ist der sogenannte Hohe Advent als Vorbereitung auf Weihnachten als Fest der Geburt des Erlösers (in römischer Tradition).

Zur 1. Lesung (Jes 63, 16b-17.19b; 64, 3-7)

Für an Gott gläubige Menschen wird die Suche nach ihm eine lebenslange Aufgabe und Herausforderung sein. Wie lässt sich Gott wahrnehmen, worin erkennen? Sehr vorsichtig muss man sein, wenn menschliche Widerfahrnisse und irdische Ereignisse auf Gottes „Nähe“ oder „Ferne“ gedeutet werden. Philosophisch gesprochen: Wenn es einen Gott gibt, dann kann es keinen Ort oder keine Zeit geben, an / in der er nicht anwesend ist, denn Gott ist „alles in allem“ (1 Kor 15, 28). Die Frage bleibt nur, wie wir es interpretieren, wenn wir eben nicht eine gewünschte und erhoffte göttliche „Nähe“ erfahren / fühlen / spüren.

Wie oft im Alten Testament führt auch der Prophet Jesája die erlebte „Gottesferne“ auf die Schuld der Menschen und die entsprechende Strafe / Abwendung Gottes zurück.

Ausgesucht wurde dieser Bibelabschnitt aber wegen des Motivs des „Reiß doch den Himmel auf und komm herab“ (Jes 63, 19b, vgl. auch Jes 45, 8) – es ist das Symbol für die ersten drei Wochen des Advents (vgl. Gotteslob Nr. 234).

Lesung aus dem Buch Jesája:

„Du, Herr, bist unser Vater, «Unser Erlöser von jeher» wirst du genannt. Warum lässt du uns, Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht mehr fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Eigentum sind. Reiß doch den Himmel auf und komm herab, sodass die Berge zittern vor dir.

Seit Menschengedenken hat man noch nie vernommen, kein Ohr hat gehört, kein Auge gesehen, dass es einen Gott gibt außer dir, der denen Gutes tut, die auf ihn hoffen. Ach, kämst du doch denen entgegen, die tun, was recht ist, und nachdenken über deine Wege.

Ja, du warst zornig; denn wir haben gegen dich gesündigt, von Urzeit an sind wir treulos geworden. Wie unreine (Menschen) sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein schmutziges Kleid. Wie Laub sind wir alle verwelkt, unsere Schuld trägt uns fort wie der Wind. Niemand ruft deinen Namen an, keiner rafft sich dazu auf, fest zu halten an dir.

Denn du hast dein Angesicht vor uns verborgen und hast uns der Gewalt unserer Schuld überlassen. Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 1, 3-9)

Was ist Gnade? Nach christlichem Verständnis ist es die Zuwendung / Geschenk Gottes. Weil Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4, 16b), erschafft, erlöst und erhält er alles Sein, damit die Menschen durch ihre freie Entscheidung (für das Gute) an seinem Schöpfungs-, Erlösungs-, und Heilswerk teilhaben und teilnehmen. Alles, was wir Menschen sind, vermögen und tun ist im letzten immer schon Geschenk Gottes. Je mehr wir uns dadurch in Verbindung mit Gott sehen / fühlen, desto stärker können wir die Kraft und die Ideen zum Guten / Frieden etc. spüren und in unser Denken und Handeln miteinbeziehen / uns davon leiten lassen.

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder,

„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Ich danke Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde, dass ihr an allem reich geworden seid in ihm, an aller Rede und aller Erkenntnis. Denn das Zeugnis über Christus wurde bei euch gefestigt, sodass euch keine Gnadengabe fehlt, während ihr auf die Offenbarung Jesu Christi, unseres Herrn, wartet. Er wird euch auch festigen bis ans Ende, sodass ihr schuldlos dasteht am Tag Jesu, unseres Herrn. Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn.“

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (Mk 13, 33-37):

In jene Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

„Seht euch also vor und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen: Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein.

Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen. Er soll euch, wenn er plötzlich kommt, nicht schlafend antreffen. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!“

Liebe Schwestern und Brüder, das war also das Evangelium zum 1. Advent.

Wenn ich das damit vergleiche, welche Stimmung ich mir im Advent wünsche, dann hat das nicht viel miteinander zu tun. Für mich bedeutet Advent v.a. Gemütlichkeit, Vorfreude, Plätzchen backen, basteln, Geschichten vorlesen, Dämmerung, am Kaminfeuer sitzen – wenn man denn einen hat.

Vielleicht haben Sie ganz andere Gedanken dazu, aber wenn wir uns generell die Traditionen und Bräuche zu Advent und Weihnachten anschauen, drückt das wohl ein sehr großes Bedürfnis bei vielen Menschen und über die Jahrhunderte hinweg aus. Ein solcher Brauch ist der Adventskalender.

Wenn Sie heute keinen mehr haben, so bin ich sicher, hatten Sie so etwas in Ihrer Kindheit. Warum gibt es den? – Zum einen, um die Vorfreude auf Weihnachten zu steigern und deutlich zu machen: jeden Tag einen Schritt, ein Türchen näher! Ich hatte – wie wohl die meisten Kinder (die sich so was leisten können!), in meiner Kindheit so einen klassischen Adventskalender mit Schokolade dahinter.

Und doch – und das ist für mich der 2. Aspekt – war ich jeden Tag gespannt, was heute wohl hinter dem Türchen ist. Auch das kann ja gerade bei Kindern die Vorfreude auf das Fest stärken.

Es gibt aber noch einen dritten Aspekt, der eigentlich nichts mit dem Adventskalender zu tun hat, der uns aber zum Evangelium von heute führt: Da geht es auch um Türen – und um Türsteher. Wie schon angedeutet: auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn die Worte Jesu so gar nicht zu unserer Vorstellung von Advent passen würden: es geht um Wachsamkeit, um sich-Vorsehen, um Verantwortung und um „ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist“, d.h. es kann jederzeit zu Ende sein. – Super! Dann machen wir die Weihnachtsgeschenke am besten gleich auf, oder? ;-). Aber warum hat unsere Kirche ganz bewusst dieses Evangelium für heute ausgesucht: weil sie glaubt, dass das unserer Vorbereitung sein soll: wachsam, sensibel zu sein, unsere Zeit als Geschenk, aber auch als begrenzt ernst zu nehmen, und: Jesus hat uns allen, jedem von uns, in diesem Evangelium einen ganz bestimmten Auftrag gegeben: „Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein. Seid also wachsam!“

Ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist: das heißt also, dass wir alle Türhüter sind und sein sollen! Was hüten wir denn? Die Tür zu was? –

Zu unserem Herzen, zu unserer Seele!

Was lassen wir in uns rein, was weisen wir ab, was draußen bleiben soll? Jesus sagt uns heute: Jeder von Euch hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass nichts in Euch reinkommt, was da nicht hingehört.

Und was meint er damit? Alles, was nicht zu Gemeinschaft und Frieden führt, was das Gespür für den Hl. Geist, für das Gute und die Kraft dazu vernebelt und überdeckt: das ist v.a. Egoismus, Abwertung,

Verächtlichkeit, Tratsch, vielleicht auch Stress und Hektik u.ä..

Und was sollen wir reinlassen? Wonach wir uns wirklich sehnen: Vielleicht echte Harmonie, Gemeinschaft, Zeit füreinander, Ruhe, Versöhnung, Klarheit, vielleicht auch Echtheit?

Ich weiß, das ist alles schön gesagt, aber womöglich schwer umzusetzen. Bestimmt, das bestreitet keiner! Aber wenn wir uns darauf vorbereiten wollen, dass Gott einbrechen will in diese Welt, dass da eine Kraft um uns und in uns ist, die uns helfen will, gemeinsam glücklich zu werden und dabei niemanden auszuschließen, dann ist unsere Aufgabe, dass wir wachsam an den Türen unserer Seele sind, dass wir Nein sagen zu dem, was falsch ist – für uns und für andere! Und dass wir bewusst reinlassen, was wir brauchen, um Mut, Liebe und Hoffnung zu haben. – Ich glaube, das ist oft schwerer zu erkennen, als das, was nicht gut ist in und für unser Leben.

Dafür können wir uns (jetzt) mehr Zeit nehmen, wenn wir denn wollen! Jemand hat einmal gesagt: Adventliche Menschen versuchen, ihre Sehnsüchte wahrzunehmen. Deshalb nehme dir jeden Tag ein paar Minuten Zeit, zünde eine Kerze an und überlege, was du dir für deine Zukunft erhoffst.

Dann kann Gott um so mehr einbrechen in unsere Welt, denn wenn wir hoffen und sehnen und lieben und teilen – ist Er schon da

und wir können bewusster unseren Weg im Alltag mit Ihm gehen!