Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 14. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 4. Juli 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Liebe Schwestern und Brüder,

zu Beginn der Corona-Pandemie im März dieses Jahres und auf Grund der folgenden notwendigen Einschränkungen auch in Bezug auf unsere Gottesdienste und das kirchliche Leben habe ich die Einführungen zu den Lesungen und das Evangelium vom Sonntag schriftlich ausformuliert, um es dann auf der Homepage meiner bisherigen Gemeinden zu veröffentlichen.

Mein Vorgänger, Pfarrer Ulrich Jung, hat das in Ihrer / unserer Gemeinde St. Marien wohl auch so gemacht, und er bat mich, dieses Angebot fortzusetzen. Das hatte ich ohnehin vor und ich freue mich sehr, dass Sie daran interessiert sind.

Die Einführungen wollen den Hintergrund der jeweiligen Bibelpassagen beleuchten und wichtige Aussagen herausstellen, um Bedeutungen und Zusammenhänge besser verstehen zu können.

Die erste Lesung einer Sonntagsmesse ist immer aus dem Alten Testament und immer ausgesucht nach dem vorgesehenen Evangelium des Tages. Deswegen gibt es keine sogenannten „Bahnlesungen“ des AT, d.h. die fortlaufende Lesung eines alttestamentlichen Buches.

Die „Leseordnung“ des Wortgottesdienstes der Messe wurde auf dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-65) grundlegend überarbeitet und erneuert, und interessanterweise ist das Dekret über die Liturgie (Sacrosanctum Concillium) als erstes Konzilsdokument veröffentlicht worden (04.12.1963). Seitdem gibt es drei „Lesejahre“ für die Sonntage (A, B, C) und zwei Lesejahre für die Wochentage (I und II), um möglichst viele Bibelverse (wohl insgesamt 12.000 der rund 35.000 Verse in der Bibel) den Gläubigen in der Messfeier zugänglich zu machen und zu verkünden

Zur 1. Lesung (Sach 9, 9-10)

Die erste Lesung des heutigen Sonntags ist aus dem Propheten Sachárja. Er gehört zu den 12 „kleinen“ Propheten des Alten Testaments. Daneben gibt es dann die vier „großen“ Propheten Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel.

Sacharja lebt in nachexilischer Zeit, d.h. nach dem sogenannten Babylonischen Exil: Nach der Reichsteilung (926 v. Chr.) in ein Nordreich (Israel) und ein Südreich wird das Südreich Juda mit Jerusalem als Hauptstadt 587 v. Chr. vom Neubabylonischen Reich erobert, der Tempel zerstört und Teile der jüdischen Oberschicht nach Babylon exiliert. Erst 539 v. Chr. können sie wieder in ihre alte Heimat zurück, nachdem die Perser (unter Cyrus) über Babylon gesiegt haben. Das Exil ist eine sehr wichtige Entwicklungszeit für die jüdische Theologie, den Glauben und religiöse Riten und Vorschriften, denn es gab durch die Ansiedlung in einem fremden, heidnischen und multi-kulturellen Gebiet eine besondere Notwendigkeit, die eigene religiöse Identität durch Abgrenzung nach außen zu wahren und zu schärfen. Wahrscheinlich geht die Bescheidungsvorschrift aus dieser Zeit hervor, ebenso die Entstehung von Synagogen, weil der Tempel ja zerstört und Jerusalem ohnehin weit weg war.

Sachárja wirkt etwa um 520 v. Chr., also recht bald nach der Exilszeit. Wir hören heute seine Verheißung einer (nahe-!)erwarteten „Heilszeit“, die von der urchristlichen Gemeinde eindeutig auf Jesus Christus gedeutet wurde.

Zion“ ist der ursprüngliche Name einer (vorisraelitischen) Turmburg in Jerusalem (vgl. 2 Sam 5, 7) und ein Synonym für Jerusalem selbst, durch den Bau des Tempel (durch König Salomon, ca. 930 v. Chr.) wird Jerusalem „Wohnsitz Jahwes“, des Gottes Israels.

Der Zusammenhang mit dem heutigen Evangelium ist, dass der „Messias“, der von Gott gesalbte „König“ als Bote und Bringer seiner (göttlichen) Herrschaft als Helfender, Demütiger und Armer (daher)kommt! Sein Reich bringt weltweiten Frieden!

Lesung aus dem Buch Sachárja:

So spricht der Herr: „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem!

Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin.

Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen.

Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde.“

Zur 2. Lesung (Röm 8, 9.11-13)

Im (diesjährigen) Lesejahr „A“ ist für die Zeit vom 9. Sonntag im Jahreskreis bis zum 24. Sonntag i. Jk. eine sogenannte „Bahnlesung“ des Römerbriefes vorgesehen, d.h. 15 Sonntage hören wir Abschnitte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom.

Zu den Besonderheiten des Römer-Briefes gehört, dass er der einzige Brief ist, den Paulus an eine Gemeinde schreibt, die er nicht selbst gegründet hat, außerdem ist es sein längster und vielleicht auch sein theologisch-anspruchsvollster und –umfassendster Brief.

Paulus sieht den Menschen in einer gewissen Polarität, d.h. es gibt zwei wesentliche Energie- und Lebensquellen, die unser Denken und Handeln bestimmen: Unsere Triebe und unsere „Denke“, d.h. unsere Überzeugungen, unser kognitives Leben. Paulus nennt das „das Fleisch“ und „den Geist“. An vielen Stellen, so auch in der heutigen Lesung, hören wir, dass wir Menschen vom Geist bestimmt sind. Damit sollen alle menschlichen Triebe, Regungen und egoistischen Bedürfnisse überwunden werden, indem wir uns an dem Menschsein Jesu, dem „neuen Adam“ (vgl. 1 Kor 15, 22.45) orientieren. Der Heilige Geist Gottes ist in jedem Menschen gegenwärtig (vgl. Röm 5, 5: „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“) und wartet darauf, erlauscht zu werden! Wer aus diesem Geist Gottes – wie Jesus das zeitlebens getan hat – lebt (= sein Leben gestaltet), der arbeitet mit am Reich Gottes (= alles, was Menschen zum Heil brauchen), und das „ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14, 17).

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer:

Liebe Schwestern und Brüder!

Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt.

Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm.

Wenn Christus in euch ist, dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde, der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit.

Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt. Wir sind also nicht dem Fleisch verpflichtet, Schwestern und Brüder, so dass wir nach dem Fleisch leben müssten. Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müsst ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die (sündigen) Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben.“

Zum Evangelium (Mt 11, 25-30)

Die Botschaft Jesu (von Gott, vom „Reich Gottes“ und somit vom Menschsein) ist keine hochphilo-sophische Theorie, sie ist eine Lebensüberzeugung, wie glückliches, erfülltes Leben für alle (!!!) Menschen konkret gehen kann, wenn man einerseits die wichtigsten irdischen Grenzerfahrungen (Leid, Schuld und Tod) und andererseits eine überirdische Macht der Liebe (= Gott) miteinbezieht.

Zu ihren wesentlichen Bestandteilen gehören v.a. das Teilen von allem (!), was die einen genügend und die anderen zu wenig haben (vgl. die Speisung der Fünftausend, Mk 6, 35-44), Barmherzigkeit (vgl. den barmherzigen Samariter, Lk 10, 25-37), Dankbarkeit (vgl. Lk 17, 11-19), Ehrlichkeit (vgl. Mt 5, 37: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein, alles andere stammt vom Bösen“), Vergebung (vgl. Mt 18, 21f, vgl. Lk 7, 47b: „Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe“), Versöhnung (vgl. das Gleichnis vom Barmherzigen Vater, Lk 15, 11-32), am meisten und was alles vereint und überschreibt: Liebe (vgl. u.a. Joh 13, 35: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“).

Um die Botschaft Jesu verstehen (und ihr folgen) zu können, braucht es weder philosophische noch theologische Vorbildung, er braucht ein offenes Herz, das nicht nur die eigene, sondern auch die Not anderer wahrnimmt und nach Lösungen sucht (!). Es braucht die Bereitschaft, Komfortzonen zu verlassen (vgl. die Heilung des blinden Bartimäus, Mk 10, 46-52, vgl. die ersten Worte Jesu im NT: „Denkt um, und glaubt an die Frohe Botschaft“, Mk 1, 15b), es braucht Sensibilität, sich von positiven Energien und  Impulsen leiten zu lassen (= Hl. Geist), und es braucht Mut, den schwierigeren aber besseren, anstatt den leichteren aber schlechteren Weg zu gehen (vgl. Lk 13, 24a: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen“).

Jesus erreicht mit seiner Botschaft – und das hören wir im heutigen Evangelium – daher vornehmlich die „Unmündigen“, das sind die, die mehr mit dem Herz als mit dem Kopf denken (vgl. seinen Vergleich mit Kindern, Mk 10, 13-16), die nicht nur ihr Herz am rechten Fleck haben, sondern die danach suchen, durch Teilen / Gemeinschaft und Hingabe / Bindung glücklich zu werden und nicht durch das, was man kaufen oder zeigen kann. Auch wenn sich die Hinwendung und die Botschaft Jesu an alle Menschen richtet, so spricht er speziell die Benachteiligten, Suchenden und Traurigen an – weil die sonst keiner anspricht!! Und speziell diesen verheißt er Heil(ung) – durch sein eigenes Beispiel, wie man Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Feindschaft am besten überwindet (!), nämlich eben nicht durch die Vergeltung durch Gleiches, sondern durch Güte und Demut, die zu wahrer (eigener) Größe führt und allein im Stande ist, Gewaltspiralen zu durchbrechen (vgl. Mt 5, 43f: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“). Diese Lebensüberzeugung wird Jesus dann bis in sein eigenes Leiden und Sterben hinein treu bleiben (vgl. Lk 23, 34: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“).

Es bleibt eine der herausforderndsten Fragen an uns Christen, ob wir Güte und Demut tatsächlich als das (an)erkennen, was es der Überzeugung Jesu nach ist: Eine wesentliche Möglichkeit, Verletzungen, Ungerechtigkeit und Macht zu durchbrechen, weil wir uns von diesen bösen Kräften nicht (mehr) leiten lassen, indem sie Angst und Gegenwehr auslösen, sondern wir versuchen, sie zu eliminieren, weil wir etwas Gutes dem gegenüberstellen: Mitgefühl und Selbstachtung. Je mehr wir das versuchen, desto mehr wird es wahrscheinlich funktionieren!

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

„In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.

Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.

Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“