Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 34. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 21. Nov. 2020
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zu den Lesungen und zum Evangelium des 34. Sonntags im Jahreskreis:

Der letzte Sonntag im Kirchenjahr heißt „Christkönig“, d.h. Jesus Christus erscheint – wie auch am Ende der Zeiten – als Krönung der Schöpfung, auf den die gesamte Schöpfung ausgerichtet ist. Mit am schönsten beschreibt das der sogenannte Philipper-Hymnus (Phil 2, 6-11): „Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: «Jesus Christus ist der Herr» –zur Ehre Gottes, des Vaters.“

Zur 1. Lesung (Ez 34, 11-12.15-17)

V.a. die Könige Israels galten als „Hirten“ des Volkes. Ihre Hauptaufgabe war, für Ordnung und Recht zu sorgen. Taten sie das nicht (sondern sorgten sie sich um sich selbst und beuteten sie das Volk aus) und ereigneten sich auch noch politische / gesellschaftliche Katastrophen, dann war in der „Denke“ des Alten Testaments klar, dass das die Strafe für die Schuld / das Versagen / den Egoismus war. Zur Zeit des Propheten Ezéchiel ereignete sich die bislang größte Katastrophe in der Geschichte Israels: die Zerstörung des Tempels und Jerusalems und die Verschleppung der Bevölkerung nach Babylon (587 v. Chr.). Ezéchiel ist jedoch davon überzeugt, dass sich Gott der Verirrten annimmt, er wird die Zerstreuten wieder sammeln und heimführen, er wird (nun) der Hirte Israels sein!

Lesung aus dem Buch Ezéchiel:

„So spricht Gott, der Herr: Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern. Wie ein Hirt sich um die Tiere seiner Herde kümmert an dem Tag, an dem er mitten unter den Schafen ist, die sich verirrt haben, so kümmere ich mich um meine Schafe und hole sie zurück von all den Orten, wohin sie sich am dunklen, düsteren Tag zerstreut haben. Ich werde meine Schafe auf die Weide führen, ich werde sie ruhen lassen – Spruch Gottes, des Herrn. Die verloren gegangenen Tiere will ich suchen, die vertriebenen zurückbringen, die verletzten verbinden, die schwachen kräftigen, die fetten und starken behüten. Ich will ihr Hirt sein und für sie sorgen, wie es recht ist. Ihr aber, meine Herde – so spricht Gott, der Herr –, ich sorge für Recht zwischen Schafen und Schafen, zwischen Widdern und Böcken.“

Zur 2. Lesung (1 Kor 15, 20-26.28)

Paulus sieht in Christus den „neuen Adam“, d.h. so ist der Mensch eigentlich geschaffen. Seitdem es Menschen gibt (= „Adam und Eva“) sind sie immer wieder vom Weg Gottes (der Liebe, Barmherzigkeit, Güte und des Friedens) abgewichen, sie wollten selber wie Gott sein (vgl. Gen 3, 5). Die(se) (Ur-)Sünde hat den „Tod“ gebracht, d.h. durch die Sünde stirbt in uns das Göttliche (vgl. Röm 5, 5: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt ist“ und Mt 15, 19: „Aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen“). Darum sendet Gott sich selbst in Gestalt seines Sohnes auf die Erde, um zu zeigen, wie wir wahrhaftig leben und lieben sollen: so wie Jesus!

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther:

Liebe Schwestern und Brüder,

„Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören. Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht über alles und in allem.“

Zum Evangelium (Mt 25, 31-46 )

Jesus definiert unmissverständlich, was die beiden wichtigsten Gebote („liebe Gott und deinen Nächsten wir dich selbst“, vgl. Lk 10, 27) konkret bedeuten.

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jene Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken. Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder obdachlos oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen? Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.“

Liebe Schwestern und Brüder – eigentlich müsste ich wohl sagen: liebe Schafe und liebe Böcke – aber das andere ist besser, oder? Wörtlich übersetzt heißt es übrigens „Schafe und Ziegen“, da Schafe damals in Palästina weiß waren und Ziegen schwarz. Aber wie auch immer: Das hören wir also am letzten Sonntag im Jahreskreis, bevor das neue Kirchenjahr am 1. Advent beginnt: Wenn Jesus Christus endgültig wiederkommt, um die Welt zu richten, dann wird es so sein: entweder oder! Entweder sitzen wir zu seiner Rechten, d.h. wir haben es richtig gemacht, oder wir landen zur Linken, dann haben wir ein Problem. Tolle Aussichten, oder? Also ehrlich gesagt, hätte ich mir für Christkönig irgendwie etwas anderes vorgestellt. Zunächst ist es vielleicht ganz interessant, wie das Hochfest Christkönig entstanden ist: Es ist ausgesprochen jung, erst 1925 wurde es eingeführt, und zwar weil in diesem Jahr die 1600-Jahr-Feier des Konzils von Nicäa 325 n. Chr. (1. Konzil der Gesamtkirche) begannen wurde. Und es hat noch einen anderen wichtigen Hintergrund: In dieser Zeit der 20er Jahre des 20. Jh. hatte die Christusverehrung bei der katholischen Jugend eine besondere Bedeutung, war sie doch ein Zeichen gegen Führerkult und Nationalsozialismus.

Es passt auf jeden Fall sehr gut, bevor das neue Kirchenjahr wieder los geht, die Wiederkunft Christi so klar vor Augen gestellt zu bekommen. Was mich aber tatsächlich sehr irritiert: Wenn unsere Kirche für dieses Fest einen solchen Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium ausgesucht hat – wo bleiben denn unsere ganzen kirchlichen Aktivitäten? Sakramente, Gottesdienste, kirchliche Vereine und Räte, Katechese, Beerdigungen, Pfarrfest, Rosenkranz, usw. – Ist das jetzt alles sinnlos? Nein! Aber sie dürfen nie Selbstzweck sein. Sie haben immer nur den Zweck, dass sie helfen, das zu tun, was Jesus verlangt! Und das ist absolut eindeutig. Der Auftrag ist: Nahrung, Wasser und Kleidung zu teilen, Fremde und Obdachlose aufzunehmen, Kranke und Straftäter in den Gefängnissen zu besuchen. Punkt! – Was ich dabei so spannend finde: Nicht nur, wie eindeutig Jesus Nächstenliebe durchbuchstabiert und damit offenbart, dass das der reine und höchste Gottesdienst ist, sondern auch, dass sein Gebot grundmenschliche Prinzipien sind, die das Zusammenleben und die Entfaltung aller Menschen ermöglicht, eine übergeordnete Regel, die alle Menschen betrifft: Keiner soll vergessen werden, daher sollen wir uns vor allem anderen um die kümmern, um die sich sonst keiner kümmert,

die am Rande der Gesellschaft stehen, die leiden und besonders Hilfe, Gemeinschaft und Mut brauchen. Das ist doch mal eine andere Art von Globalisierung, oder? Und seine Identifikation mit den Bedürftigen geht so weit, dass er sich mit ihnen gleichsetzt: „das habt Ihr dann mir getan!“ – Und was ist nun mit all unseren kirchlichen Aktivitäten? Die bleiben wichtig, aber nur, wenn sie konkret helfen, diesen Auftrag Jesu umzusetzen: Sakramente sprechen uns in bestimmten Lebenssituationen besonders Gottes Kraft und Hilfe zu, Gottesdienste feiern soll helfen, uns immer wieder auf Gott, auf seinen Heiligen Geist auszurichten, uns von seinem Wort inspirieren und durch das heilige Mahl stärken zu lassen. Kirchliche Vereine und Räte haben schon die Aufgabe, aufmerksam zu bleiben für die Belange der Gemeinde, aber im Hinblick auf die Botschaft Jesu und nicht im Hinblick auf die Meinung und Erwartungen der Leute! Bei der Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung sollen die Kinder und Jugendlichen Jesus besser kennenlernen. Beerdigungen sollen auch helfen, den Hinterbliebenen Trost und Hoffnung zu geben. Auch ein Pfarrfest darf kein Selbstzweck sein, sondern soll der Nähe und der Gemeinschaft dienen, der Verständigung und der Freude. Das ist unser Auftrag: Bei allem, was wir tun, den endgültigen Maßstab Gottes viel stärker vor Augen zu behalten:

Nächstendienst ist Gottesdienst und Gottesdienst ist Nächstendienst. Das allein zählt! Heute bekommen wir das ganz deutlich gesagt – ändert das etwas?