Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Göttles Wort zum 5. Sonntag der Osterzeit

Datum:
So. 2. Mai 2021
Von:
Pfarrer Rudolf Göttle

Pfarrer Göttles Worte zum 5. Sonntag der Osterzeit

Zur 1. Lesung (Apg 9, 26-31)

Paulus von Tarsus (vor 10 n. Chr. – nach 60 n. Chr., hebr. Saulus, vgl. Apg 13, 9) hat mit den Zwölf Aposteln eine elementare Bedeutung für die Ausbreitung des Christentums und die Entwicklung des christlichen Glaubens. Er ist ein griechisch gebildeter Jude mit römischem Bürgerrecht, gehört ursprünglich den Pharisäern an und verfolgt zunächst die Anhänger Jesu (er ist (wohl) auch in die Steinigung des Stephanus involviert, vgl. Apg 7, 58; 8, 1a). Laut Apg 9, 1-22 ereignet sich (33 oder 35 n. Chr.) auf dem Weg nach Damaskus die sog. Bekehrung des Paulus, d.h. eine akustische Vision des auferstandenen Christus, woraufhin er sich taufen lässt. Seitdem versteht er sich als von Gott berufener Apostel des Evangeliums für die Völker (= Heiden) (vgl. Gal 1, 15f) und wird nach Jesus die bedeutendste Gestalt des Neuen Testaments.

Das Apostelkonzil in Jerusalem (45/46 o. 48/49 n. Chr.) ist eine Zusammenkunft der Apostel der Jerusalemer Urgemeinde mit Paulus und seinen Begleitern, auf der auf Grund der Intervention und Argumentation des Paulus die für das Urchristentum zentrale Entscheidung über die sogenannte Heidenmission getroffen wird: Es wird verbindlich anerkannt, dass Heiden sich nicht erst beschneiden lassen müssen (= Juden werden), um Christen werden zu können (vgl. Apg 15, 11).

Der heutige Abschnitt aus der Apostelgeschichte liegt zeitlich davor (nach 35 n. Chr., d.h. etwa 10 Jahre vor dem Apostelkonzil), denn wir hören, dass die Christen(gemeinde in Jerusalem) noch sehr skeptisch Paulus gegenüber sind, weil er zuvor ja einer der Christenverfolger war. Die Hellenisten (= griechisch-sprechende Judenchristen) planen sogar, ihn zu beseitigen, was dadurch verhindert wird, dass Paulus zunächst nach Cäsarea und Tarsus geht.

Lesung aus der Apostelgeschichte:

In jenen Tagen, „als Saulus nach Jerusalem kam, versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen. Aber alle fürchteten sich vor ihm und konnten nicht glauben, dass er ein Jünger war. Barnabas jedoch nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln. Er erzählte ihnen, wie Saulus auf dem Weg den Herrn gesehen habe und dass dieser mit ihm gesprochen habe und wie er in Damaskus mutig und offen im Namen Jesu aufgetreten sei. So ging er bei ihnen in Jerusalem ein und aus, trat unerschrocken im Namen des Herrn auf und führte auch Streitgespräche mit den Hellenisten. Diese aber planten, ihn zu töten. Als die Brüder das merkten, brachten sie ihn nach Cäsarea hinab und schickten ihn von dort nach Tarsus. Die Kirche in ganz Judäa, Galiläa und Samarien hatte nun Frieden; sie wurde gefestigt und lebte in der Furcht vor dem Herrn. Und sie wuchs durch die Hilfe des Heiligen Geistes.“

Zur 2. Lesung (1 Joh 3, 18-24)

Der österreichische Schriftsteller Johannes Mario Simmel (1924-2009) veröffentlichte 1963 seinen Roman: „Liebe ist nur ein Wort“. Das Gegenteil zu diesem Titel formuliert der Abschnitt aus dem ersten Johannesbrief: Liebe ist (immer) Vollzug! Liebe zeigt sich eben nicht durch bloße Worte, sondern vollzieht Taten, die von Herzen kommen mit dem Ziel, dass Menschen glücklich werden (was auch immer das konkret bedeutet). Die deutsche Widerstandskämpferin gegen den National-sozialismus Elisabeth von Thadden (1890-1944) sagt kurz vor ihrer Hinrichtung: „Ich gehe in die Heimat der Liebe“. Aus dieser Liebe Gottes stammen wir, er selbst ist die(se) Liebe (vgl. 1 Joh 4, 16b), und daher ist unser Auftrag (vgl. Röm 5, 5), durch die Liebe (Gottes) die Welt zu verwandeln, um am Ende unseres irdischen Lebens in diese Liebe zurückzukehren. Wie dieses Verwandeln der Welt durch die Liebe Gottes aussieht, das hat Jesus Christus end-gültig gelebt, gesagt und gezeigt. Wir haben aber nicht nur sein Beispiel und seine Botschaft, wir haben auch denselben Geist (Gottes), aus dem er gelebt und gewirkt hat. Je mehr wir nach ihm suchen und auf ihn hören, desto mehr wird er uns leiten und Werke der Liebe vollbringen lassen.

Lesung aus dem 1. Johannesbrief:

„Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. Daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und werden unser Herz in seiner Gegenwart beruhigen. Denn wenn das Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz und er weiß alles. Liebe Schwestern und Brüder, wenn das Herz uns aber nicht verurteilt, haben wir gegenüber Gott Zuversicht; alles, was wir erbitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und tun, was ihm gefällt. Und das ist sein Gebot: Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben, wie es seinem Gebot entspricht. Wer seine Gebote hält, bleibt in Gott und Gott in ihm. Und dass er in uns bleibt, erkennen wir an dem Geist, den er uns gegeben hat.“

 

Zum Evangelium (Joh 15, 1-8):

Wiederum beschreibt Johannes mit einem ganz wunderbaren und konkreten Bild, in welchem Verhältnis wir durch Jesus zu Gott stehen: Gott ist der Winzer, Jesus der Weinstock, und wir die Reben! Unsere Aufgabe ist also, Früchte (der Liebe) zu bringen. Dies können wir nur, wenn wir an unserem Weinstock (Jesus) „hängen“, wenn wir in unmittelbaren Kontakt zu ihm bleiben, wenn seine Lebenskraft (vgl. Kommunionempfang), sein „Wasser“ (vgl. Taufe) durch uns fließt und uns nährt und wachsen lässt. Wenn wir keine Früchte der Liebe bringen, sind wir de facto von Christus getrennt, zeigen wir jedoch Früchte, ist Gott selbst es, der sie „reinigt“, d.h. der sie noch wertvoller und fruchtbarer macht (durch seinen Hl. Geist), damit sie anderen nützen (vgl. 1 Kor 12, 7), und: Um „der Welt“ (vgl. Joh 1, 10) zu zeigen, dass Gott der Herr ist (vgl. Vers 8)!

Wenn wir also unmittelbar mit Christus verbunden bleiben, dann ist es sein Geist und seine Kraft, die uns „bewegen“, es sind aber auch seine konkreten Worte, die uns die Richtung zeigen, wie wir Gutes tun (können). Und wenn wir uns (nur!) an diesen Worten Jesu orientieren, dann wird uns jede Bitte erfüllt, die wir – im Sinne Jesu! – an Gott richten. Das ist nicht nur eine unfassbar-grandiose göttliche Zusage, es ist auch eine Bedingung: Der Rahmen dessen, wozu Gott uns Kraft, Mut, Segen und Chance gibt, ist das (konkrete) Leben Jesu! Nur die Bitten von uns, die dem Leben und den Worten Jesu entsprechen, gewährt Gott (ebenso wie bei Jesus selbst). Leid und Tod können demnach, so sehr wir uns das auch in bestimmten Situationen wünschen, nicht umgangen werden (vgl. Jesu Gebet in Getsemani: „Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ (Lk 22, 42b)).

Wenn Sie mögen, fragt uns dieser Perikope an, woran wir wirklich im Leben hängen? Ich finde dieses Verb gerade im Zusammenhang mit dem Bild von Johannes vom Weinstock und den Reben überaus passend und präzise: Woran hänge ich? Vielleicht auch die Frage (bitte ohne negative Wertung): Wovon bin ich im Alltag ab-hängig? Es ist wohl sehr wichtig und kostbar, sich diese Frage(n) zu stellen. Und was auch immer uns als Antwort dazu einfällt, zunächst gilt es, es wertfrei wahrzunehmen, um es dann im zweiten Schritt anzuschauen, ob wir das (eigentlich) so wollen – oder nicht. Es zeigt auf jeden Fall, „wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6, 21)! Und Jesus sagt uns heute, dass er sich so sehr wünscht, dass wir auch (wenn wir denn ehrlich sind, denn „nur“ stimmt wohl nicht) an ihm hängen, dass wir von ihm im Sinne des Bildes von Johannes ab-hängig sind, um in seiner Kraft und in seinem Namen Gutes zu tun, damit wir und andere „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10, 10b)!

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.“