Schmuckband Kreuzgang

Pfarrer Jungs Wort zum 12. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
Sa. 20. Juni 2020
Von:
Pfarrer Ulrich Jung

Liebe Mitglieder und Freunde der Gemeinde St. Marien,

hier ist mein 15. (und vorletztes) Wort in der Corona-Zeit.
Am Sonntag, 28. Juni um 10.30 wird mein Abschiedsgottesdienst sein.
Wir wollen ihn - damit mehr als die 40 für die Kirche zugelassenen Personen teilnehmen können - im Freien auf dem Kirchplatz vor St. Franziskus feiern. Hoffentlich spielt das Wetter mit...

Aber auch für Gottesdienste im Freien sind nur 100 Personen zugelassen und diese Zahl an Anmeldungen  ist schon erreicht.
Sie können sich deshalb leider nicht mehr für den Abschiedsgottesdienst am Sonntag  anmelden. Für den Gottesdienst am Samstag, 27. Juni um 18.00 in der Kirche St. Franziskus sind aber noch einige Plätze frei! Auch bei diesem Gottesdienst werde ich mich schon von der Gemeinde verabschieden.
Es ist  schade, dass durch die Corona-Beschränkungen der Abschied nur in einer "kleinen Form" stattfinden kann. Ursprünglich war ja geplant, ihn mit dem Sommerfest zu verbinden.
Aber es kam bekanntlich alles anders.
Wer nicht zum Gottesdienst kommen kann (oder aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen will) und sich trotzdem von mir verabschieden möchte, könnte mir ja vielleicht eine E-Mail schreiben. Ich freue mich auch schon auf das Erinnerungsbuch an meine Zeit in Lerchenberg und Drais, das noch "in Arbeit" ist.

Ihnen und Euch allen einen herzlichen Gruß und Segen!

 Pfr. Ulrich Jung

Wort zum 12. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Mitchristen,

es gibt sehr vieles, was man an Jesus bewundern kann, was ihn zu einem ganz besonderen Menschen macht, der einen tiefen Eindruck hinterlässt – auch bei denen, die nicht im christlichen Sinn an ihn glauben: seine Lauterkeit und Klarheit, seine nicht-autoritäre Autorität, seine Entschiedenheit für das Gute, seine Barmherzigkeit und Großzügigkeit, sein tiefes Vertrauen auf Gott, seine Bereitschaft, sich hinzugeben und  Grenzen zu überschreiten, seine innere Freiheit und Weite…

Mich beeindrucken auch oft sein Mut und seine Furchtlosigkeit. Im heutigen Evangelium (Matthäus 10, 26-33) spricht er darüber: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen“ (Mt 10,26) und : „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die  Seele aber nicht töten können.“ (Mt 10,28) Jesus möchte seinen Jüngern seine eigene Furchtlosigkeit weitergeben. Er möchte sie ermutigen, ihrer „Seele“ zu folgen (man könnte vielleicht auch sagen: ihrer „inneren Stimme“). Er möchte sie darin stärken, nicht fremdgesteuert wie eine Marionette zu funktionieren, die die gewünschten Bewegungen macht, wenn man an ihr zieht. Seine Jünger sollen sich ihres Wertes und ihrer Würde bewusst sein und sich nicht feige „wegducken“: „Ihr seid mehr wert als viele Spatzen“ (Mt 10, 31). Der Grund der Furchtlosigkeit ist bei Jesus das absolute Vertrauen in seinen Vater im Himmel: „Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen vom Himmel ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.“ (Mt 10, 29-30).

Also ganz einfach, könnte man sagen: Wir müssen nur ganz großes Vertrauen auf Gott setzen, dann brauchen wir uns nie mehr zu fürchten, dann sind wir frei wie ein Vogel am Himmel oder wie ein Fisch im Wasser und gleichzeitig geborgen, aufgehoben und beschützt. Leider ist es aber - wie wir alle wissen -  nicht so einfach mit der inneren Freiheit und Geborgenheit und der daraus folgenden Furchtlosigkeit. Wir hören zwar die Botschaft „Fürchtet euch nicht!“ (im heutigen Evangelium gleich dreimal), aber wir fürchten uns ja sehr oft trotzdem. Es gibt keinen Schalter, mit dem man die Furcht „ausknipsen“ könnte. Jesus hat diese Erfahrung auch mit seinen Jüngern gemacht: alle sind sie weggelaufen, als es brenzlig wurde, als die Situation sich zuspitzte und sie Angst um ihr Leben bekamen. Und wie oft war und ist es bei uns genauso: wie oft habe ich z.B. nicht das gesagt, was in mir war, sondern das, was die Leute hören wollten. Wie oft habe ich etwas Gutes, was ich hätte tun können, aus Furcht unterlassen. Und ich war nicht in Lebensgefahr! Das Einzige, was mir hätte passieren können, war vielleicht ein schiefer Blick, ein Widerspruch oder ein Unverständnis… Fürchtet euch nicht? Doch, ich fürchte mich! Vielleicht empfinden Sie es auch so…

Furchtlosigkeit und Mut zum Guten sind offenbar nicht angeboren, sondern müssen ziemlich mühsam geübt und trainiert werden , in vielen kleinen Schritten.  Was macht es eigentlich für Viele so schwierig?

Menschen, die in ihrer Familie ein tiefes „Urvertrauen“ erlebt haben, eine grundsätzliche  Sicherheit, dass es das Leben gut mit ihnen meint und sie sich sozusagen fallen lassen können: solche Menschen können viel leichter Furchtlosigkeit und Mut entwickeln. Aber Menschen, die am Anfang ihres Lebens eine Erfahrung von tiefer Unsicherheit und Ungeborgenheit machen mussten, vielleicht sogar von Gewalt  oder Missbrauch,  Menschen, die das Grundgefühl haben, dass das Leben bedrohlich ist, werden sich sehr schwer damit tun, furchtlos und mutig zu handeln. Aber wir sind nicht festgelegt auf die negativen Erfahrungen, die wir früher in unserem Leben gemacht haben. Wir können dennoch Grenzen überschreiten. Diese Grenzen sind bei den einzelnen Menschen allerdings sehr verschieden. Was für den einen ganz leicht ist, ist für den anderen eine Riesenanstrengung und Riesenleistung.

Jesus erwartet ganz sicher nicht, dass alle auf Anhieb seine Furchtlosigkeit auch genauso praktizieren können. Aber er freut sich über jeden - auch kleinen – Schritt in Richtung Freiheit und Liebe. Jesus verknüpft die Furchtlosigkeit direkt mit seiner Person: „Wer sich … vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“ (Mt 10, 32)

Viele, viele Christen (und auch Nichtchristen, die einfach das Gute getan haben, auch wenn sie damit angeeckt sind) haben das getan. Sie haben ihre Furcht (die durchaus vorhanden war) überwunden.

Viele haben sich allerdings auch von ihrer Furcht bestimmen lassen und hatten nicht den Mut, sich zu Jesus bzw. zum Guten zu bekennen. Am Ende des Evangeliums steht deshalb auch der ernste Satz: „Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.“ (Mt 10,33) Sicher ist das nicht als Drohung gemeint, aber als Mahnung: Lass dich nicht fremdbestimmen durch Egoismus, Opportunismus und Ideologien aller Art, sondern geh den Weg, den dir dein Herz zeigt. Du bist deiner Angst um dich selbst nicht hilflos ausgeliefert! Du hast einen Spielraum zum Guten (auch wenn er manchmal sehr klein sein mag…). Mit jedem Schritt zum Guten hin wächst auch dieser Spielraum. Menschen können die „Seele“ (das innerste „Heiligtum“ in jedem Menschen) nicht töten (vgl. Mt 10,28).

Versuchen wir als Christen, unserer Würde, unserer Seele gemäß zu handeln.

Es tut uns und anderen gut.

Einen gesegneten Sonntag!

Ihr Pfarrer Ulrich Jung