1. Fastensonntag - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 5. März 2017
Von:
Pfr. Schäfer

1. Fastensonntag - Pfr. Stefan Schäfer


Liebe Schwestern und Brüder,
„Was ist der Mensch?" Immer wieder taucht diese Frage auf. Im Leben des einzelnen: „Wer bin ich? Bin ich das, was andere von mir sagen und denken? Bin ich das, was ich selbst von mir weiß?" Und als Menschheitsfrage: Ganze philosophische Systeme werden ersonnen, dieser Frage nachzugehen und Antworten zu formulieren.
„Was ist der Mensch?" Das Geschöpf auf Erden, das einzige, das sich selbst zur Frage wird.
Das Wesen, das ahnt, dass es aus sich selbst die Antwort auf diese Frage nicht finden wird und dass es sie mit sich selbst nicht wird beantworten können. Dass es auf eine Antwort warten muss, die, wenn es sie gibt, von einem kommt, der größer ist als der Mensch. Und die Urversuchung des Menschen - vielleicht besteht sie ja gerade darin, die Offenheit, dieses Ausgespanntsein über sich selbst hinaus, nicht aushalten zu wollen und sich mit vorletzten Antworten zu begnügen.
Wer bin ich?
Das was ich leiste und das, was ich mir deshalb auch leisten kann? Das, was ich habe und womit ich mich selbst und womit mich die anderen identifizieren? Die Ziele, die ich mir stecke und die Energie und den Ehrgeiz, mit denen ich sie verfolge?
Schon auf den ersten Seiten erzählt die Bibel davon, wie eitel und leer alle Versuche des Menschen sind, die Frage, die er sich selbst ist, mit dem zu beantworten, wonach er greifen kann: „Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren."
Vielleicht besteht die Versuchung des Adam gar nicht so sehr darin, dass er sein möchte wie Gott. Er ist ja geschaffen als Gottes Ebenbild und berufen, ihm ähnlich zu sein. Von Gott ist ihm der Lebensatem geschenkt. Und das ist ein Atem, der ihn weitertragen will, über die Grenzen seines Lebens und seiner Welt hinaus. Dass er also fragt und sucht und dabei keine Grenzen kennt, dass er „sein möchte wie Gott", auf den hin er geschaffen ist, hat Gott selbst ihm als Unruhe und Sehnsucht in die Seele gelegt.
Darin aber, dass Adam diesem größeren Atem, der durch sein Leben geht, nicht vertraut, dass er sich von ihm nicht tragen lässt, seinem Ziel entgegen, besteht sein Sündenfall: Als er die Antwort auf die Frage, die er sich selber ist, sich nicht schenken lässt, sondern sich selber geben will, erkennt er sich in seiner ganzen Armut und Nacktheit.
So wie es eben auch uns manchmal ergehen mag, wenn wir ein Ziel, das wir mit brennendem Ehrgeiz verfolgt haben, als hinge alles, als hinge unser Leben davon ab, erreicht haben. Und auf einmal ernüchtert da stehen und enttäuscht und uns fragen, ob es sich wirklich gelohnt hat, weil die Sehnsucht unseres Herzens noch immer nicht gestillt ist.
„Was ist der Mensch?"
Das heutige Evangelium stellt uns den vor Augen, der diese Frage mit dem ganzen Einsatz seines Lebens stellt und der sich weigert, sie sich mit etwas anderem als mit Gott beantworten zu lassen.
Mit Bedacht erzählt der Evangelist von der Versuchung Jesu zwischen der Erzählung von seiner Taufe im Jordan und dem Bericht von seinem ersten öffentlichen Auftreten. Denn hier, in der Wüste, wird deutlich, worin die Sendung dessen besteht, den Gott am Jordan als seinen geliebten Sohn proklamiert hat: Als ein „neuer Adam" die Antwort zu sein auf die Frage, die wir uns sind.
„Adam", der Mensch, erliegt immer wieder der Versuchung, den Weg des Fragens und Suchens nicht zu Ende zu gehen, sich abspeisen zu lassen und die eigene Armut und Angewiesenheit zu überspielen.
Jesus wird den Weg des Menschseins zu Ende gehen: Der Mensch lebt nicht von dem Brot, das er sich selber machen und besorgen kann. Er lebt von dem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Das er sich nicht ausdenken kann. Das ihm geschenkt wird.
Er wird sich weigern, von Gott Garantien zu fordern, als wäre er der Garant für ein Leben ohne Abstürze und Verletzungen. Er will den Weg des Glaubens gehen, sich tragen lassen ohne Beweise und Garantien.
Und nur vor diesem Gott wird er in die Knie gehen und ihn anbeten. Ihm wird er sein ganzes Leben übereignen und nicht den eigenen Interessen oder den Plänen der Menschen ( und kämen sie auch daher unter dem Anschein des Guten):
So wird er den Petrus zurückweisen, als der ihm zuredet, den Weg nach Jerusalem, der ihn ans Kreuz bringen wird, zu vermeiden. Wird erfahren, wie nach anfänglichem Zustrom die Massen sich abwenden. Wird ohnmächtig zornig sein angesichts der Verstocktheit und Borniertheit der Frommen, die den Weg des Glaubens mit ihren Antworten verstellen und sich in ihren Gewissheiten verschließen. Er wird weinen am Grab seines Freundes Lazarus. Er wird die ganze Armut und Angewiesenheit unseres Menschseins erleiden und schließlich selbst in Ängsten nach dem dunklen Willen Gottes fragen. Er geht den Weg bis zum Ende: die Enttäuschungen, das Scheitern und schließlich den Tod nimmt er auf sich und bleibt darin Gott zugewandt. Noch sein Sterben macht er zu einer Frage nach Gott, von dem allein er die Antwort auf die Frage nach dem Menschen erwartet: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen? In deine Hände lege ich meinen Geist!"
Uns wird heute diese Geschichte von der Versuchung Jesu erzählt, damit wir lernen und verstehen, in unserem Fragen und Suchen, in unseren Kämpfen und Zweifeln seinen Weg zu gehen.
„Was ist der Mensch?"
Jesus stellt diese Frage mit seinem ganzen Leben.
Wir glauben, dass sie nicht ohne Antwort geblieben ist:
Das Geschöpf ist der Mensch, das sich hingeben kann und das darin ist „wie Gott". Wer sich selbst loslässt und verliert, der findet, oder besser: der wird gefunden, von Gott, der Antwort auf die Frage, die wir uns selber sind.
Amen