15. Sonntag im Jahreskreis - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 3. Sep. 2017
Von:
Pfr. Schäfer

22. Sonntag im Jahreskreis - Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

im Nachhinein mag es auch Petrus manchmal so vorgekommen sein, wie vor Zeiten dem Propheten Jeremia: als sei er geradezu verführt worden. Betört von der Ausstrahlung dieses Wanderpredigers aus Nazareth, seiner Person und dem unerhört neuen Klang dessen, was er zu sagen hat.
Es hat ihn gepackt. Ihn und die anderen, die alles zurückgelassen haben, um ihm nachzufolgen.
Und manchmal ist ihm, wenn er unterwegs mit ihnen redet und ihnen den Sinn der Schrift erschließt, als brenne in seinem Herzen ein Feuer.

„Wer bin ich für euch?", fragt der Meister seine Jünger. Da bricht es aus Petrus heraus. Was ihn bewegt und umtreibt, seit Jesus ihn in seinen Bannkreis gezogen hat, wird für einen Moment blitzartiger Gewissheit zum Bekenntnis:
„Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!"

Vom Messiasbekenntnis des Petrus handelt Matthäus unmittelbar vor den Versen, die uns heute als Evangelium vorgetragen werden.
Petrus bekennt sich zu seinem Herrn und Meister als dem Weg, den Gott selbst mitten unter den Menschen geht und denen, die ihm nachfolgen bahnt.
Er wird schon gespürt haben, dass das nicht schlechthin ein Königsweg ist, gesäumt von Zuspruch und Jubel. Er weiß ja um die Widerstände, die Jesu Botschaft auslöst und wie die Mächtigen und die Selbstgerechten ihn zu hassen beginnen, weil er die Ordnung ihrer Welt aus den Fugen hebt, indem er Gott für die Kleinen, die Ausgestoßenen und die Sünder in Anspruch nimmt.
Aber er verdrängt und will es nicht wahrhaben, wohin dieser Weg schließlich führen wird:
in eine letzte Gemeinschaft mit den Verlierern, in die Solidarität mit den um ihr Recht und ihre Würde Gebrachten, in das Mitleiden und das Teilen der Angst und der Ohnmacht aller vor dem Tod.

„Wer bin ich für euch?", hatte Jesus die Jünger gefragt. Und rückt nun die Antwort des Petrus ins richtige Licht: Wer Jesus ist, zeigt sich am Kreuz. Er ist der, der bis zum Letzten, bis in die Hingabe des eigenen Lebens, für die anderen da ist, im Namen seines Vaters im Himmel.
In seiner Auferweckung wird dieser Gott sich zu ihm und seinem Weg bekennen. Und so ist er „der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes": In den ausgebreiteten Armen des Gekreuzigten offenbart sich Gott als der Gott Jesu Christi, als der Gott mit und für uns Menschen. Endgültig und ein für alle Mal als Liebe, die alle an sich ziehen will.

Von dieser Liebe, die so viel größer ist als sein ängstliches Herz, ist Petrus, ohne zu wissen, wie ihm geschieht, ohne dass er die Konsequenzen ausdenken könnte und obwohl er dieses Mal und immer wieder vor ihnen zurückschrecken und manchmal versagen wird, längst schon ergriffen. Sie wird dieses Herz, das in Furcht, sich zu verlieren, um sich selbst kreist, wie jedes Herz des in sich selbst verkrümmten Menschen, weiten und öffnen. Sie wird auch Petrus über sich selbst und seine Möglichkeiten weit hinausführen, ihn mutiger werden lassen und freier.

Darin ist er, dieser Petrus, (auch wenn wir selbst vielleicht zögern, unseren Glaubensweg als Liebesgeschichte von Betörten zu deuten) unser Bruder auf dem Weg der Nachfolge. Und ein Zeuge des Glaubens, der uns Hoffnung machen kann für unseren eigenen Weg:

Im Gekreuzigten den Auferstandenen zu erkennen und ihn als den Messias, den Sohn des lebendigen Gottes zu bekennen, bleibt die große Herausforderung unseres christlichen Glaubens. Sich ihr mit dem eigenen Leben zu stellen, eröffnet den Weg in eine ungeahnte Freiheit:
Die Freiheit, das Leiden anzunehmen, weil es in die Gemeinschaft des Mitleidens führen kann,
die Freiheit, die Partei der Rechtlosen zu ergreifen und nicht immer nur die eigenen Interessen zu vertreten,
die Freiheit, den Teufelskreis aufzusprengen, in dem sich alles in Angst um uns selbst immer nur um die eigene Achse dreht,
die Freiheit sein Kreuz auf sich zu nehmen und den Weg der Hingabe zu wagen, auf dem der das Leben findet, der sich verschenkt,
die Freiheit, selbst Liebende zu werden.

„Geh mir aus dem Weg! Hinter mich!", herrscht, sinngemäß, Jesus ihn an, als Petrus sich vor ihm aufbaut und sich ihm in den Weg stellen will.
In dieser Spur wird er bleiben. Hinter Jesus her. In seiner Nachfolge.
Es ist die Spur, die auch uns gelegt ist. Und in der wir, mühsam genug, lernen sollen, das „im Sinn zu haben, was Gott will", in der wir uns „wandeln" und unser „Denken erneuern", wie Paulus es verlangt, damit wir in den Herausforderungen, in die wir in dieser Welt gestellt sind, immer wieder „prüfen und erkennen, was der Wille Gottes ist."

Amen