29. Sonntag Lesejahr A - Pfr. Schäfer

Datum:
So. 19. Okt. 2014
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

29. Sonntag Lesejahr A - Pfr. Schäfer

 

Liebe Schwestern und Brüder,

wie der Glaube im Leben geht, was es denn konkret bedeutet, „Gott und den Nächsten zu lieben, wie sich selbst", zeigt sich nicht am Sonntag im Gottesdienst, sondern eher unter der Woche, in der Familie und am Arbeitsplatz, im Alltag unseres Lebens, in der Welt.
Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass unser heutiges Evangelium um eine weltliche und recht profane Frage zu kreisen scheint:

„Was meinst du? Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen oder nicht?"

Die eigentlich verfeindeten Pharisäer und Herodianer haben sich zusammen getan, um mit List und Tücke Jesus eine Falle zu stellen. Wenn er sich auf ihre Frage einlässt, das ist ihre Erwartung, wird er sich um Kopf und Kragen reden.

Der Hintergrund ist folgender:
Mit der großen Volkszählung des Jahres 7 n.Chr. war in Judäa und Samarien die Kopfsteuer für den römischen Kaiser eingeführt worden. Für die orthodoxen Frommen in Israel war eine solche Steuer an den Kaiser, der sich ja als Gott verehren ließ, ein Greul. Nichts anderes als ein abscheulicher Götzendienst, der dem Grundbekenntnis Israels zutiefst widersprach: „Ich bin der Herr und sonst keiner. Außer mir gibt es keinen Gott."

Deshalb legt die Alternative, vor die Jesus gestellt wird, Schlingen, in denen er -so die Erwartung der Fragesteller - sich einfach verfangen muss:
Entweder predigt er Steuerverweigerung und damit den politischen Aufruhr oder er tritt für Steuerzahlung ein und damit für den Götzendienst.

Jesu Antwort aber verblüfft Gegner wie Freunde:
Er weicht der Falle aus, nicht aber dem Problem, das ihm gestellt ist.
Er entgeht der Fangfrage. Aber er stellt sich der wirklichen Frage, die in ihr verborgen ist.

Die ließe sich vielleicht so formulieren:
Wie kann man in einer Welt, die anderen Herren unterworfen scheint, so leben, dass man Gott treu bleibt?
Gibt es einen Weg zwischen Anpassung und Widerstand, wenn die Verhältnisse, denen man unterworfen ist, nicht einfach den Willen Gottes spiegeln, sondern ihm oft geradezu zuwiderlaufen?

„Zeigt mir die Münze!"
Die Steuermünze, ein römischer Denar, zeigte auf ihrer Vorderseite das Brustbild des römischen Kaisers Tiberius, geschmückt mit dem Lorbeerkranz als Zeichen seiner göttlichen Würde. Die Inschrift lautete: „Tiberius, Caesar, des göttlichen Augustus Sohn".
„Wessen Bild und Aufschrift ist das?"
„. . . des Kaisers."
„So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört!"

Das Volk Gottes und jedes seiner Glieder lebt in der Welt. Das fordert seinen Tribut. Damals wie heute.
Wir sind heute anderen Herrschaften unterworfen als dem Kaiser Tiberius. Meist sind es anonyme Mächte: die Gesetze des Marktes, des Konsums und der Leistung, das Diktat der öffentlichen Meinung.
Aber auch in ihnen liegt eine Tendenz, dass sie absolut gesetzt und zu Götzen werden, und dass wir unter ihrem Einfluss in die Entfremdung geraten von uns selbst und von dem, was wir als Gottes Willen begreifen.
Der erste Teil der Antwort Jesu schneidet den Ausweg ab, auszusteigen aus dieser Welt mit all den Abhängigkeiten und Widersprüchen, in die sie uns verwickelt und von einem idealen Zustand zu träumen, den es nicht gibt:
„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört!"

Es bleibt dabei: wir leben in der Welt und haben uns in ihr zu bewähren. Auch wenn uns das immer wieder fortzuführen scheint von dem, wie wir eigentlich leben wollen.
Aber:
„Gebt Gott, was Gott gehört!"

Die eigentliche Herausforderung für das Glaubenszeugnis liegt nicht darin, sich zu verweigern und auszusteigen. Sie besteht im Gehorsam gegen Gottes Willen in dieser Welt in ihrer Unübersichtlichkeit, in ihren Widersprüchen, in ihrer Gottferne. Sie besteht darin, an die Probleme und Situationen, in die wir gestellt werden, mit der Frage zu gehen, was jetzt wohl Gottes Wille sei.
Auch wenn wir vielleicht oft keine eindeutige Antwort finden, oder uns irren und scheitern, ist das der Weg, diese Welt in der wir Leben, den Alltag und unsere Beziehungen zu öffnen für Gottes Herrschaft, für seinen Anspruch an unser Leben.
Für Gott, dem alles gehört.
Auch noch unsere Irrtümer und unser Scheitern.

„Seht ihr die Steuermünze", hatte Jesus gefragt, „auf wen ist sie geprägt?"
„Und nun: seht auf euch selbst! Wessen Bild und Aufschrift tragt denn ihr? Auf wen seid ihr geprägt?

Wir sind als Gottes Ebenbild geschaffen und so dieser Welt und diesem Leben anvertraut.

Gott zu geben, was Gott gehört, mag heute für uns bedeuten:
Für diese Würde des Menschen einzutreten, sie zu achten und zu verteidigen;
den Schwachen und Zukurzgekommenen uns zuzuwenden, die den Götzen der Leistung und des Konsums zum Opfer fallen;
zu widersprechen, wenn, wie wir es von Facebook und Apple in dieser Woche erfahren haben, Menschen im Namen eines vermeintlichen Fortschritts zu Arbeitsbienen konditioniert werden sollen.

In allem und zutiefst bedeutet es aber mitten in diesem Leben mit all seinen Zwängen, in die Freiheit hineinzuwachsen, die der Glaube eröffnet, der uns doch sagt:

Wir gehören keiner Macht dieser Welt, sondern Gott allein.
Ihm zu geben, was ihm gehört, uns selbst, und im Vertrauen uns ihm zu überlassen, führt in die Unabhängigkeit : da ist keine Macht, kein „Kaiser", die einen absoluten Anspruch auf uns hätten, und in die Freiheit, dem andern selbstlos zu dienen.

Wie Glaube im Leben geht, ein Glaube , der nicht aussteigt, und sich dennoch nicht korrumpieren lässt, sondern diese Welt auf Gott hin öffnet, hat Martin Luther prägnant und paradox zugleich auf diese Formel gebracht:
„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Er ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan."

In diese Freiheit hineinzuwachsen, sind wir eingeladen. Aus ihr Zeugnis zu geben für Gottes Herrschaft in dieser Welt ist unsere Berufung

Amen