6. Sonntag der Osterzeit - Pfr. Schäfer  (Gottesdienst mit Segnung einer „neuen" Hausmadonna)

Datum:
So. 1. Mai 2016
Von:
Pfr. Schäfer

6. Sonntag der Osterzeit - Pfr. Schäfer 

(Gottesdienst mit Segnung einer „neuen" Hausmadonna)

Liebe Schwestern und Brüder,

wer beim Gang durch die Stadt ganz von seinem Handy absorbiert ist, wird sie nicht entdecken. Man muss sich selbst und den Blick schon aufrichten, um ihnen zu begegnen:
den Marienfiguren, die in Mainz noch immer viele Häuser schmücken. Als Mutter mit dem Jesusknaben oder als Himmelskönigin mit Krone und Zepter blickt Maria unter einem Baldachin oder aus einer Wandnische auf das Treiben in den Altstadtstraßen. Manchmal schützt eine breite Mondsichel ihren Fuß vor dem Schritt in die Tiefe oder scheint sie wie ein Schiff zu tragen. Oder sie schwebt als Immaculata, aller Erdenschwere schon enthoben, auf der Weltkugel über den Köpfen der Vorübergehenden (vgl.: Annette Wöhrlin, Mainzer Hausmadonnen).

In diesen Bildern wölbt sich der Himmel Gottes den Menschen, die da in den Straßen von Mainz unterwegs sind, entgegen wie der Regenbogen, den Charles Marc für den Westchor der Stephanskirche gestaltet hat. Und auch wer der Botschaft des christlichen Glaubens ganz fremd gegenübersteht und mit der Verehrung Mariens schon gar nichts mehr anfangen kann, versteht immerhin, welche Aussage die Volksfrömmigkeit früherer Zeiten da getroffen hat:
„Gott ist nicht fern", verkünden die Hausmadonnen von Mainz. In seiner Menschwerdung, der Geburt aus der Gottesmutter Maria, ist er unwiderruflich an unsere Seite getreten.
Der Glaube, der sich auf diese Weise öffentlich ausgedrückt hat in den Straßen und Gassen, sucht Gott nicht in einem Himmel jenseits der Welt , in der wir leben, unberührt und unberührbar vom Treiben auf der Erde. Er sucht ihn in der Nähe: als den auf den Weges des Lebens, im Gang des Alltags, in Freude und Hoffnung, Bedrängnis und Angst Begegnenden, als einen mitgehenden, mittragenden, mitleidenden Gott.

Aus allen Winkeln, Ecken und Erkern der Altstadt kommt dem, der den Blick ein wenig hebt, diese Botschaft entgegen.
Wer sich ihr im Glauben zu öffnen vermag, den richtet sie auch innerlich auf, dem begegnet sie als Hoffnung und Trost und indem sie einen Grund des Vertrauens legt, auch in Sorgen und Bedrängnissen getragen und gehalten zu sein.

Fast 200 Hausmadonnen hat man vor der Zerstörung durch den Krieg gezählt. Mehr, so hat der Volksmund damals gespottet, als es Kneipen in Mainz gegeben hat.
Nun kommt wieder eine neue Figur hinzu:
Die „Mutter Gottes mit dem Jesuskind", die wir vorübergehend in St. Stephan beherbergen,, Nachbildung einer Statue Tilmann Riemenschneiders, gestiftet von Familie Götzky aus unserer Gemeinde, wird in den Tagen vor Pfingsten am Haus Ecke Große Weissgasse/Gaustraße ihren endgültigen Platz finden. Dann wird sie dort den Passanten und den Besuchern des Restaurants „Am Gautor" ihren Sohn entgegenhalten.

In ihm, so sagt der Glaube, hat das ewige Wort der Liebe Gottes Fleisch angenommen, um unter uns zu wohnen.
Und indem Maria uns dieses Kind, ihren Sohn, entgegenhält und ihn uns zeigt, stellt sie zugleich eine Frage:
Ob wir, mit ihr, zu denen gehören, die ihn aufnehmen und ihm Raum geben in unserem Leben, im Alltag von Beruf und Familie, im Zusammenleben in der kleinen Lebenswelt unseres Viertels und unserer Stadt und in den großen Themen, die unsere Gesellschaft bewegen und in denen dieses Wort Gottes, wie es sich niederschlägt in den Evangelien, zu Gehör gebracht werden muss.
Wenn wir diese Frage Marias aber mit dem Ja unseres Glaubens zu beantworten suchen und ihn aufnehmen wollen, dann wird die Antwort konkret, sie wird uns etwas kosten und uns in manchen Konflikt hineinführen. Nicht weit ist der Weg dann vom Gautor auf die Zitadelle, zum Gebäude der Pfarrer Landvogt Hilfe oder zu den Wohncontainern, die die Stadt dort aufgestellt hat, wo er, wenn wir ihn suchen, als Obdachloser oder als Flüchtling anzutreffen wäre, der menschgewordenen Gott in unseren Brüdern und Schwestern am Rand.

Denen, die ihn aufnehmen, so heißt es im Prolog des Johannesevangeliums, gibt er die Macht „Kinder Gottes zu werden", Zeugen des Lichtes, die, indem sie versuchen, Christus für die andern zu leben, ihn heute gleichsam immer wieder „zur Welt bringen" und die so dafür einstehen, dass diese Welt eben doch kein gottloser Ort ist unter einem fernen Himmel, sondern dass dieser Himmel uns schon entgegenkommt, aufbricht und anbricht, wo Menschen, wie Maria es getan hat, sich dem Anspruch des Wortes Gottes stellen.

Wer auf sein Handy Display fixiert bleibt, wird es nicht sehen.
Wer von sich selbst wegblickt und aufschaut, kann es entdecken:
Der Himmel wölbt sich schon über unser Leben.
Er bricht auf, wo Menschen füreinander einstehen.
Dann fällt ein Licht in unsere Welt. Spiegel und Abglanz der Herrlichkeit Gottes.

Die Mainzer Hausmadonnen verkünden auf ihre Weise diese Botschaft des Glaubens und unserer Hoffnung:
Sie zeigen Maria als unsere Schwester, als Gefährtin auf dem Weg in Glaube, Hoffnung und Liebe Gottes Wort in dieser Welt Raum zu geben und es Gestalt werden zu lassen.
Sie zeigen sie zugleich als ein Zeichen der Hoffnung auf diesem Weg:
dass wir mit unserem Einsatz nicht ins Leere laufen, sondern der Vollendung entgegengehen und das, was jetzt, manchmal sogar unter dem Anschein der Vergeblichkeit und des Scheiterns, noch verborgen anwesend und wirksam ist, einmal offenbar werden wird in der neuen Stadt, dem himmlischen Jerusalem, wenn alle in Gott endgültig geborgen sind und seine Herrlichkeit alles erleuchtet.