8. Sonntag Lesejahr C Fastnachtspredigt - Pfr. Stefan Schäfer

Ev. : LK 6, 39-45

Datum:
So. 3. März 2019
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Es könnte sein, gelegentlich,
hat es vielleicht ja sogar mich
-ansonsten, wie die meisten wissen,
ein Ausbund an Geduld und Güte
und von verträglichem Gemüte-
ganz unversehens hingerissen,
den, der mir auf die Nerven geht
und störend in der Landschaft steht,
schlechterdings 'nen Depp zu nennen.
Ich hab´s ihm an den Kopf geschmissen.
Das muss ich, fürchte ich, bekennen.

Was, wie ich grade lesen musste
und theoretisch auch schon wusste,
nicht ganz im Sinne Jesu war:
Der lässt am liebsten Gnade walten
und fordert, sich zurückzuhalten.
Und als sein Jünger, ist doch klar,
ist mir, dem Meister nachzustreben,
ein tiefes inneres Verlangen.
Ich beeil´mich auch, gleich anzufangen:
Statt mit Kritik mich zu erheben,
sag ich von jetzt an frohen Mutes
über andre nur noch Gutes!

Hab ich –es wär´mir zuzutrau´n-
Trump als orang´nen Gruselclown
zu bezeichnen mich erfrecht,
vor Jahr und Tag: das war nicht recht!

Zumal - das weiß doch jedes Kind-
Clowns nicht orangenfarben sind.

Man muss, ich hab´s ja eingeseh´n,
schon auch das Positive seh´n:

Obwohl er doch, ich sag´s mal platt,
gewiss den sehr viel Größ´ren hat
-was er auf Twitter selbst bestätigt-
ward, wenn´s ihn auch im Finger juckte,
als Kim Jong große Töne spuckte,
der rote Knopf doch nicht betätigt.

Der Erdball dreht sich weiterhin.
Wofür ich schon mal dankbar bin.

Und überhaupt: Ich find´s nicht gut,
wie man dem Manne Unrecht tut!
Keiner kann´s im Ernst bestreiten:
Vom längsten „Shut Down" aller Zeiten
sollten kommende Geschlechter
staunend erzählen und erschauern,
indes: was erntet er? Gelächter!
Und dazu höhnisches Bedauern!

Die Kurie, es ist gemein,
kriegt sich vor Lachen nicht mehr ein:
„Die paar Wochen Stagnation!
Jetzt mal im Ernst: Was ist das schon?"
Man kann sich förmlich kaum noch halten.
Der Status Quo wär´zu verwalten,
doch, um die Tränen abzuwischen,
hört man kurz auf Beton zu mischen
und hat am Ende noch 'nen Rat
für diesen Anfänger parat:

„Sei nicht so ein Choleriker,
sieh lieber auf uns Kleriker.
Und lerne, wie man richtig mauert,
damit der Stillstand ewig dauert.

Noch lange hört man das Gekicher.
Und wieder zeigt sich, eins ist sicher:
Große Menschen haben leider
in der Regel viele Neider!

Kein Wunder, dass der Mann frustriert,
lieber fernsieht als regiert.

Um seine Trübsal zu vertreiben,
könnten wir 'nen Trostbrief schreiben:

„Verehrter Präsident,
lest, oder lasst es bleiben.
Weil von der Welt Ihr nicht viel kennt
und, wie es immer wieder heißt,
man sich ja bildet, wenn man reist,
laden wir Euch herzlich ein:
Groß sind die Staaten, mag schon sein,
doch gibt´s da eine Stadt am Rhein,
die hat, that´s true, nicht zu bestreiten,
von vornherein 5 Jahreszeiten!
Dann wächst die Fleischwurst hier auf Bäumen
-No fake! Wir können das beweisen!-
und un're Altstadtgassen säumen
nur schöne Frau'n, die Magitt heißen!

Noch mehr staunt Ihr, wenn Ihr erst seht,
wie hier bei uns der Zug abgeht:
Man sieht dann Cowboys und Indianer,
gelegentlich auch Mexikaner,
gut gelaunt und ausgelassen,
die sich, wie sonderbar, zudem
auch noch ganz wunderbar versteh'n,
it´s really great, in Menschenmassen.
So was habt Ihr noch nicht geseh'n!
Und Ihr, first, Ihr dürft ganz vorne geh´n:
Vor Frau Babbisch und dem andern Zores
als größter Schwellkopp und Matschores!
Ihr müsstet, was soll'n wir noch sagen,
dafür nicht mal 'ne Maske tragen!

Für Euch ist uns hier nichts zu viel.
Was denkt Ihr? Das ist doch ein Deal!

In echter Freundschaft, tief verbunden,
die wir hier aufrichtig bekunden,
grüßt Sie und Ihre werte Frau
die Zugleitung vom MCV."

Was sich an Fastnacht offenbart,
nennt man die Mainzer Lebensart,
die, um es einmal kurz zu fassen,
im Leben und im Lebenlassen
sich ganz selbstverständlich zeigt.
Man ist dem Spott nicht abgeneigt.
Doch dass ein Witz so ätzend disst,
dass es vielleicht verletzend ist,
wenn man auf Kosten Andrer lacht,
das möchte man auf keinen Fall.

Wobei auch hier, wie überall,
die Ausnahme die Regel macht:

Ich würd´zum Beispiel mich bei Nacht
'ne Zeitlang in den Altstadtgassen
nur gut verkleidet blicken lassen,
maskiert vielleicht als Mann von Ehre,
wenn ich Christopher Sitte wäre.

Ansonsten ist man hier entspannt,
mag´s „vierfarbbunt", ist tolerant
und nimmt das Meiste mit Humor,
was darin liegt, so kommt´s mir vor,
das ringsrum -anders als in Sachsen-
hier nur die besten Reben wachsen.
Weil Wein, der erst im Glase leuchtet,
sodann die Kehle zart befeuchtet,
zunächst mal das Gemüt erheitert
und dann den Horizont erweitert.

Kehrt man in einer Weinstubb ein,
bleibt man zumeist nicht lang allein.
Der Fremde wird herbeigewunke´,
auf dass auch er die Bretzel tunke
in den Spundekäs am Tisch,
an dem man schnell zusammenrückt.
Und dann unterhält man sich
in einer Sprache, die entzückt:

„Babbelnd" Mainzer sich verbreiten,
was wohl von „Babel" herzuleiten,
wo, weil die Menschen sich verirrten,
einst alle Sprachen sich verwirrten
und Völker auseinanderstoben.
Im „Gebabbel" ist das aufgehoben:
Man weiß nicht immer, worum's geht,
spürt aber, dass man sich versteht.

Und wenn die Unterhaltung stockt,
vielleicht weil da ein Hesse hockt,
wird Riesling an den Tisch gebracht,
weil sauer schließlich lustig macht.

Wenn etwas seinen Zorn erregt,
will auch der Mainzer sich ereifern,
doch sind ihm Grenzen auferlegt:
in dem Idiom, das man hier spricht,
kann man schlechthin nicht giftig geifern.

Alltäglich grüßt man sich: „Ei Gude!"
Steigt die Erregungsamplitude,
schimpft ein geübter Griwwelbisser
den Dabbes, der sich wie ein Trampel
gebärdet, einen Hannebambel
und echauffiert sich weiter, bis er
dem Strunzer da, dem bleede Wicht
nichts and'res wünscht als Gaasegicht.

Sagt selbst: vernichtend klingt das nicht!

Im Internet und seinen Foren
wird Nacht für Nacht ein Mob geboren,
der längst auch auf den Straßen hetzt.
Hier menschelt 's, selbst wenn man sich fetzt.

Am Ende war´s nicht so gemeint.
Man sieht im Gegner nicht den Feind.
Und lässt dann anderntags sich wieder
mit dem Dollbohrer am Stammtisch nieder.

Sollen gute Früchte sprießen,
muss man eben eifrig gießen.

Auch ich nipp an 'nem Gläschen Wein.
Prompt fallen mir noch Verse ein.
Ich spür sogleich und mit Entzücken:
Die muss ich nur noch für Euch pflücken!

Weil die Eisberge ja tauen
könnte man selbst die Titanic
dem Silbereisen anvertrauen.
Auch sonst besteht kein Grund zur Panik.
Wenn demnächst auch der „May Day" droht,
kann man noch Pilcher Filme schauen
England wird darin fortbesteh'n.
Und selbst das Dieselfahrverbot
lässt sich ganz wunderbar umgeh'n:
Man muss nur, Not kennt kein Gebot,
in Wiesbáden seine Runden dreh'n

Hoffnung macht auch die Wissenschaft.
Die hat nämlich festgestellt,
dass die Natur aus eigner Kraft
sich durch Mutation erhält:

„Was kümmert mich die Bienenwabe
Und wer die Blüten jetzt bestäubt.
Seitdem im Kopf ich Honig habe,
mag doch, vom Glyphosat betäubt,
das Reich der Maya untergeh'n.
Ich kann da kein Problem drin seh'n",
verkündet mancher Optimist.

Auch hier in Mainz ist, wie Ihr wisst,
ein Wunder der Natur gescheh'n:
Weil sich das Alphaweibchen sträubt,
muss neuerdings ein Haase jagen.
Um dort am Amtssessel zu nagen,
soll er sich in den Fuchsbau wagen.

Auch wenn Ihr mir hier widersprecht:
Mit scheint das nicht ganz artgerecht!

Joachim Löw, da war noch was,
sprach frohgemut: „Wir schaffen das!"
Was dann kam, hab ich glatt verdrängt.
Es war auch wirklich zum Vergessen.
Derweil ist Ribéry gekränkt.
Er hat ein Schnitzel aufgegessen,
das ganz und gar mit Gold paniert
und sich dabei fotografiert,
Was man nicht überall goutiert.

Ich denk´ mir: „Er hat Recht, der Mann!
Wenn er es sich doch leisten kann . . ."
Ferrero Rocher ess´ich fortan
auch immer nur mit Schale dran.

So sind die großen Sportler halt,
Vorbilder für Jung und Alt.

Wirklich sportlich ist man dann,
wenn man es ordentlich vergeigt
und dennoch gut verlieren kann,
wie gleich das nächste Beispiel zeigt:

Wenn die Bundeswehrmaschinen
mit der Kanzlerin an Bord
wieder mal nicht pünktlich starten
und anderswo die Großen warten,
spricht Friedrich Merz: Ein Mann ein Wort!
Ich bin bereit, dem Land zu dienen
und hätte grad auch wieder Zeit
und weil, verehrte Kanzlerin,
ich Ihnen treu ergeben bin,
steht mein Privatjet flugbereit.
Weil ohne Euch nun mal nichts geht."

Frau Merkel dankt. Dann fragt sie heiter,
während sich der Propeller dreht:
„Wer von Euch Jungs macht Flugbegleiter?"

Da bin ich unversehens schon
beim nächsten Thema: das Hormon
der Männlichkeit, Testosteron,
war, denkt man weit genug zurück
einst Treibstoff in der Politik.

Schäuble und –die gibt es auch noch-
Öttinger und Roland Koch
sorgen sich um die Union,
wo Frauen Männer unterdrücken.
Doch als sie grad sie Dolche zücken,
begehrt ein andrer Silberrücken
Aufnahme im Pakt der Männer:
Gerd Schröder, sonst ein Frauenkenner,
bietet sich als Genosse an
und fordert: „Bier! Doch bloß kein schales!
Dann meucheln wir auch noch die Nahles!"

Wer sich zurückhält, ist Jens Spahn.
Der denkt sich: „Warte, irgendwann,
komme ich schon auch noch dran
-es ist noch wirklich alles drin-
dann werd´ich doch noch Kanzlerin."

Bis dahin ist es freilich weit.
Und in der langen Zwischenzeit
trägt der besorgte Bürger Trauer:
„Merkel muss weg!" schien doch auf Dauer
im wahrsten Sinn ein Gassenhauer.
Den konnte man gut beim Flanieren
durch Dresden voller Wut skandieren.
Doch: „Annegret Kramp-Karrenbauer?"

Man rollt die Transparente ein
und schmollt im Heimatschutzverein.
Wieder zeigt sich, die „da oben"
sind arrogant und abgehoben,
empört Lutz Bachmann sich als Sprecher:
„Man ignoriert den kleinen Mann,
der einen solchen Zungenbrecher
sich nun mal nicht merken kann."

Und damit schließt sich jetzt ein Bogen:
War in die Welt hinausgezogen,
um dies und jenen aufzuspießen,
wie immer: völlig ausgewogen.
Den Vortrag endlich abzuschließen,
kehre ich zurück nach Mainz,
wo zwar der Strom bedächtig fließt,
doch links des Rheins wie rechts des Rheins,
man sich dem Neuen nicht verschließt:

„AKK", könnt man hier schwören,
würd immer schon dazugehören!

Ein Narr, der seine Späße treibt
und hofft, dass man ihm applaudiert,
weiß, wenn er seine Verse schreibt,
dass er darin erkennbar wird:
Mit der eigenen Hoffnung, auch wenn sie manchmal nur glimmt,
mit dem, was bedrückt und den Atem ihm nimmt.
Mit den eigenen Schwächen, seinem zu kleinen Mut
und auch mit dem Zorn und mit seiner Wut.

Vor den Heuchlern hat der Herr einst die Menschen gewarnt,
die sich selbst über der anderen Leben
als selbstgefällige Richter erheben,
um sie dann, als deren Führer getarnt,
weil sie den Balken im eigenen Auge nicht spüren,
geradewegs in jene Grube zu führen,
vor der die katholische Kirche heut steht
und aus der sie eiskalt das Misstrau´n anweht.

Zu lange wurde vertuscht und gelogen,
um den Schein zu wahren, die Wahrheit verbogen,
von solchen, die hehre Prinzipien zwar lehren,
sich selbst aber einen Dreck darum scheren.

Jüngst sah man in Rom die Bischöfe tagen:
Franziskus, ich glaub´s ihm, wollte den Neuanfang wagen.
Doch es gibt noch zu viele, die ihre Mitra so tragen
Als wär´s ein Brett vor dem Kopf und schlimmeren Falls,
ihr Bischofskreuz als einen Mühlstein am Hals.
Ernüchtert muss man nach der Synode beklagen:
Man ist -und das ist zynisch gemeint und kein bisschen heiter-
im Blick auf den Abgrund einen guten Schritt weiter.

Keiner nimmt den Clown für voll.
Man meint noch, dass man lachen soll,
wenn er in die Mange rennt
und ausruft, dass der Zirkus brennt.

Für das, was ich noch zu sagen hab,
nehm´ ich jetzt mal die Maske ab:

Unter bleiernem Himmel verkümmert der Baum
des Glaubens. Er braucht einen Raum
der Wahrhaftigkeit und Weite, weil er sonst nicht gedeiht.
Und zur Freude und Hoffnung der Großen und Kleinen
muss Gerechtigkeit ihn wie die Sonne bescheinen.

Mancher Bischof wäre wohl zu Reformen bereit.
Wir machen ihm Mut: Es ist höchste Zeit!
Denen aber, die immer noch meinen,
das sei nur 'ne Kampagne, von Medien erdacht,
die mit Dogmen hantieren wie andre mit Steinen
und die Notwendigkeit einer Umkehr verneinen,
sei
-vielleicht ja auch in eurem Namen-
noch eine Botschaft vom Narr´n überbracht:

„Eminenz, Eure Urteilskraft scheint uns ziemlich vermindert.
Ist Fürstin Gloria demnächst terminlich verhindert,
so leid es uns tut, Gerhard Ludwig, dann müssen
Sie Ihren Ring gefälligst halt selberster küssen!
Vielleicht ist auch da der Zeitgeist dran schuld:
Auch das katholischste Schaf hat nicht mehr ewig Geduld."

Es ist wirklich schon spät. Die Predigt war lang.
Und vielleicht gegen Ende recht offen und ehrlich.
Allein ihre Länge schien mir als Redner gefährlich
-erst nach Fastnacht herrscht wieder Maskenzwang-
doch davor, Euch zu langweilen, davor war mir echt bang.

Für heute verneigt sich in Demut der Clown,
um nächstes Jahr nach den Früchten der Umkehr zu schau´n.