Aschermittwoch - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
Mi. 1. Apr. 2015
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Aschermittwoch - Pfr. Stefan Schäfer

Text: Joh 8,1-11

Liebe Schwestern und Brüder,

zwei Mal wird das im heutigen Evangelium erzählt: dass Jesus sich bückt und mit dem Finger auf die Erde schreibt.

Das erste Mal als sie kommen, die Schriftgelehrten und Pharisäer und die beim Ehebruch ertappte Frau vor ihn hin zerren, die strengen Gesetzeshüter mit ihren Überzeugungen und Urteilen, die so felsenfest gefügt sind, dass sie alleine schon genügen würden einen Menschen zu erschlagen. „Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde."

Und dann noch einmal, als er ihnen seine Antwort gegeben hat, die ihnen die Sprache verschlägt und sie zum Verstummen bringt: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe als erster einen Stein auf sie." Er bückt sich und schreibt mit dem Finger auf die Erde, während sie gehen, einer nach dem anderen, so lange bis die tödliche Umzingelung sich gelöst hat und er, alleine mit der Frau, unter einem wieder weit gewordenen Himmel, sich aufrichtet und sie dem Leben zurückgibt: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr."

Zwei Mal schreibt Jesus in den Staub der Erde.

Und möglicherweise haben damals die Gesetzeslehrer die Anspielung, die in dieser Geste liegt, auch sofort verstanden. Sie kannten sich ja aus in der Heiligen Schrift (besser als wir uns auskennen) und wussten wohl, was beim Propheten Jeremia zu lesen steht:

„Alle, die dich, Herr, verlassen, werden zuschanden, die sich von dir abwenden, werden in den Staub geschrieben" (Jer 17,13).

Möglicherweise, wie gesagt, haben jene Schriftgelehrten und Pharisäer das Schriftwort erkannt, auf das Jesus anspielt. Verstanden haben sie die Anspielung dennoch nicht. Verstanden hat man erst, wenn man sich von diesem Wort selbst angesprochen und getroffen weiß:

Wo wäre denn ein Mensch, auch nur einer,  der so lauter wäre, sich selbst in seinen verborgenen Motiven so transparent, dass er von sich sagen könnte: Ich weiß mich in Gedanken, Worten und Werken auf den Wegen Gottes? Ich bin vor ihm gerecht und verlasse ihn nicht? Wer könnte das von sich behaupten und dabei ehrlich bleiben? Keiner!

Alle stehen wir unter Gottes Gericht, vor dem alle, ohne Ausnahme, Sünder sind.

Müsste er nicht alle in den Staub schreiben?

Als sie nicht ablassen, hartnäckig in ihrer Selbstgerechtigkeit, sagt Jesus ihnen diese Wahrheit über den Menschen auf den Kopf zu: „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe als erster einen Stein auf sie."

Denn auch das gilt doch:  Welcher Mensch hätte das Recht, einen anderen auf seine Schuld festzulegen, als gäbe es nicht auch noch darin ein verborgenes Streben nach Glück, eine wenn auch irregeleitete Suche nach dem Guten ?

Indem Jesus sich ein zweites Mal bückt und mit dem Finger auf die Erde schreibt, während sie alle gehen und er mit der Frau alleine zurückbleibt, gibt er - so scheint es mir - dem Wort des Propheten eine neue Deutung:

Ja, alle stehen wir unter dem Gericht Gottes. Vor Gott, der uns kennt, tiefer als wir uns selbst kennen: unser Versagen, aber auch unseren Willen zum Guten. Und der sich unserer Armut und Leere erbarmt. Wenn wir ihn auch verlassen, bleibt er doch treu. Mit dem Finger Gottes schreibt Jesus das Urteil in den Staub, der verweht: Gott bindet uns nicht an unsere Vergangenheit, legt uns nicht auf unsere Schuld und unser Versagen fest, sondern eröffnet immer wieder eine Zukunft:

„Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr!"

„Darin", so schreibt einmal Frère Roger Schutz, der Gründer der Gemeinschaft von Taizé, „liegt das ganze Evangelium: Durch sein Verzeihen versenkt Gott unsere Vergangenheit in Christi Herz und nimmt sich unserer Zukunft an."

Für mich wird das in jener Szene aus dem Johannesevangelium, dieser „Perle der Überlieferung", wie sie einmal genannt worden ist, immer wieder anschaubar. Hier begegnet das Erbarmen, die rückhaltlose Liebe Gottes, auf die wir unser Leben setzen dürfen, um selbst als Menschen des Vertrauens und der Versöhnung leben zu lernen.

Zu diesem Evangelium uns zu bekehren, sind wir am Beginn der Fastenzeit aufgerufen.

Amen