Fastnachtspredigt 2015 - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 15. Feb. 2015
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Fastnachtspredigt 2015 - Pfr. Stefan Schäfer


Ein Jegliches hat seine Zeit:
Die Tränen wie die Heiterkeit,
die Ängste, die uns nächtens plagen,
der Mut, es tags drauf doch zu wagen.

Der Zeit für das Fest, an dem wir uns freuen,
folgt mitunter der Kater und die Zeit zu bereuen.

Manchmal ist es dran zu streiten.
Dann kommen wieder andre Zeiten,
in denen man sich Hände reicht
und Zorn dann der Versöhnung weicht.

Eine Zeit um zu säen, eine Zeit um zu sammeln,
eine Zeit um zu schaffen, eine Zeit rumzugammeln,
eine Zeit zum Umarmen, Zeit des Glücks, kaum zu fassen
und eine Zeit für den Abschied, wenn es gilt loszulassen.

Das eine kommt, was andres geht,
weil sich das Rad des Lebens dreht.
So steht´s im Buche Kohelet:

Von dem, was wir auf Erden treiben,
ist nichts dazu bestimmt zu bleiben.
Und alles Menschenwerk verweht.

Es ist der Narr, der das versteht.

Er hält-mitunter unter Tränen-
denen, die sich so wichtig nehmen,
dass sie - eng in Herz und Hirn
und mit Brettern vor der Stirn-
alleine das nur gelten lassen,
was sie selbst grad so erfassen
-und viel ist das dann meistens nicht-
den Narrenspiegel vor´s Gesicht:

Magst du noch so wütend streiten,
um deine Wahrheit zu verbreiten,
die du ängstlich hegst und pflegst:
das Brett, das du vor allen Leuten
stolz vor deiner Stirne trägst,
mag dir zwar selbst die Welt bedeuten,
doch glaube mir: Du bist ein Tor!
Das kommt dir wirklich nur so vor!

Es dreht das Lebenskarussell
sich manchmal langsam, manchmal schnell
und ist von uns nie recht zu fassen.
Wer das erkennt, beweist Humor
und wird bescheiden und gelassen
leben und andre leben lassen.

Wahrheit ist das, wonach wir streben.
Und keinem ist es ganz gegeben,
die Wahrheit selbst, die wir Gott nennen,
von Grund auf vollständig zu kennen.
Man sollt´es tunlichst unterlassen,
ihm einen Rahmen zu verpassen.

Das Heilige in höh´ren Sphären,
ist deshalb bildlos zu verehren.
Das mag uns eine Fabel lehren:

Würden zum Beispiel die Giraffen
sich eigne Gottesbilder schaffen,
hätten diese jedenfalls
wahrscheinlich einen langen Hals.

Der Gott der Löwen hät `ne Mähne,
der der Hyäne spitze Zähne.

Man sieht: die Bilder sind stets nur
ein Spiegelbild der Kreatur
und letztendlich Karikatur.

Das Gottesbild der Fledermaus
sieht wahrscheinlich wie Batman aus.

Der Frosch erblickt sein Himmelreich
in einem wunderschönen Teich,
durch welchen keine Störche waten.
Der Klapperstorch hinwiederum,
das ist jetzt unschwer zu erraten,
hält diese Vorstellung für dumm
und sieht es genau andersrum.

Sei Feuerbach kennt man das schon
Und nennt es eine Projektion.

Und könnten, bleiben wir bei Tieren,
etwa Kühe konvertieren
würden sicher ganze Herden
ganz überwiegend Hindus werden.

Und Rindviecher, um´s mild zu sagen,
sind alle, die es nicht ertragen,
dass jeder Glaube, wie ihr wisst,
vor allem ein „Nicht Wissen" ist.

Jene fanatischen Gestalten,
die sich für unfehlbar halten.

Der Gott, den die in Anspruch nehmen,
von dem sie sich berufen wähnen,
ist, gleich in welcher Religion,
ein Götzenbild, das immer schon
ihr eignen Antlitz imitiert:
verkniffen, böse und borniert.

Des Menschen Hirn ist klein und endlich
und auch sein Herz oft arg verengt.
Deshalb ist es sehr verständlich,
wenn in allen Religionen
die wirklich Weisen stets betonen,
dass, auch wenn´s uns danach drängt,
zu Gott und zu den letzten Dingen
mit unsren Kräften vorzudringen,
wir es dabei nicht weit bringen,
weil das nun mal das Denken sprengt.

Wenn wir mit Bildern und Vergleichen,
das, was vornehmlich sich entzieht,
krampfhaft versuchen zu erreichen,
wird draus was, das uns ähnlich sieht.

Man sieht die Welt in Rätselbildern.
Ein solches Bild will ich jetzt schildern:

Ein Mann mit Bart schaut traurig drein.
Wer könnte da gezeichnet sein?
Er ziert ein illustriertes Blatt,
das plötzlich weltweit Freunde hat.
`Nen Turban trägt er auf dem Haupt.
Doch wer ihn zu erkennen glaubt
und sieht das Antlitz des Propheten,
was jedem Moslem, wie ihr wisst,
weil Mohammed sich das verbeten,
ein Greul und eine Schande ist,
in dieser Zeichnung dargestellt,
den belehrt der Mann im Bild:
Vor seine Brust hält er ein Schild,
auf das er mit dem Finger weist.
Drauf steht, dass er wohl „Charlie" heißt.

Weil - nicht nur in Afghanistan-
vielleicht nicht jeder lesen kann,
und mancher gern sein Mütchen kühlt,
weil er sich schnell beleidigt fühlt,
schau´n wir das Bild genauer an:

Oft ist, was man zu sehen meint,
nicht so eindeutig, wie es scheint:
Habt ihr gemerkt, dass der Mann weint?

Ein großer Schmerz hat über Nacht
ihn aus dem Gleichgewicht gebracht.
Nun beutelt diesen Armen
das Mitleid und Erbarmen.
Schaut ihm noch einmal ins Gesicht:
Rühren euch seine Tränen nicht?

So, wie ihr ihn da vor euch seht,
ist dieser Mann doch ein Prophet:
Dem, der guten Willens ist,
ob Jude, Moslem oder Christ,
zeigt er den Weg, um Gott zu finden:

Man muss mit denen sich verbinden,
die Leiden trifft. Mit einfach allen,
die unter die Räuber fallen.
Weil Gott, in dem man sich oft irrt,
bei dem steht, der zum Opfer wird.

Am Ende aller uns´rer Tage
stellt er nur diese eine Frage:

Habt ihr mich am Wegesrand
vorübergehend doch erkannt,
als ich als Mitmensch vor euch stand?

So machte ich mich offenbar:
Als selbst, wer euer Gegner war,
bei euch noch Trost und Mitleid fand.

99 Gottesnamen hat Mohammed einst offenbart.
Den 100ten und wundersamen
ließ er im Dunkeln wohlverwahrt.
Jetzt aber gibt, dass wir ihn nennen,
er diesen Namen zu erkennen,
den letzten und geheimnisvollen,
zu dem wir uns bekennen sollen:
der Herr firmiert inkognito
zur Zeit auch als „Charlie Hebdo".

Und wenn ihr mich jetzt fragt: „Wieso?"

Weil unser eigner Glaube lehrt:
In welchem Namen wir auch segnen,
gewiss wird Gott in dem begegnen,
dem da ein Unrecht widerfährt.

Ein Auge weint und eines lacht,
wenn sich der Narr an Fasenacht
so seine Gedanken macht.
Doch dieses Jahr, so will mir scheinen,
ist manches vielleicht eher zum Weinen.

Leute gibt´s sogar, die seh´n
das Abendland grad untergeh´n.
Womit ich nicht die Spießer meine,
die abends beim Laternenscheine
in Dresden noch spazieren geh´n.
Über Pegida herzulästern
ist mir, das werdet ihr versteh´n
einfach zu blöd. Die sind von gestern.

Die mögen weltweit uns blamier´n,
doch denk ´ich, wenn sie schwadronier´n,
über Fremde Phrasen dreschen
und auf sächsisch radebrechen:
„Lernt selbst erst, richtig Deutsch zu sprechen!
Euch will ich nicht mal ignorier´n."

Inzwischen sehen die Auguren
den Kampf verschiedener Kulturen,
die wahre Schlacht ums Abendland,
ganz anderswo schon längst entbrannt:

Es naht aus Argentinien eine
Bedrohung, weil der Wind sich dreht.
Sie rauscht durch alte Pinienhaine,
wo sonst ein laues Lüftchen weht.
Sie wirbelt, weil sie mächtig bläst,
manch morschen Zweig aus dem Geäst.

Sie fegt den Himmel wieder klar.

Und kraftvoll wie ein Kerscher fräst
sie Schneisen, wo ein Holzweg war.

Und kommt schließlich im Vatikan
als veritable Sturmbö´ an.

Manch alten Hut weht sie vom Kopf
mitsamt Birett und altem Zopf
und den Muff von 1000 Jahren
aus den Barocktalaren.

Da zündet mancher Kirchenmann
klammheimlich eine Kerze an
und spricht verzweifelt dies Gebet,
seit Franziskus „ante portas" steht:

„Ach Herr, sieh doch auf diese Stadt,
die viel schon überstanden hat,
bewahre, rette und behüte
das alte Rom in deiner Güte
und lass den Sturm, in dem wir steh´n
wie Hannibal vorübergeh´n.
Wenn du, der du die Welten lenkst,
in deinem Ratschluss aber denkst,
dass es doch nicht möglich sei
-nur so als Besispiel, nebenbei -
den Papst ganz einfach wegzuloben,
du weißt schon wie: halt ganz nach oben,
dann sieh du selber zu. Es sei!
Und steh´uns armen Sündern bei."

Bei der Weihnachtsfeier im Betrieb
hat man sich für gewöhnlich lieb.
Man macht sich nette Komplimente.
Der Chef verteilt dann die Präsente
an die geschätzten Mitarbeiter.
Danach macht man wie immer weiter.

„Nur lese ich vom „weiter-so"",
denkt sich der Papst Bergoglio,
„in der Bibel nirgendwo."

Und hat deshalb, wie man so hört,
beim Feiern mit den Kardinälen,
die zu seiner Kurie zählen,
den Weihnachtsfrieden arg gestört:

„Ich weiß nicht, Brüder, wo ich bliebe,
ohne euch, die ich so liebe",
sprach er in salbungsvollem Ton,
„Dass mancher hier Intrige triebe,
ist ein Gerücht. Das weiß ich schon.
Drum schaltet ein die Hörgeräte,
weil ich euch was zu sagen hätte:

Neulich wurde meine Seele
von einem Albtraum heimgesucht.
Ich sah euch, werte Kardinäle,
weil ihr `ne Kreuzfahrt habt gebucht,
beim Käptn´s Dinner mit Schettino
und bald drauf, deutlich wie im Kino,
sah ich im Traum das Schiff versinken
und in den Fluten untergeh´n.
Ich konnte euch nicht mal mehr winken,
so schnell war es um euch gescheh´n.

Dann war´s als hört´ ich Himmelsstimmen:
„Was meinst du, können die da schwimmen?"

„Ich fürchte nicht", sprach ich beklommen,
„Die haben sich nie freigeschwommen,
sondern sich immer gern am Alten
und Bewährten festgehalten,
ohne sich ins Meer der Fragen
versuchsweise mal raus zu wagen.
Wer könnte da gerettet werden?"

„Meine Kirche hier auf Erden",
klang es da vom Himmelsthron,
„sei nicht betrübt mein lieber Sohn,
die wird dadurch gerettet werden!"

Die Möwe kreist, die Wolken zieh´n.
Das Meer lag friedlich, wie es schien.
Und auf den Wellen treibt zum Schluss
ein einsamer Pileolus.

Ihr Brüder habt nach manchen Tagen
mich um den verdienten Schlaf gebracht.
Doch nach dem Traum in jener Nacht,
bin ich, das muss ich einfach sagen,
doch recht getröstet aufgewacht."

So also sprach -jetzt sinngemäß-
unser aller Pontifex.
Dann war die Predigt schon vorbei.
Manch einem blieb vor lauter Schrecken
sein Lebkuchen im Halse stecken.
Und wir war´n leider nicht dabei.

(Bei so `ner Predigt hilft auf Dauer
schon mal ein kleiner Kalauer.
Sie könnt´ sonst etwas länglich scheinen.
Wollt ihr ihn hör´n?
Ich hät´noch einen!

Wenn sich die Reformen stau´n
Ist viel auf einmal umzubau´n.
Das ist z.B. auch der Fall
bei der Familienpastoral:

Maria, so soll man verkündigen,
hat einst empfangen, ohne zu sündigen.
Das ist ein Dogma und deshalb auch wahr.
Im kommenden Herbst stellt eine Synode dann klar,
-die Vorverhandlungen haben schon angefangen-
dass es auch erlaubt sei zu sündigen, ohne gleich zu empfangen.

Ein Ereignis, dem wir Katholiken
erwartungsvoll entgegenblicken.
Auch vom Kaninchenzüchterdachverband
wird wohl ein Delegat entsandt.)

Seit zwei Jahren nun ist Papst Franziskus
Der Mann, der uns´re Kirche lenkt.
Wie sein Patron, ein „Narr in Christus",
der uns vielleicht den Aufbruch schenkt:

Indem er das, was alle Welt,
erwartet und für wichtig hält,
auf den Kopf und damit richtig stellt,
was klein und niedrig scheint erhebt
und auch noch, was er predigt lebt,
stellt er ein Licht, das alle meint,
auch den, der ganz verloren scheint,
im Fenster uns´rer Kirche aus:

Hier findest du ein Vaterhaus.
Du musst nicht beten. Ruh dich aus.

Für jedes mühevolle Leben
soll´s Wohnung hier und Heimat geben.

So sollt´es sein, denkt sich der Narr.
Ob Franz erreicht, was er verspricht?
Langweilig wir es schon mal nicht!
Und was nur Traum und Trugbild war,
das klär´n wir dann im nächsten Jahr.

Jetzt fasse ich, kurz vor dem Amen,
das Wichtigste noch mal zusammen:

Zu glauben meint doch, aus Vertrauen
einen großen Sprung zu wagen
und nicht allein auf das zu bauen,
was uns Vernunft und Zahlen sagen.

Zu lieben heißt, sich hinzugeben.
Sie ist die Macht, durch die man spürt,
dass nicht mehr nur sich selbst zu leben,
ins Glück, doch auch an Grenzen führt,

die erst die Hoffnung überwindet.
Sie lässt uns fest und sicher steh´n,
in dem, wovon der Glaube kündet,
auch wenn wir davon nicht viel seh´n.

Mag die Vernunft es auch bestreiten,
unser Herz kann es versteh´n:

Während wir durch´s Leben schreiten
und uns oft im Kreise dreh´n
ist es die Hoffnung für den Andern,
die Licht gibt, um das Ziel zu seh´n:

Von denen, die da mit uns wandern,
soll keiner je verloren geh´n!

Das klingt verrückt, muss ich gesteh´n.

Doch weil Gott so viel größer ist
als unser Denken je ermisst,
sag ich als Narr, der vielleicht irrt:

Dass uns dereinst vergeben wird,
uns allen, wenn vor aller Welt
einmal der große Vorhang fällt,
das ist die Hoffnung, die mich hält.

Wenn es dann heißen wird: „a Dieu"
oder, auf mainzerisch: „Adschee",
hör´n wir sein:
„Tout est pardonné!"

Amen