Gründonnerstag 2013 St. Stephan - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
Do. 21. März 2013
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Gründonnerstag 2013 St. Stephan - Pfr. Stefan Schäfer

 

Liebe Schwestern und Brüder,

zwölf ausgewählten Männern wäscht unser Bischof heute die Füße. In der feierlichen Liturgie des Gründonnerstags im Hohen Dom zu Mainz.
Selbst wenn wir für heute einmal die Frage ausklammern, ob denn damals im Abendmahlssaal wirklich nur Männer anwesend waren - an einem Punkt unterscheidet sich die symbolische Fußwaschung doch sehr wesentlich von dem, was Jesus an seinen Jüngern vollzogen hat:
Die zwölf Männer im Dom haben, da ist kein Zweifel, ihre Füße vorher schon auf das Sorgfältigste und so gründlich wie sonst das ganze Jahr über nicht gereinigt.
Um die Füße der Jünger Jesu dürfte es anders bestellt gewesen sein!

Im heißen und staubigen Palästina war man barfuss oder in offenen Sandalen unterwegs. Ein Gastgeber musste dafür sorgen, dass seinen Gästen zuallererst die Füße gewaschen wurden. Sonst hätte das Gastmahl durch unerwünschte Gerüche alle Würze verloren.
Solche Fußwaschung war eine unangenehme Tätigkeit. Sie wurde als geradezu erniedrigend empfunden. Deshalb war es einem Juden verboten dazu Dienstboten aus dem eigenen Land zu verpflichten. Fremdländische Sklaven - damals schon - mussten diesen Dienst leisten.
Genau diesen Dienst leistete Jesus seinen Jüngern. Den Dienst des letzten aller Sklaven. Er geht dorthin, wo es übel riecht, beugt sich tief hinab in den Schmutz, den anzurühren andere sich zu schade sind.

Diese Handlung Jesu ist unendlich viel mehr als nur ein Spiel, eine symbolische Geste. Sie ist der Kommentar zu dem, was sich in blutigem Ernst an ihm vollziehen wird. Indem er ihnen die Füße wäscht, deutet Jesus seinen Jüngern den Sinn seines ganzen Lebens und seiner Sendung, die sich in seinem bevorstehenden Todesweg vollenden:

„Obgleich er Gott gleich war", so wird der Philipperbrief diesen Weg beschrieben, „hielt er nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave."

Er kommt nicht, um sich, bedienen zu lassen, sondern um zu dienen.
Er hält nicht fest an seiner Position, sondern an seiner Liebe, die ihn treibt, alles zu geben, sich selbst, sein Leben.
Er entäußert sich und geht, dem Willen seines Vaters im Himmel gehorsam, den Weg des Absteigens bis zum Ende.
Bis in die letzte Niedrigkeit und Verlorenheit des Menschseins, bis in den Sklaventod am Kreuz.

Die Fußwaschung, die Jesus im Abendmahlssaal an seinen Jüngern vollzieht, deutet und erschließt das Geheimnis seines Leidens und Sterbens:
Was von außen als „Ärgernis und Torheit" erscheint, das Kreuz, sollen die Glaubenden als äußersten Erweis der Liebe Gottes zu uns Menschen begreifen lernen. Es ist die Offenbarung Gottes als Liebe, die sich hingibt, ganz und ohne Vorbehalt.

Das heilige Spiel unserer feierlichen Liturgie soll erinnern und vergegenwärtigen, was Gott für uns tut:
Der Ritus der Fußwaschung im Mainzer Dom, das Abendmahlsamt hier in St. Stephan, die Kreuzverehrung morgen am Karfreitag. Es darf aus solchem heiligen Spiel nur keine gespielte Heiligkeit werden, die uns unberührt lässt:
„Ein Beispiel habe ich euch gegeben", sagt Jesus den Jüngern im Abendmahlsaal, „damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe."
Der Liebe, die sich in ihm offenbart, zu glauben, heißt, sich mitnehmen zu lassen auf seinem Weg, der nach unten führt und dazu, ihm im Dienst an den Kleinen und im Geringen zu begegnen:
„Wenn ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen."

„Der Karneval ist vorbei." Mit diesen Worten soll der neugewählte Papst seinen Zeremonienmeister - sagen wir mal - „verblüfft" haben, der ihn in der Ankleidekammer neben der Sixtinischen Kapelle für seinen ersten Auftritt ausstaffieren wollte.
Indem Jorge Mario Bergoglio so mit der Mozetta aus rotem Samt und der brokatbesetzten Stola gleich auch die Rüschenhemdchen mit den Brüsseler Spitzen seiner Hofschranzen abgeräumt hat, ist für einen Moment ein neuer Blick auf die Kirche freigeworden:
der Blick auf eine Kirche, die nicht um sich selber kreist im Streben danach, ihre Position und ihre Macht zu erhalten, sondern die in der Nachfolge ihres Herrn herabsteigt und dient. Und in der so das Zeugnis für jenen Gott unseres Glaubens lebendig wird, der sich entäußert und sich in Jesu Tod bis in die äußerste Niedrigkeit des Menschendaseins begibt.
Auf die Kirche eines Franz von Assisi, der sich, wie sein Biograph berichtet, vor seiner Bekehrung in unüberwindlichem Ekel die Nase zuhalten musste, wenn ein Aussätziger auch nur von Ferne in sein Blickfeld kam und der schließlich doch in seinem Testament bekennt: „Gott hat mich mitten unter sie geführt und ich habe mein Herz für ihr Elend geöffnet. Und wie ich dann von ihnen wegging war alle Bitternis von mir abgefallen und hatte sich in Süßigkeit für Seele und Leib verwandelt."
Auf die Kirche einer Mutter Teresa bei den Sterbenden auf den Straßen Kalkuttas und einer Schwester Lea Ackermann bei den Opfern des Sex-Tourismus in Kenia oder der namenlosen Priester und Schwestern in den Slums der Großstädte Lateinamerikas.
Auf eine Kirche, in der der Glaube nicht nur inszeniert wird oder behauptet, wie eine Bastion, die es zu verteidigen gilt, sondern gelebt.
Der man den Gott glaubt, den sie verkündet, weil man spürt, dass sie auf seinem Weg unterwegs ist.
Und die auch uns Mut macht, auf diesem Weg zu gehen, auch wenn wir vielleicht keine Heroen der radikalen Nachfolge sind:
In der Bereitschaft, uns dem anderen zuzuwenden, ihm zu dienen und seine Last mit ihm zu teilen, auch dann, wenn davon kein Prestige und keine Ehre zu erwarten sind.

„Ein Beispiel habe ich euch gegeben", sagt Jesus zu seinen Jüngern.
Und:
„Selig seid ihr, wenn ihr es versteht und danach handelt."

Amen