Patrozinium St. Ignaz Sonntag, 20.10 2013 - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 20. Okt. 2013
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Patrozinium St. Ignaz Sonntag, 20.10 2013 - Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

als seine Jünger wieder einmal in Streit darüber geraten, wer unter ihnen der Größte sei, ruft Jesus ein Kind herbei und stellt es in ihre Mitte.
Wenn wir einmal wohlwollend unterstellen, es sei den Jüngern damals nicht einfach nur um Ehrgeiz und Machtstreben gegangen, sondern um die Frage, wer von ihnen schon am meisten von Jesus und seiner Botschaft begriffen habe, dann besagt diese Geste des Herrn:
Wer sich den Kleinen zuwendet, den Ohnmächtigen und Schwachen, nicht von oben herab, sondern indem er in die Knie geht vor ihnen und sich selbst klein macht, der hat verstanden. Der ist auf dem Weg, den ich vorangehe. Und darin ist er groß.
Der Legende nach ist dieses Kind Ignatius gewesen, der spätere Märtyrerbischof, unser Kirchenpatron, dessen Fest wir heute feiern.

Später wird er seinen Anspruch an sich selbst und andere so formulieren:
„Wer einen Bischof sieht, sollte Christus selbst wiedererkennen können."

Wer war dieser Ignatius von Antiochien?
Was hat er über den Abstand von fast 2000 Jahren uns möglicherweise zu sagen?
Auch in den Auseinandersetzungen um eine Erneuerung der Kirche, in Zeiten, in denen viele unserer Zeitgenossen ja nicht unbedingt an Christus denken, wenn sie manchen Bischof sehen?

Über das Leben des Ignatius ist wenig bekannt.
Der Überlieferung gilt er als Schüler des Apostels Johannes und als der (nach Petrus und Johannes) dritte Vorsteher der Gemeinde von Antiochien, jener Gemeinde also, wo man nach Auskunft der Apostelgeschichte die Anhänger des neuen Weges zum ersten Mal „Christen" nannte.
Es wird angenommen, dass er die Verfolgungszeit unter Kaiser Domitian miterlebte, aber überstand. Das Martyrium erleidet er dann unter Kaiser Trajan. : Wohl im Jahr 110 wird er nach einer für den Hochbetagten beschwerlichen Reise im Kolosseum in Rom den Löwen vorgeworfen.
Auf dem Weg nach Rom schreibt er Briefe, die im Kern authentisch überliefert sind. Sie geben einen Einblick in die Gedankenwelt der frühen Christenheit, zeugen vom Feuer der ersten Liebe, das in diesen Glaubenden brannte, von der Begeisterung eines neuen Anfangs, in der diese Menschen ihr Leben im Licht der radikal neuen Botschaft des Evangeliums von Leben und Lehre, Tod und Auferstehung des Jesus von Nazareth verstanden und bestanden haben.

Vieles an diesen Texten ist uns heute unzugänglich und fremd. Nicht zuletzt auch die brennende Sehnsucht mit der da ein Mensch voller Verachtung für diese Welt dem Martyrium entgegengeht.

Und doch ist genau dort der Glutkern des Evangeliums zu spüren, etwas vom unterscheidend Christlichen, das über die Zeiten hinweg gilt und ohne das es keine Erneuerung geben kann. Nicht in der Kirche als Ganzer und nicht in unserem eigenen Leben als Christen:

„Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es finden".

Das ist das Grundgesetz der Nachfolge, wie auch immer sie sich in verschiedenen Zeiten und unter sich verändernden Umständen ausgestaltet: Wer den Weg Jesu mit-und nachgehen will, der wird mitgenommen in eine Bewegung des Loslassens und Sich- Verlierens.

„Der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele."

So hat der Herr selbst das Geheimnis seines Lebens beschrieben: Er steigt herab und macht sich klein. Er hält nicht fest an seiner Position, an Rang und Stellung. Der Herr wird zum Diener. Und darin zeigt sich seine souveräne Herrschaft, dass er das Erbarmen Gottes verkündet in vorbehaltloser Zuwendung zu den Armen und Kranken, den Niedrigen und Geringen, an den Rand Geratenen und Verlorenen, mit denen er sich so sehr identifiziert, dass er schließlich ganz zu ihnen gehört und die äußerste Erniedrigung am Kreuz mit ihnen teilt.

Dort also stehen wir als einzelne und dort steht die Kirche in der Nachfolge ihres Herrn, wo wir uns loslassen und verlieren und auf den anderen hin übersteigen,
wo es nicht um die Selbsterhaltung und Verteidigung von Positionen geht, nicht um die eigenen Interessen, sondern um die Interessen derer, die von niemandem vertreten werden,
und nicht zuletzt dort, wo wir uns für die interessieren, auf die hören und denen nachgehen, die sich abgewandt haben (und die dafür ja vielleicht auch Gründe haben, die uns zu denken geben könnten).

In seiner wohltuend einfachen und undogmatischen Sprache hat Papst Franziskus in einem Interview, das vor einigen Wochen für Aufsehen sorgte, seine Vision von Kirche so formuliert:

„Ich träume von einer Kirche als Mutter und Hirtin. Die Diener der Kirche müssen barmherzig sein, sich der Menschen annehmen, sie begleiten - wie der gute Samariter, der seinen Nächsten wäscht, reinigt, aufhebt. Das ist pures Evangelium. Gott ist größer als die Sünde. Die organisatorischen und strukturellen Reformen sind sekundär, sie kommen danach. Die erste Reform muss die der Einstellung sein."

Eine Reform der Einstellung, eine Erneuerung der Gesinnung aus dem Evangelium, die Maß nimmt an der Gesinnung Jesu, der gekommen ist, um zu dienen und sich hinzugeben. Alles andere ist sekundär.
Wie im Fortgang des besagten Interviews deutlich wird, in dem der Papst dann auch auf den Umgang der Kirche z.B. mit Homosexuellen eingeht, gilt das seiner Meinung nach offensichtlich auch für das Wiederholen und Einschärfen von Grundsätzen kirchlicher Moral- und Sittenlehre.
Auch hier gilt: nicht im Verteidigen der eigenen Position, im Festhalten und der Selbstbehauptung, sondern in der Bereitschaft , loszulassen und sich selbst um des anderen willen zu vergessen, kommt der Glaube an Gott und seine Barmherzigkeit zur Erscheinung, den wir zu bezeugen haben.

Vielleicht wäre es ja ohnehin besser, wenn wir weniger über das, was aus unserem Glauben folgt reden würden und zu wissen meinten und stattdessen das wenige, das wir begriffen haben, lebten.

Das wusste schon Ignatius von Antiochien, der in einem seiner Briefe schreibt:

„ Es ist besser zu schweigen und zu sein, als zu reden und nicht zu sein. Es ist gut, andere zu lehren, solange man lebt, was man sagt.
Christus ist unser Lehrer. In aller Stille vollbrachte er, was der Absicht des Vaters entsprach."

Und in einem Wort zeitloser Poesie lädt er dazu ein, in diesem Schweigen auf den unverwechselbaren Klang des Evangeliums zu hören und uns auf seinen Ton stimmen zu lassen:

„Nehmt Gottes Melodie in euch auf! So werdet ihr alle zu einem Chor und in eurer zusammenklingenden Liebe ertönt durch euch hindurch das Lied Christi."

Manche wünschen sich in diesen Tagen, der Papst möge endlich neue Saiten in unserer Kirche aufziehen, damit das Lied Christi wieder durchklingt und vernehmbar wird. Sie haben sicher recht.
Vor allem aber wird es immer wieder darum gehen, dass wir selbst uns den unverwechselbaren Ton des Evangeliums vorgeben lassen und ihn mit unserer eigenen Lebensmelodie aufgreifen.

Amen