Pfingsten - 2014 -  Pfr. Schäfer

Datum:
So. 8. Juni 2014
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Pfingsten - 2014 -  Pfr. Schäfer


Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt sie, diese inspirierten Momente in unserem Leben, an die wir uns gerne erinnern, weil wir uns in ihnen lebendig gefühlt haben:
Phasen der Schaffenskraft, in denen uns alles leicht von der Hand gegangen ist und neue Ideen uns nur so zuzufliegen schienen.
 Gespräche mit Freunden, getragen von Vertrautheit und der Freude, einander zu verstehen und die Gedanken und Einsichten miteinander teilen zu können.
Die Künstler, die Kreativen beschreiben solche Erfahrungen aus ihrem Schaffensprozess: wie Einfälle beim Schreiben oder Komponieren sich scheinbar ohne ihr Zutun ereignen und Bilder wie von selbst zu entstehen scheinen.
Es gibt diese Momente der Inspiration auch in der Kirche:
Irgendwie beschwingt werden die Teilnehmer des Regensburger Katholikentages in ihren Alltag zurückgekehrt sein, gestärkt im Glauben, dass das Evangelium im Alltag trägt, getragen und beflügelt vom Wind des Wandels, der von Rom her aufgekommen ist.
Es sind solche Erfahrungen, die kostbaren Augenblicke, die Sternstunden der Inspiration, in denen etwas in uns und um uns in Bewegung kommt, in denen das Leben sich regt, die uns helfen zu verstehen, worum wir heute, am Pfingstfest, beten:
„Komm, Heiliger Geist und erfülle die Herzen deiner Gläubigen!"
Wir beten um den Geist, der aus gewohnten Bahnen drängt, der unplanbar kommt und nicht zu kalkulieren ist: „Du hörst sein Brausen", sagt Jesus im Johannesevangelium, „ und weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht." Und auch nicht: wohin er dich führen wird;
den Geist, der uns befreien will von aller falschen Angst und Rücksicht und dem ängstlichen Bewahren. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit", heißt es im zweiten Korintherbrief;
den Geist, der Barrieren überwindet, die Herkunft und gesellschaftliche Konvention zwischen uns errichtet haben: zwischen Einheimischen und Fremden, „Fernstehenden" und frommen Kirchgängern, Leistungsträgern und solchen, die sich schwertun.
 Und der  - ein schöner Traum - Menschen sich von Mensch zu Mensch begegnen lässt, als Brüder und Schwestern:
 „Es gibt", haben wir gerade in der Lesung gehört, „verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist . . . Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur einen Gott: er wirkt alles in allen."
  Er gibt uns unsere Gaben, damit wir einander dienen, jede und jeder mit dem Charisma, das ihm oder ihr verliehen ist.
Der „Atem Gottes", der Heilige Geist - manchmal ahnen wir, dass er wirklich durch unser Leben geht.
In den Augenblicken, in denen etwas in uns in Bewegung gerät, in denen in uns das Leben sich regt, Leben, das wachsen will und Grenzen und Mauern, in denen wir manchmal wie gefangen sitzen, überschreiten.
Im heutigen Evangelium gibt der auferstandene Herr den Jüngern, die sich verkrochen haben in ihrer Angst, den befreienden Geist, indem er sie anhaucht. Man könnte sagen: Er „inspiriert" sie. Denn nichts anderes bedeutet ja das lateinische Wort „inspiratio" als „An" oder „Einhauchen".
Dieser Abschnitt aus dem Johannesevangelium ruft eine andere Geschichte in die Erinnerung: die Urgeschichte von der Erschaffung des ersten Menschen. Dem Gebilde, das er aus dem Ackerboden gemacht hat, haucht Gott den Lebensodem ein und weckt seine Lebensgeister.
Darum also geht es, wenn wir heute um das Kommen des Heiligen Geistes beten: Uns der Inspiration durch den auferstandenen Herrn und sein Evangelium zu öffnen, die uns ins Leben ruft:
durch den Geist, der Hoffnung weckt auch da, wo unsere Lebenserfahrung sie nicht mehr begründen kann. (Es ist ja der Gekreuzigte, der den Jüngern begegnet, der durch das letzte Scheitern hindurch von Gott Gerettete. Sie erkennen ihn an seinen Wunden.);
durch den Geist, in dem Gott uns als Tröster nahe ist und uns standhalten lässt auch in Umständen, die unsere Kräfte überfordern;
durch den Geist seiner Liebe, die uns aufbrechen lässt, einander zu dienen, in der Hingabe, im Einsatz der Gaben, die uns füreinander verliehen sind;
durch den Geist, der uns ins Leben ruft.
An diesem Sonntag empfangen 35 junge Menschen aus unseren Innenstadtgemeinden das Sakrament der Firmung. Ein wenig durfte ich sie auf dem Weg ihrer Vorbereitung begleiten. Aber ich muss gestehen: Ich weiß doch wenig von dem, was diese Jugendlichen inspiriert und begeistert. Es sind eben Jugendliche, die uns Erwachsene immer nur kurz in ihr Denken und Fühlen hineinschauen lassen. Eins weiß ich aber schon: dass sie ihre Ideale haben, denn, wie gesagt, sie sind Jugendliche: begeisterungsfähig und noch nicht so angekränkelt von Resignation und Zynismus, wie wir Erwachsene es manchmal sind.
Nichts Besseres wäre ihnen zu wünschen als Inspiration für ihr Leben, als wirklich berührt zu werden von diesem lebenschaffenden Geist. Dem Geist des Gekreuzigten, dem Geist, in dem dieser Gekreuzigte auferstandenen ist und lebt und uns ins Leben vorangeht. Dem Geist, der durchkreuzt , was ist und der auf neue Wege führt.
Wege, die ein Text des Frankfurter Pfarrers Lothar Zenetti, der mich, als ich Jugendlicher war, inspiriert hat, den ich kürzlich wiederentdeckt und diesen Firmlingen einer ganz anderen Generation untergejubelt habe, in der Hoffnung, dass er in ihnen arbeitet, wie einst in mir, so beschreibt:
„Was keiner wagt, das sollt ihr wagen,
was keiner sagt, das sagt heraus,
was keiner denkt, das wagt zu denken,
was keiner anfängt, das führt aus.

Wenn keiner ja sagt, sollt ihr´s sagen,
wenn keiner nein sagt, sagt doch nein,
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben,
wenn alle mittun, steht allein.

Wo alle loben, habt Bedenken,
wo alle spotten, spottet nicht,
wo alle geizen, wagt zu schenken,
wo alles dunkel ist, macht Licht."

Große Worte. Ein steiler Anspruch. Beten wir für die Jugendlichen, die am Pfingstsonntag im Dom das Sakrament der Firmung empfangen. Und für uns selbst:

„Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen". Führe uns über uns selbst hinaus, lass uns hineinwachsen in die Freiheit der Kinder Gottes. Belebe uns. Schaffe uns neu.
Amen