Vierter Fastensonntag - Pfr. Stefan Schäfer

„Wir sind Gesandte an Christi Statt. Und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!"

Datum:
So. 31. März 2019
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder, 
„Wir sind Gesandte an Christi Statt. Und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!"
Der Apostel mahnt. Er bittet. Fast haben seine Zeilen etwas Flehendes:
Erkennt doch und begreift, wer Gott für euch ist. Bekehrt euch nicht nur im Bekenntnis eurer Lippen, sondern ganz, mit eurem Herzen. Fasst Vertrauen, dass Gott nichts anderes von euch will, als euch sein Erbarmen zu schenken. Dass er euch nicht vorrechnet, was ihr alles falsch gemacht habt. Dass er keine frommen Vorleistungen von euch erwartet.
„Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete."
Er ist längst schon aufgebrochen und kommt euch entgegen. Und ihr braucht nichts zu tun, als euch von ihm beschenken, von seiner Liebe aufrichten und mit dem Festgewand überkleiden zu lassen. Er nimmt nicht die Lumpen wahr, in denen ihr vor ihm erscheint, sondern darunter eure unverlierbare Würde, die darin besteht, sein Sohn, seine Tochter zu sein.
„Wir bitten an Christ Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!"
Inständig bittet der Apostel. Fast fleht er uns an, diesen letzten und entscheidenden Schritt in den Glauben zu tun. Den Schritt, der uns so unsagbar schwer fällt, weil so wenig in unserer alltäglichen Erfahrung uns dazu ermutigt: Uns ganz im Innern loszulassen, fallen zulassen im kindlichen Vertrauen, dass da einer ist, der uns unbedingt und ohne Voraussetzungen zu machen liebt und der uns annimmt.
Die Zeilen des Apostels Paulus, wenn man sie sich nahegehen lässt, werden zu einem Schlüssel, der das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Vater erschließt: Sie verweisen auf die Gefährdung des älteren Sohnes, auf der Schwelle stehen zu bleiben und sich dem Fest im Hause des Vaters, der Einladung zum Glauben zu verweigern. Sie verweisen auf die eigene Versuchung.
Dieser ältere Bruder entfernt sich nie allzu weit vom Vaterhaus. Er hält sich an die Normen und Gebote, ist gehorsam und bemüht sich, so gut er es eben vermag, gerecht zu sein vor Gott und den Menschen. Er dient dem Vater auf dem Arbeitsfeld, das der ihm zugewiesen hat. Manchmal sogar mit Eifer. Manchmal in der stillen Freude, die das Bewusstsein, seine Pflicht zu tun, ihm schenkt. Oft genug aber wohl auch innerlich freud- und lustlos, resigniert und mit dem Gefühl eigentlich ausgenutzt und überfordert zu werden.
Und manchmal kann er den Gedanken nicht ganz loswerden, dass das wahre, das eigentliche Leben irgendwo anders sich abspielt, nur nicht da, wo er gerade ist und dass er etwas verpasst. Warum wäre sonst so viel Groll und Bitterkeit in seinem Urteil über den jüngeren Bruder, den Taugenichts, der all das, was ihm, dem älteren, Halt gibt, über Bord geworfen hat für seinen Ego Trip? Und der nun, nachdem er, als wäre das nicht vorauszusehen gewesen, grandios gescheitert ist, mit offenen Armen empfangen wird! Da schwingt auch etwas wie Neid mit. Und der Neid ist immer die Rache des eigenen ungelebten Lebens.
Warum ist er bei seinem Vater geblieben? Aus Pflicht und aus Treue? Das wäre schon viel! Aber auch aus Liebe und aus einem tiefen inneren Überzeugtsein, gerade hier geborgen und angenommen und ganz bei sich selbst zu sein? Oder nicht doch auch aus Feigheit und Bequemlichkeit und einem letzten Misstrauen des Herzens, sich die Liebe des Vaters verdienen zu müssen?
Wenn wir, Kirchgänger und mehr oder weniger treue Katholiken, uns für einen Augenblick im Spiegel dieses Gleichnisses betrachten, könnte es vielleicht geschehen, dass wir uns selbst in jenem älteren Bruder begegnen: Wie wir da noch an der Schwelle stehen und zögern, ob wir sie überschreiten sollen.
Wir glauben ja schon. Aber macht uns unser Glaube auch froh? Richtet er uns auf und lässt er uns freier ins Leben gehen? Gründet er uns im Vertrauen, dass auch wir, vor aller Leistung und Anstrengung, von jenem Vater geliebt sind, der nicht anders kann als sein Erbarmen zu schenken: uns und unseren verlorenen Schwestern und Brüdern?
Der jüngere Sohn im Gleichnis hat das Vermögen seines Vaters verprasst.
Der ältere aber, was eigentlich schlimmer ist, wagt nicht, es anzurühren und daraus zu leben.
In ihm dürfen wir selbst uns liebevoll und zärtlich angeredet fühlen:
„Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein."
Komm und lebe aus dem Überfluss des Erbarmens und der Liebe, die ich schenken will, weil ich barmherzig bin. Lass dich selbst davon aufrichten und richte andere auf. Schenke weiter, was dir geschenkt ist. Nimm den in den Arm, der sich verloren hat, ohne ihm Vorhaltungen zu machen. Und öffne ihm den Raum des Vertrauens, in dem er mit dir zuhause sein kann, nicht bedrängt, nicht übersehen, nicht beurteilt.
„Sei barmherzig, wie es dein himmlischer Vater ist."
Und freue dich deiner Berufung, selbst ein Zeichen und Werkzeug der Nähe Gottes sein zu dürfen, der dir das Wort von der Versöhnung zuspricht und es dir anvertraut, damit du es weitersagst.
Amen