Weihnachten - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
Do. 26. Dez. 2013
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Weihnachten - Pfr. Stefan Schäfer


Liebe Schwestern und Brüder,

in der Weihnacht des Jahres 1223 bewegt sich ein seltsamer Zug durch die umbrischen Berge nahe der Stadt Greccio. Junge und Alte, Frauen und Männer, viele Arme aber auch Wohlhabende ziehen mit Fackeln und Kerzen hinaus in den Wald. Sie folgen in Scharen einem Mann, dessen zerschlissene Kutte kaum mehr als Ordensgewand zu erkennen ist: Franz von Assisi hat ihnen eine Christmette angekündigt, die sie nicht mehr vergessen werden.
Und ungewöhnlich ist in der Tat, was dann draußen vor der Stadt Greccio geschieht:
Mitten im Wald wird ein Stall hergerichtet und eine Krippe mit Heu und mit Stroh. Ein Kind wird hineingelegt. Maria und Josef treten hinzu. Ochs und Esel dürfen nicht fehlen. Sie sorgen für den Stallgeruch und ihr Atem spendet dem Kind, das gefroren haben dürfte, etwas Wärme. In der heiligen Messe trägt Franziskus das Weihnachtsevangelium vor und deutet das Geheimnis der Heiligen Nacht. Er ist dabei selbst so ergriffen, dass er seine Zuhörer zu ergreifen vermag. Mancher fühlt, über Raum und Zeit hinweg, sich von dieser Krippe im Wald geradewegs in die Gegenwart des Stalles von Betlehem versetzt.
So überliefert es Thomas von Celano, der Biograph des Heiligen, 5 Jahre nach diesem Ereignis, 2 Jahre nach dem Tod des Franziskus.

Wer hat´s also erfunden?
Der heilige Franz von Assisi!

Er hat als erster das Geschehen von Betlehem in Szene gesetzt und nachgestellt und so jenen Brauch begründet, der unser Weihnachtsfest bis heute prägt. Die Krippen auf den Weihnachtsmärkten, in unseren Wohnzimmern unter dem Tannenbaum und in den Kirchen, kitschige und künstlerische, veranschaulichen seither und malen uns aus, was der biblische Text ja nur in wenigen und knappen Zeilen berichtet:
die Ohnmacht und Angewiesenheit des Kindes;
die ärmlichen Umstände seiner Geburt, „draußen", vor den Toren der Stadt, „weil in der Herberge kein Platz für sie war";
das Staunen, die Freude auf den Gesichtern der Armen, die zuerst zur Krippe gekommen sind, der Hirten, die als unsere Stellvertreter dort stehen und die zu ahnen beginnen, dass ihnen in diesem Ereignis, dem doch von außen so gar nichts Großartiges anzusehen ist, in Windeln und Futtertrog, ein Zeichen gegeben ist, das in Dunkelheit und Nacht leuchtet wie die Kerzen und Fackeln im Wald von Greccio.
Und heller als sie:
So klein macht sich der allmächtige Gott. Aus Liebe, um dem Geliebten nahe zu sein, kommt er in seiner Menschwerdung uns durch die Stalltür entgegen:
all denen, die selbst hilflos und angewiesen sind auf Schutz und auf Wärme;
all denen, die sich selbst ausgeschlossen fühlen, „draußen" und an den Rand gedrängt.
Zuerst diesen Hirten.
Später dann wird dieses Kind, erwachsen geworden, die Aussätzigen und Armen, die Sünder und die Dirnen und alle die anderen verlorenen Söhne und Töchter, denen er auf den Straßen Galiläas begegnet, im Namen seines Vaters im Himmel einzusammeln beginnen.
Uns allen kommt er entgegen. In unserer eigenen Zerrissenheit, unserer Suche nach einem Sinn, der Sehnsucht nach Geborgenheit in der Kälte, die uns manchmal umgibt und in unserem Hunger nach Liebe, nach Leben.

Im Wald von Greccio hat Franz von Assisi diese Botschaft so anschaulich werden lassen, dass sie den Menschen damals unmittelbar zu Herzen ging:
Die Botschaft von einem Gott, der gerade da auf uns zukommt, wo wir „draußen" und in Kälte und Dunkelheit stehen und der so dieses „Draußen", den ungastlichen Ort, zu verwandeln beginnt. Weihnachten verkündet uns seine Nähe und schenkt uns den Trost seiner mitgehenden Liebe.

So mag es in der Weihnacht des Jahres 1223 gewesen sein.
In diesem Jahr 2013 ist es ein Namensvetter des Franz von Assisi, der der Botschaft des Glaubens neuen Glanz und neue Glaubwürdigkeit verleiht.

Franziskus I. von Rom, der neue Papst, weckt Aufmerksamkeit und Interesse auch bei Menschen, die der Kirche innerlich längst den Rücken gekehrt haben, die der Sprache ihrer Verkündigung überdrüssig sind und die, wenn überhaupt noch, nach Gott tatsächlich lieber im Wald oder unter freiem Himmel suchen und längst nicht mehr in einem Gebäude von Dogmen und Vorschriften, das ihnen zu eng geworden ist und in dem ihr Leben nicht vorkommt.
Lieber als eine Kirche, die sich an die eigenen Sicherheiten klammert, sei ihm, schreibt dieser Papst, eine „"verbeulte" Kirche, die beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist."
Vielleicht könnte man auch sagen: weil sie sich aufgemacht hat zum Stall und zur Krippe auf unausgetretenen und ungesicherten, mitunter auch schlammigen Pfaden.
Nach allem, was bislang von ihm zu lesen und zu hören war, geht es diesem Papst um eine Kirche nicht der fertigen Antworten und moralischen Urteile, sondern der Weggemeinschaft, die im Zuhören und im Aufbruch zum Andern, wächst im Verständnis der Botschaft, die ihr aufgetragen ist:
Der Botschaft von einem Gott, der sich in seiner Menschwerdung auf diese Welt und auf unser Leben eingelassen hat, um alle zu suchen und niemanden verloren gehen zu lassen und dessen Liebe, wie Papst Franziskus schreibt, „in jedem Menschen wirkt, jenseits seiner Mängel und Verfehlungen".

Auch wenn sie uns heute in einem schönen Gotteshaus und im Rahmen einer feierlichen Liturgie verkündet wird - es ist dieselbe Botschaft, die damals den Menschen draußen im Wald von Greccio zu Herzen gegangen ist, ausgerichtet von einem Diener der Kirche, die in diesem Jahr von ihrem Oberhaupt daran erinnert worden ist, dass sie, Zitat Papst Franziskus, keine „Zollstation" zu sein hat, sondern „das Vaterhaus", in dem „Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben".

Damals wie heute gilt diese Botschaft Alten und Jungen, Männern und Frauen, den Wohlhabenden und den Armen.
Sie gilt den Erfolgreichen und ebenso denen, die sich schwertun, den Maßstäben und Normen, die sie selbst oder andere an sie anlegen, zu entsprechen.
Sie gilt den Frommen und regelmäßigen Kirchgängern ebenso wie denen, die nur an Ostern und Weihnachten kommen und denen unter uns, und da mögen durchaus auch Kirchgänger darunter sein, deren Glaube nur noch ein glimmender Docht ist, halb erstickt von Fragen und Zweifeln und vielleicht auch den Enttäuschungen durch die Kirche.
Sie gilt den glücklichen Familien, die über die Feiertage zusammenkommen, aber ganz genauso den Familien in zerbrochenen und schwierigen Situationen, den Alleinerziehenden und den Kindern, die irgendwann zwischen den Jahren vom anderen Elternteil abgeholt werden.
Sie gilt den Glücklichen unter uns und sie gilt denen, die traurig auf die Brüche in ihrem Leben schauen und die sich, mitten im Fest, ihrer Einsamkeit nur umso schmerzlicher bewusst werden.

Uns allen gilt diese Botschaft, die wir aufgebrochen sind, um dem Kind in der Krippe neu zu begegnen.
Durch seine Armut sind wir beschenkt. Denn es bringt uns die Botschaft von einem Gott, der sich ganz entäußert und klein macht, um sich an unserer Seite zu zeigen: Ich bin da. In dieser Welt. In eurem Leben. Habt Vertrauen. Fürchtet euch nicht.

Amen