Zum Tode von Klaus Mayer (24.02.1923 – 16.12.2022)

Msgr.Klaus Mayer (c) Bistum Mainz/Blum
Msgr.Klaus Mayer
Datum:
Mo. 19. Dez. 2022
Von:
Christoph Stillemunkes

Ein Großer ist von uns gegangen: Monsignore Klaus Mayer, der frühere Pfarrer von St. Stephan, ist in den Mittagsstunden des 16. Dezember verstorben. Ihm war ein langes Leben vergönnt, dabei war dies schon in jungen Jahren durch die nationalsozialistische Judenverfolgung höchst gefährdet. In seinem Bericht über sein Leben in den Jahren 1933 bis 1945 fasste er sein damaliges Leben mit den Worten zusammen: „….jahrelang ging ich Tag und Nacht am Rand der Hölle entlang“ [Wie ich überlebte. Die Jahre 1933 bis 1945, Würzburg 2007, S. 5]. Zu seinem und unserem Glück hat er den Terror überlebt. Nach den Erfahrungen der eigenen Verfolgung wollte er sich ganz den Menschen zuwenden und entschied sich dazu, Priester zu werden. Für die Gemeinde St. Stephan, die er im Jahr 1965 als Pfarrer übernahm und bis 1991 leitete, wurde er zu einem Glücksfall.

Klaus Mayer erwies sich an seiner neuen Wirkungsstätte als engagierter Seelsorger und bis ins hohe Alter als wortgewaltiger und leidenschaftlicher Prediger, er setzte die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Gemeinde um und blieb für neue Ansätze und neue Wege offen. Die Zuwendung zu den Menschen, die ihn leitete, wurde dabei erfahrbar – in der Anteilnahme am Leben und Schicksal seiner Mitmenschen, in Telefonaten und in aufmunternden und ermutigenden Worten.

Seine besondere Sorge galt dem Kirchengebäude einschließlich des Kreuzgangs, an denen zum Zeitpunkt seines Dienstantritts die Spuren des Kriegs und der Kriegsschäden noch deutlich sichtbar waren. Dem Erhalt und der Sanierung des Gebäudes widmete er sich mit Tatkraft und Energie – nicht selten konnte man ihn auf Baugerüsten beobachten. In einem Beitrag, den er für die Festschrift zur 1000-Jahr-Feier schrieb, kann man die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen, die sich dabei stellten, nachvollziehen [1000 Jahre St. Stephan in Mainz. Festschrift, hrsg. von Helmut Hinkel, Mainz 1990, darin S. 389 – 402]; auch in den 90 er Jahren, also schon nach seiner Dienstzeit, betreute er die Bauarbeiten [St. Stephan in Mainz – Krone der Stadt. Eine Gemeinde im Wandel. Hrsg.: Stefan Schmitz, Mainz 2013, darin der Beitrag Mayers S. 68 – 73].

Im Zuge dieser Erneuerungsmaßnahmen stellte sich bei der Gestaltung des Ostchors die Frage neuer Kirchenfenster. Klaus Mayer verfolgte dazu eine ebenso mutige wie großartige Idee: Der bedeutende Maler Marc Chagall, der Meister der Farbe, der sich in seinen Werken vielfach mit Themen der biblischen Botschaft beschäftigt hatte, sollte diese Fenster schaffen. Zunächst begegnete Mayer deutlicher Skepsis wegen dieses Vorhabens. Aber mit der ihm eigenen Überzeugungskraft, Geduld und Hartnäckigkeit und unterstützt von Chagalls Frau Vava gelang es ihm, den Künstler für die Übernahme des Auftrags zu gewinnen. Aus einem Fenster wurden schließlich neun, die ab 1978 nach und nach eingebaut wurden und der Kirche zu neuem Glanz verhalfen. St. Stephan ist dank des Einsatzes von Klaus Mayer die einzige christliche Kirche in Deutschland mit Fenstern von Marc Chagall und verfügt damit über einen einzigartigen Schatz. Zu Marc Chagall entstand im Laufe der Jahre ein persönliches Freundschaftsverhältnis; in einem schönen Band mit dem Titel „Ich habe die Bibel geträumt. Marc Chagall. Maler und Mystiker“ [Würzburg 2009] wird das enge Verhältnis deutlich.

Ohne Zweifel bildeten die Fenster den Höhepunkt des Wirkens und Schaffens von Klaus Mayer in St. Stephan. Er betrachtete sie stets als Zeichen für Frieden und Versöhnung, für das er dankbar war. Friede und Versöhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn (dafür steht Marc Chagall mit seiner Herkunft aus Weißrussland), zwischen Juden und Christen (dafür steht Chagall mit seinem jüdischen Glauben) und zwischen Deutschland und Frankreich (dafür steht Chagall mit seinem Wohnort in Frankreich). Damit setzen die Fenster auch eine Tradition der Kirche fort, denn seit ihrer Gründung durch Erzbischof Willigis hatte sie die Aufgabe, Gebetsstätte für den Frieden zu sein, wie Mayer immer betonte. Zugleich bilden sie eine Verpflichtung, sich stets für Frieden und Versöhnung einzusetzen. Auf Willigis bezog sich Klaus Mayer immer wieder; man könnte es als Zeichen verstehen, dass der Ehrentag des Heiligen (23.02.) und Mayers Geburtstag (24.02.). im Kalender dicht beieinanderliegen.

In vier Büchern und mehr als 4.000 Meditationen erläuterte Mayer in beeindruckender Weise die Botschaft der Fenster und trug sie über die Leserinnen und Leser sowie die Hörerinnen und Hörer in alle Welt. Wer ihm seine Bewunderung für diesen Einsatz ausdrückte, erhielt als Antwort: „Wem Gott eine Gabe schenkt, dem stellt er auch eine Aufgabe“. Zugleich traf er auch Vorsorge für die Zukunft, indem er den Förderverein Biblische Botschaft Marc Chagall gründete und viele Jahre selbst noch als Vorsitzender leitete, dessen Aufgabe es ist, die biblische Botschaft der Fenster zu vermitteln und den Erhalt der Fenster zu unterstützen. Auch die Stadt Mainz kann sich einer Attraktion erfreuen, denn die Fenster ziehen Jahr für Jahr viele Touristen an. Sie dankte es Klaus Mayer durch die Verleihung der Ehrenbürgerwürde.

Die Fenster zeigen Szenen aus der heiligen Schrift des Judentums, der Hebräischen Bibel oder dem Ersten Testament. Niemals wurde Mayer müde, auf die jüdischen Wurzeln des Christentums hinzuweisen, stets betonte er die Bedeutung des jüdisch-christlichen Dialogs und der christlich-jüdischen Versöhnung – das Zweite Vatikanische Konzil hatte auch hier neue Wege beschritten. Seine Nähe zum Judentum und dessen Hochschätzung konnte man auch daran erkennen, dass er seine Gottesdienste immer mit dem aaronitischen Segen (4 Mos/Num 6, 24 - 26) beendete; das Gleiche gilt für viele Gespräche, an deren Ende er seinem Gesprächspartner diesen Segen spendete. Unermüdlich wendete er sich gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus und mahnte zur Wachsamkeit. Zu seinem und unserem Bedauern besteht dafür heute wieder Anlass und Notwendigkeit, und zwar leider sogar in verstärktem Maße.

Deshalb war ihm auch die Erinnerung an die Vergangenheit wichtig. Denn nur aus einer reflektierten Auseinandersetzung mit dem Geschehenen kann die Kraft gewonnen werden, Verantwortung zu übernehmen und eine bessere Zukunft zu gestalten. Sein Buch sei „wider das Vergessen geschrieben“, steht auf der letzten Seite des erwähnten Berichts über die Jahre 1933 bis 1945.

In einer Predigt zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar) hat er einmal die Frage gestellt, wie aus der absoluten Dunkelheit der Shoah wieder Licht entstehen konnte. Eine Antwort darauf könnte sein: Weil es Menschen wie Klaus Mayer gab und gibt, die überlebt haben und das zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben.

Klaus Mayer, das wird daran ebenfalls deutlich, war ein politischer Mensch. Kein Gottesdienst endete ohne den Wunsch nach einer Zukunft in Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden. Dieser Wunsch, stets aktuell, und der Aufruf zur Versöhnung sind sein Vermächtnis.

 

Christoph Stillemunkes

Vorsitzender des Pfarrgemeinderats St. Ignaz/ St. Stephan