Schmuckband Kreuzgang

Wort zur Woche

By the rivers of Babylon …

Wort zur Woche (c) D. Thiel
Wort zur Woche
Datum:
Do. 28. Mai 2020
Von:
Dietmar Thiel

In Dezember 2018 startete die StadtPost eine neue Serie. In jeder StadtPost Neu-Isenburg gibt es ab sofort ein „Wort der Woche". Pfarrerinnen, Pfarrer und Vertreter der Kirchengemeinden aus Neu-Isenburg teilen ihre Gedanken zur Jahreszeit, zu Entwicklungen in unserer Gesellschaft oder zu Dingen, die sie aus christlicher Sicht bewerten, mit.

In der Ausgabe: Jahrgang 36, Ausgabe Nr. 22, Donnerstag, 28. Mai 2020, veröffentlichte die StadtPost folgenden Artikel:

By the rivers of Babylon …

Ende der 70er Jahre sang die Gruppe Boney M. das Lied: „By the rivers of Babylon, there we sat down. Yeah, we wept, when we remembered Zion“ Der Inhalt bezieht sich auf Texte des Alten Testamentes. Vor allem greift er auf Psalm 137 (Ps137, 1-9) und auf Psalm 19 (Ps 19,15) zurück.

In der Geschichte des jüdischen Volkes gab es vor über 2500 Jahren eine Epoche, in der sie gar keinen Tempel mehr hatten. Der Mittelpunkt des religiösen Lebens, der Tempel in Jerusalem war zerstört. Die kultischen Geräte, die Rituale, die vertrauten Gebete und Opferzeremonien im Haus Gottes konnten nicht mehr vollzogen werden. Die babylonische Großmacht hatte das Land erobert, Jerusalem zerstört, den Tempel dem Erdboden gleich gemacht.

Der Psalm 137 ist eine starke Erinnerung an diese Zeit, er drückt die ganze Trauer und den Schmerz aus: „An den Strömen von Babel, / da saßen wir und wir weinten, * wenn wir Zions (Gott) gedachten. (…)“

Gott wohnt nicht nur im Tempel. Das erlebten die Menschen damals in der Fremde. Gott ist überall zu finden, auch zu Hause, wenn ich traurig bin. Auch in der Dunkelheit des Lebens, wenn ich nach Orientierung suche. Wenn ich erlebe, weit weg zu sein von dem, was mir Heimat und Geborgenheit gegeben hat. Da komme ich dem neu auf die Spur, was wesentlich ist in meinem Leben, was mich trägt und mir Halt gibt, auch und gerade wenn das Chaos über mir zusammenzubrechen scheint.

Erst nach 40 Jahren konnte das Exil in Babylon wieder verlassen werden. Die Menschen hatten sich verändert in der Zeit der Krise. Der Glaube hatte sich verändert, und die Rituale wurden entsprechend angepasst. Die Gläubigen griffen alte Traditionen auf, setzten aber auch neue Erkenntnisse um im Alltag des Glaubens und bei den Festen, die es wieder zu feiern gab.

Auch nach Corona wird vielleicht vieles anders sein. Mit neuen Augen sehen wir in der ganzen Welt, wie gefährdet unser Leben ist und wie kostbar. Viele spüren, wie notwendig wir auf andere angewiesen sind und wie wunderbar es ist, Solidarität und Menschfreundlichkeit zu erleben. Hoffentlich erinnern wir uns daran bessere Menschen zu sein, auch dann, wenn die Krise überwunden ist.

 

Martin Berker, Pfarrer in St. Josef Neu-Isenburg