Zutrauen

Bild_Impuls_April2020_kl (c) Eva Weinitschke
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Datum:
Di. 21. Apr. 2020
Von:
Eva Weinitschke

Ein Montagmorgen Anfang April 2020. Ich stehe auf einer kleinen Anhöhe in den Weinbergen bei Essenheim. Wie jeden Montag in den letzten Wochen. Aus dem Frühlingsgrün löst sich in der Ferne eine Gestalt: Eine Reiterin nähert sich in schnellem Galopp. Kurz darauf bringt meine Tochter ihr Pony vor mir zum Stehen. Auf die beiden habe ich gewartet.

Normalerweise, also "vor Corona" habe ich mich jeden Montag mit im Stall herumgedrückt, habe geschaut, dass das anvertraute Pony fachgerecht versorgt wurde, und alleine ausreiten war schon gar nicht erlaubt. Aber nun geht es nicht anders, wegen der Personenbeschränkung darf ich nicht mehr mit in den Stall. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als meiner Tochter zuzutrauen, dass sie das auch selbst hinkriegen wird.

Sie kriegt es hin - und wie! In ihrem strahlenden Gesicht lese ich ein neues Selbstbewusstsein, überschäumende Energie und Lebensfreude.

Und ich lerne, dass ich ihr mehr zutrauen darf, als ich gedacht habe. Dass ich die Zeit, die ich bisher mit Aufpassen und Kontrollieren verbracht habe, nun getrost anders nutzen kann. Zum Beispiel für einen schönen Spaziergang.

Ich glaube, vielen könnte eine Gegebenheit aus den letzten Wochen einfallen, in der wir Dinge gemacht haben, die wir oder andere uns sonst nicht zugetraut hätten oder die wir einfach anders als sonst gemacht haben. Sei es die erfolgreiche Herstellung von Hefe, weil man gerade keine kaufen kann. Sei es das Feiern eines kleinen Gottesdienstes daheim, weil in der Kirche jetzt keiner stattfinden kann. Oder der eigenverantwortliche Ausritt... Oder etwas ganz anderes.

Zwar gibt es nichts schön zu reden an der derzeitigen Situation. Aber trotzdem: Sie eröffnet auch Raum für Wachstum - sogar in zwei Richtungen: Von uns weg und zu uns hin. Zutrauen und Selbstvertrauen.

Wir glauben an einen Gott, der uns von jeher mehr zugetraut hat, als wir für möglich hielten. Der uns seit Anbeginn Verantwortung übertragen hat, in kleinen und großen Dingen und immer wieder neu. Der an uns glaubt, vielleicht mehr als wir an ihn.

Ich wünsche mir und uns, dass wir jetzt und in Zukunft dieses Vertrauen, das Gott in jeden einzelnen Menschen hat, erkennen und anerkennen. Dass wir diese Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, die er jedem einzelnen von uns verliehen hat, zum Tragen kommen lassen. In uns selbst, in unserem Umfeld, in unserer Gesellschaft und auch in unserer Kirche.