Schmuckband Kreuzgang

Seelsorge in den JVA-Darmstadt und Dieburg - eine Anfrage an die Grundthemen des Glaubens

Datum:
Di. 24. Sept. 2024
Von:
Pastoralreferent Engelbert Renner, Seelsorger an der JVA-Darmstadt, und Diakon Gerd Wagner, Seelsorger an der JVA-Dieburg

Der Tag beginnt mit dem Betreten der JVA durch die zwei automatischen der Zugangsschleuse. Danach heißt es, im sog. Verteilerraum die anstehenden Anliegen, Anfragen und Bitten der Inhaftierten zu sichten und das persönliche Notrufgerät (PNG) abzuholen und einzuschalten.

Nach einer kurzen Vorbereitung beginnt unsere Haupttätigkeit an einem normalen Wochentag: Besuche und Gespräche mit den Inhaftierten neben all den größeren und kleineren Büroangelegenheiten und darüber hinaus auch noch einem kurzen Plausch oder auch mal tieferen Gespräch mit den Angestellten und Beamten auf den Fluren, den Hafthäusern oder in den Werkbetrieben.

Oh, Du arbeitest im Gefängnis - das ist doch sicherlich sehr anstrengend und auch gefährlich, oder?“ Das hören wir oft. Sicherlich können die Lebensgeschichten mit all ihren dunklen und unschönen Flecken und Erfahrungen bisweilen anrühren oder auch mal innere Kraft kosten. Dennoch haben wir bisher nur wenige Orte erlebt, an denen Seelsorge gefragter ist als in einer JVA. Selten schreien die Geschichten, die uns begegnen, lauter nach Fürsorge, Stärkung oder Stabilisierung. Es sind die Grundthemen des Glaubens: Wo finde ich Halt und wahre Befreiung? Wo kann ich einen Rest Menschenwürde für mich entdecken? Wohin mit meiner Schuld? „Woher kommt mir Hilfe? (Ps 121,1)“.

Sucht, Schuld, Abhängigkeit, Orientierungslosigkeit, Versagen, Verletzungen, Machtlosigkeit und mangelndes Grundvertrauen treten in all ihren Schattierungen in den Gesprächen zutage. Sie rufen nach einer tragenden Botschaft der Befreiung, aber auch ganz konkret nach kurzfristiger diakonischer Hilfe in vielfältiger Form, von einer kleinen Tabakspende bis hin zu Kleidung und Tasche für eine bevorstehende Entlassung.

Und so verstehen wir unsere Sendung im Auftrag Jesu: Sei bei den Menschen am Rande. Ermutige sie, ihr Leben angstfrei und mit einer guten Portion Gottvertrauen wieder selbst in die Hand zu nehmen. Höre hin nach dem Beispiel Jesu: „Was willst du, dass ich dir tue?“ (Lk. 18,41). Nur so beginnt aufkeimende Selbstaktivierung bei den Inhaftierten.

Gewiss können wir nicht alle Erwartungen erfüllen und müssen Grenzen aufzeigen, deutlich machen, wofür Seelsorge im Gefängnis steht und wofür nicht. Über allem steht das Thema „Geduld“ im Zusammenhang stark reglementierter Abläufe und einer stetigen Fülle neuer Anliegen. Irgendwo herrscht immer ein Mangel. Auch mit uns selbst müssen wir dann Geduld haben und die eigenen Grenzen akzeptieren.

Was bei all dem fasziniert, ist die vertrauende Offenheit vieler Inhaftierter in den Gesprächen und manchmal die wieder entdeckten Rudimente eines oft nur schemenhaften Gottesglaubens, die Lebendigkeit in den gemeinsamen Gottesdiensten und die tiefe Dankbarkeit für den seelsorglichen Dienst seitens der begleiteten Gefangenen.

Die Seelsorge in der JVA ist eine kostbare Aufgabe, die uns anvertraut und geschenkt wurde.