Schmuckband Kreuzgang

Adventsgedanken (Pfr. Jolie)

pieta 1 (c) jolie
Datum:
Di. 6. Dez. 2022
Von:
Susanne Mockenhaupt

Liebe Schwestern und Brüder,

der Priester Hermann Scheipers (1913-2016) beschreibt in seinen Lebenserinnerungen die langjährige Haft im Konzentrationslager Dachau sowie seinen späteren priesterlichen in einer Diasporagemeinde im Freistaat Sachsen in der Nachkriegszeit. Die dortige Gemeinde war von Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut worden.

Über seine Erfahrungen in dieser kleinen Pfarrei der Heimatvertriebenen schreibt er rückblickend:

„Hier habe ich erlebt, dass gerade die Kleinen und Unscheinbaren für das Reich Gottes Großes leisten können. Ich hatte da im wahrsten Sinne des Wortes das Glück, an Menschen, die alles verloren hatten, das weiterzugeben, was ich in den Jahren meiner KZ-Haft selbst erfahren habe: Dass nämlich Gott denen besonders nahe ist, die ganz arm werden und preisgegeben sind den Mächten dieser Welt: als Gott, der mit uns geht, tröstet und heilend, der uns trägt und hält als Gott des Erbarmens und der Liebe. Je weniger wir in den Händen haben und haben wollen, umso mehr kann Gott die Leere füllen mit dem Reichtum seiner Gaben. Die Freude an Gott war damals in all unseren Bedrängnissen unsere Stärke. Ja, diese kleinen Kirchen der Heimatvertriebenen konnten für viele andere bei der Suche nach dem Sinn des Lebens Wegführer sein. Sie hatten ja Hab und Gut und Heimat verloren, und nun schenkte Gott ihnen wieder neu Heimat, Licht und Stärke“

Die Zeilen erinnern an das Schicksal der Heimatvertrieben, die unsere Gemeinden nach dem Krieg erbaut haben. Immer wieder stoße ich bei Gesprächen auf bewegende Zeugnisse des oben beschriebenen Glaubens. Hoffentlich gelingt es dieses kostbare Vermächtnis lebendig erhalten und für die Gegenwart fruchtbar machen!

In letzter Zeit war ich öfters bei dem eindrucksvollen Gnadenbild, das in der Liebfrauenkirche aufbewahrt wird. Die Pieta wacht dort seit beinahe seit 700 Jahren über der Stadt Schotten und ihren Einwohnern. Welch ein Trost geht von dieser Pieta aus – besonders für jene Mütter und Väter, die ein schweres, oftmals nicht zu verstehendes Leid zu tragen haben! Wie sehr haben sich die Heimatvertriebenen an der Pieta und den jährlichen Wallfahrten zur schmerzhaften Mutter festgehalten.

Dieses Gnadenbild – es ist ein kostbares Vermächtnis für unsere Stadt und für unsere Gemeinde – sie drückt den oben geschilderten Glauben aus, dass Gott denen nahe ist, die arm und hilflos geworden sind. Gerade am Wallfahrtstag dürfen das Gäste aus nah und fern erleben: Welche Zuversicht geht von der Gewissheit aus, dass der christliche Glaube eine Mutter kennt, die das Leid dieser Welt in Händen hält und es wandelt zur Erlösung für alle Menschen.

In wenigen Tagen werden wir Weihnachten feiern. Auch hier geht es um die Mutter mit ihrem Kind auf dem Schoß. In dem Kind erkennt der Christ den Erlöser, den Immanuel, der gekommen ist, um den Völkern das Licht zu bringen. Und wir erkennen unsere eigene Aufgabe, die darin besteht, dieses Licht durch die Zeiten lebendig zu halten – so wie Maria Christus für immer in ihrem Herzen und in ihrem Schoß trägt und ihn durch die Zeiten zu den Menschen bringt.

Unsere Welt sehnt sich nach diesem Licht, nach dieser Hoffnung. Der Brand einer der bedeutendsten Kathedralen Europas, Notre Dame von Paris im Jahr 2019, war er nicht ein Weckruf für eine Welt, die in Flammen steht? Ob es die Verwüstung der Kirche und des Glaubens durch Kräfte von außen oder innen ist, ob es der grausame Krieg ist, der Europa seit Monaten in Atem hält oder ob es die Verwirrung in unserer Gesellschaft ist, in der bald niemand mehr weiß, wo oben oder unten, wer Mann oder Frau, was gut und was böse ist….

…in allem geht der wahre Trost von dem Kind aus, das in den Armen seiner Mutter ruht und so die Welt retten will:

„So vielerlei adventlicher Trost geht von dieser verborgenen Gestalt der gesegneten und wartenden Maria aus. Dass dieses der Erde gegeben ward, diese Frucht zu bringen! Dass die Welt vor Gott erscheinen durfte mit der bergenden Wärme, aber auch der dienenden und darum so sicheren Zuständigkeit des mütterlichen Herzens!“
(Alfred Delp, 1944)

Lassen wir uns niemals entmutigen, gehen wir zuversichtlich dem Kind in der Krippe entgegen und grüßen wir seine heilige Mutter – an der Krippe, aber auch in der Gnadenkapelle unserer Kirche und in der Liebfrauenkirche. Sie wartet darauf, Sie und mich zu beschenken!

Ich wünsche Ihnen von Herzen ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest. Bleiben Sie behütet!

Ihr Hendrick Jolie, Pfr.