Schmuckband Kreuzgang

Impuls zum Sonntag

14. Sonntag im Jahreskreis

IMG_20200626_074922 (c) J. Adler
Datum:
Sa. 4. Juli 2020
Von:
Matthias Lich

In unserem Garten haben wir an einer Stelle sehr ausgiebig Blumensamen verteilt, die Bienen und Nachtfalter mögen. Dieses Stück Garten war in letzter Zeit immer mal wieder Gesprächsstoff in der Familie, weil es sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Die Einen mögen die Wildnis und das Durcheinander, die Anderen hätten lieber Rasen und mehr Struktur.

Besonders an einer Pflanze hat sich die Diskussion immer wieder angeheizt, weil sie ziemlich wuchert, sehr hoch geworden ist und an einem recht dünnen Stamm sehr ausufernde Ästchen entwickelt hat, die zudem noch nicht einmal blühten. Es stand immer wieder die Frage im Raum, ob man sie nicht besser rausreißen sollte.

Als ich letzte Woche von einer Fortbildung zurückgekommen bin, hatte sich die Situation auf einmal verändert: Die Pflanze war zur Faszination geworden. Immer in den Morgenstunden entwickelt sie seitdem blaue sternförmige Blüten, die von vielen Insekten besucht werden. Und schon vor der Mittagszeit schließen sich die Blüten wieder und verschwinden.

Ein Glück, dass wir die Pflanze nicht rausgerissen haben!

Sie stellt mich jeden Morgen neu vor die Frage: Wofür lohnt es sich zu leben? Gerade mal ein paar Stunden zu blühen, ist ja nicht wirklich lohnend, oder? Andererseits würden das die Insekten wohl anders sehen … Woher nimmt sie immer aufs Neue die Energie zum Blühen? Wofür bin ich bereit zu investieren, auch wenn es scheinbar nicht sinnvoll ist?

Darüber hinaus hat mir die Pflanze mal wieder gezeigt: Es macht Sinn, den Dingen Zeit zu geben und zu lassen. Und den Menschen auch. Es ist so schnell festgeschrieben und festgelegt. Und es sind damit so viele Chancen verbaut.

Ich danke dir, Gott, für diese Pflanze. Ich danke dir für ihre Botschaft. Ich danke dir, dass auch ich Zeit habe, mich jeden Tag neu zu entwickeln, neu zu blühen und Altes abzuwerfen. Ich danke dir, dass ich darauf vertrauen kann, dass du mit mir bist. Amen.

(Pastoralreferentin Janina Adler)