Unverständliche Bilder
Würden Sie sich ein Bild in die Wohnung hängen, auf dem ein Schäfer ein Lamm, dass sich verlaufen hat, zurück zur Herde bringt? Oder würden Sie das Bild von einem frisch geschlachteten Lamm bevorzugen?
Würde Ihnen das Bild einer glücklichen jungen Mutter, die ihr Baby im Arm hält, gefallen, oder würden Sie ein Bild aufhängen von einer schon etwas älteren Mutter, die sich verzweifelt und voller Schmerz über ihren toten Sohn beugt?
Wir finden diese Bilder in unseren Kirchen und in unserem Gottesdienst. Ganz zu schweigen von den 14 Bildern, die in unseren Kirchen hängen und die, mal mehr, mal weniger blutrünstig, die Leidensgeschichte eines Mannes zeigen. Eine Geschichte von Verrat, Hass, Folter und einem grausamen Sterben. Und im Zentrum steht, so dass alle es sehen, das Kreuz, an dem der Sterbende hängt, gefoltert, blutend, leidend.
Und dieses Kreuz finden wir nicht nur in der Kirche, wir finden es auch in unseren Wohnorten, wir finden es, wenn wir spazieren gehen, in der Landschaft, auf Berggipfeln, an Wegkreuzungen und natürlich bei vielen von uns zuhause.
Sie und ich, wir sind mit diesen Bildern aufgewachsen, wir verstehen diese Bilder, wir verstehen ihre Botschaft. Für uns transportieren diese Bilder Aussagen über unseren Glauben. Für uns sind es Bilder der Hoffnung:
„Christus, du Lamm Gottes“, „Hingegeben für unsere Sünden“, „O Haupt voll Blut und Wunden“, „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir“.
Vor dem Pfarrhaus in Klein-Winternheim steht ein großes Steinkreuz mit der Abbildung des gekreuzigten Jesus. Vor einiger Zeit, als ich ins Pfarrbüro ging, lief dort ein kleiner Junge vorbei, er war gerade dabei, laufen zu lernen, er blieb stehen und guckte lange auf das Kreuz. „Ist der tot“? fragte er seine Begleiterin, vielleicht seine Mutter. Die Frau guckte nur kurz auf das Kreuz und lief wortlos weiter. Auch meine Bemerkung „Er ist tot, aber er ist wieder auferstanden“ führte zu nichts, es entstand leider kein Gespräch daraus, weder mit der Frau noch mit dem kleinen Kind.
Statistisch sind wir Christen in der Minderheit in unserer Gesellschaft, die Hälfte der Kinder in unseren Schulen besucht keinen Religionsunterricht mehr. Viele unserer Bilder werden nicht mehr verstanden, denn viele unserer Bilder zeigen Schreckliches, Grausamkeit, Tod. Die Bilder werden ignoriert. Denn die Auflösung fehlt. Wer die Bilder nicht versteht, wer die Botschaft, die dahintersteht, nicht kennt, dem fehlt die Erlösung von dem Schrecken und so schaut man lieber weg.
Ist es ein Zufall, dass alle Weihnachten lieben, dass es solch ein großes Fest ist, kommerzialisiert ohne Ende, aber mit dem allgegenwärtigen Bild einer glücklichen jungen Mutter mit ihrem Baby? Das kennen alle, das verstehen alle: Geboren wurden wir alle, Geburtstag ist schön, und das feiern wir jedes Jahr wieder.
Ostern hingegen ist abstrakt: Auferstehung – wer kann sich so was denn vorstellen? Und wenn wir den Karfreitag hinzunehmen, wird es noch schlimmer: ein gefolterter, gequälter, getöteter Mensch – wer will denn so etwas sehen? Und doch ist das Ostergeschehen das Zentrum unseres Glaubens, ist Ostern für uns Christen das höchste Fest. Aber wohl nur für uns Christen.
Wir können unsere Bilder nicht ändern, das Kruzifix und die Pieta gehören zu unserem Glauben und zu unserer Kultur, zur christlichen Kultur.
Aber wir dürfen das Verständnis dieser Bilder nicht mehr voraussetzen, wir müssen bereit sein, zu erklären, was der tote Mann am Kreuz und die weinende Frau mit dem Leichnam auf dem Schoß bedeuten.
Denn wir haben eine frohe Botschaft von einem liebenden Gott, der für alle das Leben will – und der den Schrecken des Todes überwunden hat.
Gabriele Krämer-Kost
Gemeindereferentin
+++ Redaktionsschluss Osterpfarrbrief +++
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