für die Zeit vom 10.10. - 28.11.2021

Pfarrbrief Nr. 8 / 2021

Liebe Gemeinde,

neulich habe ich in meiner Schreibtischschublade etwas gesucht – und dabei fand ich ein kleines buntes Bändchen mit den Buchstaben W W J D. Ich weiß nicht mehr, woher ich dieses Bändchen habe, es hat einen Verschluss, es ist ein Armband, ähnlich wie die Armbänder, die viele Jugendliche tragen, wenn sie an einem Festival teilgenommen haben. Ein buntes Bändchen mit der Aufschrift WWJD. Was bedeutet das? Es ist die Abkürzung für: What would Jesus do? Was würde Jesus tun?

Seitdem ich dieses Bändchen in meiner Schreibtischschublade gefunden habe, geht mir diese Frage nicht mehr aus dem Kopf.
Was würde Jesus tun? Was würde er tun, wie würde er sich entscheiden in den vielen Situationen, in den vielen Momenten im Laufe eines Tages, einer Woche, eines Lebens? Was würde Jesus tun, wäre er in der Situation, in der ich gerade bin? Wie würde Jesus entscheiden? What would Jesus do?

Ich finde die Frage wichtig. Und überhaupt finde ich, Fragen zu stellen ist der Zugang zur Welt! Wenn ich eine Frage stelle, bedeutet das, dass ich mir über etwas Gedanken gemacht habe. Dass ich etwas nicht weiß, es mir aber nicht gleichgültig ist, sondern ich es wissen möchte. Dass ich eine Situation sehe, mit der ich nicht einverstanden bin. Dass ich eine Situation sehe und nicht verstehe, aber dass ich mir darüber Gedanken machen, sie verstehen möchte. Deshalb sind Fragen wichtig.

Auch in der Schule, der KiTa und in der Erstkommunionvorbereitung ermuntere ich die Kinder immer, Fragen zu stellen. Denn die Kinder machen sich sehr viele Gedanken zu allem, was sie so mitbekommen im Alltag, aus Gesprächen, aus dem Fernsehen, aus dem Internet, und damit dürfen wir sie nicht allein lassen. Die Kinder müssen uns fragen: Zur Welt, zum Leben, zu den verschiedenen Religionen, zu Gott, zum Glauben, zur Kirche, zur Unendlichkeit, und sie fragen, warum Menschen sterben müssen.

Mir ist es wichtig, dass die Kinder Fragen stellen, zu allem, was ihnen an Fragen einfällt. Sie sollen und dürfen fragen. Sie und ich können bei Weitem nicht alle Fragen beantworten. Das sage ich den Kindern auch. Manche der Fragen kann kein Mensch beantworten. Aber umso wichtiger ist es, die Fragen zu stellen, nachzudenken, sich über die Gedanken, die wir uns machen, auszutauschen, voneinander zu lernen. Wer fragt, ist nicht unwissend. Wer fragt, ist wissbegierig, neugierig, interessiert an der Welt, in der sie/er lebt.

Und - wer hat schon auf alles eine Antwort? Wenn wir sofort eine Erklärung, eine Antwort bekommen, haben sich unsere Fragen dann wirklich umfassend erledigt? Sind wir dann sicher, dass unsere Fragen wirklich verstanden wurden?

Fragen aller Art, sie zeigen den Weg. Sie geben die Richtung vor, in der wir nachdenken, suchen, forschen, uns austauschen müssen. Manchmal kann es auch ein Weg in die falsche Richtung sein, dann müssen neue Fragen gestellt werden. Und alle Fragen dürfen wir mitnehmen ins Gebet. Wir dürfen alle unsere Fragen auch Jesus stellen. Manchmal ist eine Richtungsänderung notwendig, dann ergeben sich neue Fragen. Und neue Gebete.

What would Jesus do? Was würde Jesus tun? Das ist eine Frage, die wir nicht mit Sicherheit beantworten können. Aus den Evangelien und aus den Briefen seiner Gefährten und Anhänger wissen wir einiges von Jesus. Wir wissen, was ihm wichtig war. Was er gepredigt hat. Was er getan hat, damals, vor 2000 Jahren in Palästina. Aber wie er in einer konkreten Situation heute handeln würde – können wir das wirklich wissen?

What would Jesus do? Was würde Jesus tun angesichts der vielen sozial benachteiligten Menschen, der vielen Flüchtlinge, auch hier bei uns in Rheinhessen. Was würde Jesus tun angesichts dessen, dass das Klima und damit die Welt, in der wir Menschen leben, in der unsere Kinder und deren Kinder leben und auch in Zukunft leben sollen, immer weiter beeinträchtigt und zerstört wird? Was würde Jesus tun angesichts der tiefen Gräben, die sich bei uns inzwischen auftun zwischen Geimpften und Ungeimpften? Das sind nur drei von sehr vielen anstehenden Fragen, mit denen wir alle uns beschäftigen müssen.

Ich kann Ihnen auf all die drängenden Fragen unserer Zeit keine schnellen Antworten geben, ich denke darüber nach, wir können darüber sprechen und uns austauschen und ich nehme alle Fragen mit ins Gebet. Vielleicht können wir uns nur so einer Antwort nähern, wenn wir immer wieder fragen: What would Jesus do? Was würde Jesus tun?

Ihre

Gabriele Krämer-Kost