Schmuckband Kreuzgang

Das Wort zum Sonntag

"Selig sind, die nicht sehen und doch glauben"- Text: Joh 20, 19-31

Pfarrer Karl Zirmer (c) Markus Schenk, Büttelborn
Pfarrer Karl Zirmer
Datum:
Fr. 25. Apr. 2025
Von:
Pfarrer Karl Zirmer

Der Sonntag nach Ostern wurde schon in der Alten Kirche „Weißer Sonntag“ genannt. In den täglichen Messfeiern der Osteroktav wurden die Christen, die in der Osternacht nicht nur getauft und gefirmt wurden, sondern auch zur Erstkommunion gingen, tiefer in die Bedeutung der Sakramente für ihr Leben eingeführt. Während dieser acht Tage trugen sie ihre weißen Taufkleider, um öffentlich ihr Christsein zu bezeugen. So hieß die Osteroktav Weiße Woche und der Sonntag nach Ostern Weißer Sonntag. In vielen Gemeinden findet am Weißen Sonntag die Feier der Erstkommunion statt. 

Heute ist auch der Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit, den Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren auf den Sonntag nach Ostern festgelegt hat. Die Barmherzigkeit Gottes war auch das große Thema von Papst Franziskus, der gestern in Rom beigesetzt wurde. 

Das Evangelium ist an diesem Sonntag in allen drei Lesejahren das gleiche. Es erzählt vom „ungläubigem“ Thomas. Unter den Apostel ist er der Zweifler, der Skeptiker. Als Jesus nach seiner Auferstehung am ersten Tag der Woche seinen Jüngern erscheint, ist Thomas nicht dabei. Und als sie später ihm von dieser Erscheinung erzählten, glaubt er ihnen nicht. Er will sehen, betasten, im wörtlichen be-greifen: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25b). 

Wie reagiert Jesus auf diese Forderung? Jesus kommt Thomas im wahrsten Sinne des Wortes entgegen. Er erscheint den Jüngern noch einmal. Nach dem er die Jünger begrüßt hat mit den Worten „Der Friede sei mit euch“, wendet er sich Thomas direkt zu und sagt zu ihm: „Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite.“ Jesus macht hier wahr, was er im Bild des guten Hirten von sich gesagt hat: dass er jedem nachgeht. Wohl auch, dass er jeden kennt, auch Thomas. Dieser ist dann von der Nähe Jesu so überwältigt, dass er die Berührungen, die er vorher gefordert, gar nicht mehr braucht. Er bekennt nur noch: „Mein Herr und mein Gott!“  

Thomas findet zum Glauben, weil er bei seinen Fragen und Zweifeln nicht stehenbleibt. Er ist offen für neue Erfahrungen. Er beharrt nicht auf der Position, der er einmal eingenommen hat. Er ist ein Mensch, der offen ist für neue Erkenntnisse und der bei allen Schwierigkeiten die Möglichkeit nicht ausschließt, es könnte doch etwas geben, was sein Verstehen übersteigt. Es könnte etwas geben, was er bisher noch nicht erfahren hat. So zieht er sich nicht von den übrigen Jüngern zurück, sondern kommt „acht Tage darauf“ wieder zur Versammlung der Jünger. Thomas ist ein Suchender und Fragender. Seine Zweifel sind aber keine unüberwindliche Barriere, sondern lassen die Möglichkeit einer neuen Erfahrung zu. 

Für uns heißt das: Die Wirklichkeit in uns, um uns und über uns ist viel größer als das, was wir bisher von ihr erfahren haben. Gott hält für uns Möglichkeiten bereit, die wir noch nicht kennen. Das soll uns vorsichtig im Urteilen und offen für neue Erfahrungen machen. 

Der Glaube ist ein Geschenk. Wenn wir glauben können, sollen wir dafür dankbar sein. Denn dass wir glauben können, ist nicht selbstverständlich. Wenn wir Probleme und Schwierigkeiten mit dem Glauben haben, brauchen wir nicht zu verzagen. Es gibt ein Gebet, das man unter allen Umständen beten kann: „Herr, ich möchte glauben! Hilf meinem Unglauben!“ Wenn wir offen sind für neue Erkenntnisse, für neue Erfahrungen, dürfen wir hoffen, dass uns eines Tages auch das Geschenk des Glaubens zuteilwird. 

Letzte Gewissheit gibt es im Glauben nicht. Er ist und bleibt auch ein Wagnis. Aber es lohnt sich, dieses Wagnis einzugehen. Thomas und die anderen Apostel und Jünger finden von der Skepsis zu neuem Vertrauen, von der Resignation zu neuer Hoffnung. Lasen wir uns von ihrem Beispiel anstecken. Wagen wir den Sprung des Glaubens über die Gräben des Zweifels und der Unsicherheit hinweg. Wagen wir den Glauben an Christus, den Auferstandenen. Wagen wir den Glauben, der Hoffnung und Zuversicht schenkt, gerade auch in Not und Leid. Wagen wir den Glauben, der uns hilft, das Gute zu tun, auch dann, wenn es schwerfällt. Wagen wir den Glauben, der uns befähigt, bessere Menschen zu werden und so den Beweis seiner Richtigkeit in sich selbst trägt. 

Nach den Worten des großen Theologen Karl Rahner ist der Glaube ein “Sich- Fallen-Lassen in die Unbegreiflichkeit Gottes“. Wir können uns gelassen in die Hände des unbegreiflichen Gottes fallen lassen, weil wir wissen, dass dieser Gott ein liebender und gütiger Vater ist. 

A m e n