Schmuckband Kreuzgang

2. Ostersonntag

2. Ostersonntag (c) Martina Bauer
2. Ostersonntag
Datum:
Sa. 10. Apr. 2021
Von:
Martina Bauer

Reform beginnt mit dem Glauben an den Auferstandenen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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  1. Ostersonntag, LJ B (2021) zu: Apg 4, 32-35

(VAM und Dom)                                                                                                     Joh 20, 19-31

 

Reform beginnt mit dem Glauben an den Auferstandenen

 

  1. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn.“ So berichtet heute in der Lesung die Apostelgeschichte von den Anfängen der christlichen Gemeinde. Täglich wuchs die Zahl, sie waren alle ein Herz und eine Seele, sorgten füreinander verkauften ihren Besitz, teilten alles miteinander. Ein fast utopisches Idyll, das, da macht uns die Bibel nichts vor, auch nicht sehr lange anhielt. Bald schon wird es auch in der frühen christlichen Gemeinde Krisen, Konflikte, Streit geben. So sind die Menschen eben. Aber diese Menschlichkeiten, die die Kirchengeschichte seither begleiten und teilweise grausam durchziehen, nehmen dem Anfang nichts von seiner Faszination. Was motiviert die ersten Christen so sehr, dass sie ihr ganzes bisheriges Leben aufgeben, alles auf eine Karte setzten, auf die Karte Jesu Christi, alles loslassen, ihr ganzes Eigentum? Ihr Leben von Grund auf verändern? Und warum hat die christliche Botschaft heute nicht mehr diese Macht, diese unglaubliche Kraft?
  2. Eine nicht mehr ganz neue Umfrage aus dem Jahr 2019 fragt nach dem Glauben der deutschen. Nur etwa 18% der Deutschen glaubt, das Jesus Christus wirklich von den Toten auferstanden ist. Und selbst unter Christen, Kirchenmitgliedern, sieht es nicht viel besser aus: gerade einmal 28% der Katholiken, nur 23 % der Protestanten glaubt an die wirkliche Auferstehung Jesu – und noch weniger an die eigene Auferstehung. Nur bei den Freikirchen sind es mit 55% noch etwas mehr als die Hälfte. Mit anderen Worten: nur etwa ein gutes Viertel derer, die sich Christen nennen, glaubt wirklich an die Auferstehung. Die meisten halten Sie für eine Art Symbol für die Hoffnung, dass nicht alles umsonst ist. Mehr eben nicht. Wenn aber der Glaube an die Auferstehung wegfällt, was bleibt dann vom Christentum? Ein bisschen Moral noch, eine Richtschnur für ein anständiges Leben. Ein bisschen Gemeinschaft, Caritas – was Gutes tun für die Armen und Helfen. Kirche als bloße Moralagentur, als Wohlfahrtsunternehmen, als Geselligkeitsverein. Aber würde ich für so etwas mein Leben komplett umkrempeln? Würde das mich so existentiell fesseln, dass ich alles, mein ganzes Leben aufgebe, um dieser Sache zu dienen?
  3. Mit dem Auferstehungsglauben verlieren wir nicht nur den eigentlichen Kern des Christentums, den Urgrund unserer Hoffnung, sondern eben auch das, was wirklich Kraft und Motivation ist für ein anderes Leben. Es ist die Kraft der Auferstehung, die die ersten Christen so sehr ergriffen hat, dass sie alles aufgegeben haben um nur noch für Christus und sein Evangelium zu leben. Für wen aber Auferstehung, Ostern, nicht mehr ist als ein Mythos, ein Ursymbol für die menschliche Sehnsucht, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist, der wird nicht einmal ansatzweise verstehen können, wie die ersten Christen alles aufgeben konnten für eine bloße Idee.
  4. Den Evangelisten war es unglaublich wichtig, deutlich zu machen, dass Auferstehung gerade nicht ein Mythos, eine Idee ist. Nicht Fake-News, wie wir heute sagen würden, sondern Fakt, Wirklichkeit. Und sie tun das in einer Sprache, die jeder versteht. Jesus, der Auferstandene, erscheint seinen Jüngern. Er zeigt ihnen seine Hände, seine Seite, seine Wunden. Er haucht sie an: sie spüren seinen Atem. Das ist nicht eine Halluzination, das ist Wirklichkeit. Und für den Zweifler Thomas, vielleicht müssten wir eher sagen: den rationalen Menschen, der Auferstehung eher als Symbol verstehen, lieber an eine Erscheinung, eine Halluzination glauben will, den Patron der 72% der Katholiken, für die Auferstehung keine Realität ist, für den erscheint er eigens noch einmal: Fass mich doch an, berühre meine Wunden! Auferstehung ist zum Anfassen, ist handgreiflich, ist eben nicht bloß Symbol oder Einbildung. Deutlicher kann man es nicht machen, als wie es Jesus hier im Johannesevangelium tut: Auferstehung, so unbegreiflich sie zu sein scheint, ist im wahren Sinn des Wortes anschaulich, ja greifbar.
  5. Nun helfen diese Berichte, die ja auch Fake-News der Evangelisten sein könnten, den 72% der Katholiken, die nicht an die wirkliche Auferstehung glauben können, offensichtlich heute nicht. Heute erscheint Jesus nicht so, wie dem Thomas, wie den Aposteln; wir können ihn nicht anfassen, seine Wunden berühren. Aber auch damals war es nicht dieses Anfassen, das zum Glauben führte. Glaube geschieht anders herum. Wir müssen uns berühren lassen vom Auferstandenen. Interessanter Weise berichtet das Evangelium nicht, ob Thomas Jesus wirklich angefasst hat, ob er seinen Finger wirklich in seine Seitenwunde gelegt hat. Das bleibt geheimnisvoll nebulös. Was wir aber erfahren, ist, dass Thomas selbst in diesem Augenblick vom Auferstandenen, vom Osterglauben wie schlagartig ergriffen, berührt, im Innersten getroffen wird: „Mein Herr und mein Gott!“ ruft er aus. Ein tiefes, existentielles Glaubensbekenntnis. In diesem Augenblick ändert sich für ihn alles.
  6. Das ist der Knackpunkt: dass wir uns vom Auferstandenen berühren lassen, existentiell berühren lassen. Der Glaube an die Auferstehung ist der Kern; wer vom Auferstandenen berührt, ergriffen ist, für den ändert sich alles. Schlagartig. Das ist es, was der Urgemeinde diese Kraft, diese faszinierende Radikalität gab: „Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung!“ Weil sie selbst ergriffen waren, weil der Auferstandene in ihnen lebte, deshalb konnten durch sie auch andere so ergriffen, so tief berührt werden.
  7. Und genau das ist es, was uns heute fehlt. Wenn von denen, die sich Christen nennen, nur gerade mal ein Viertel überhaupt noch an die Auferstehung glauben, wie soll dieser Glaube dann Menschen, ja die Welt verändern? Deshalb: wenn es heute radikal um eine Reform der Kirche geht, dann ist der Ansatzpunkt nicht die Aufarbeitung der Skandale der Kirche, so wichtig diese Aufarbeitung ist; und es sind auch nicht die Fragen und Diskussionen um Gleichberechtigung in der Kirche, um Zugang zu den Weiheämtern, um Macht und Synodalität in der Kirche, um Segnung gleichgeschlechtlicher, so wichtig diese Diskussionen alle sind. Und ja: Diese Diskussionen sind wichtig, das möchte ich überhaupt nicht in Frage stellen. Ob aber Kirche wieder Relevanz bekommt in dieser Welt, ob die Frohe Botschaft wieder eine Kraft wird, die Menschen verändert, die die Welt verändert, das entschiedet sich nicht an all diesen Diskussionen, sondern zuerst und vor allem an Ostern. Daran, ob wir an die Auferstehung glauben. Ob wir uns von Christus, dem wahrhaft Auferstandenen berühren, im Innersten ergreifen lassen, so wie die Apostel sich berühren ließen. Und ob wir dann wie die Apostel von diesem Glauben „mit großer Kraft“ Zeugnis ablegen und damit Menschen anstecken, berühren, begeistern können. Die Reform der Kirche beginnt mit dem Glauben an die Auferstehung, mit dem Berührt werden durch den Auferstandenen.
  8. In der kommenden Woche jährt sich der Auftritt Martins Luthers hier in Worms zum 500. Mal – vielleicht das entscheidende Ereignis der Reformation. All die vielen Missstände damals, von Luther zusammengefasst und aufgelistet in den 95 Thesen, lassen sich zusammenfassen in dem einen Grundanliegen des Reformators, dass alles aus dem Weg geräumt werden muss, was den Menschen den Zugang zu Jesus Christus verstellt. „Solus Christus“ – Christus allein ist es, der alles ändert und neu macht. Soll die Kirche wieder neu Kraft bekommen, dann wird das nur gelingen, wenn wir im Innersten berührt sind von Christus, dem lebendigen Herrn, und erfüllt vom Glauben, das er wirklich lebt! Und nicht bloß als Idee.