Schmuckband Kreuzgang

Christmette

Krippe (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Krippe
Datum:
Do. 24. Dez. 2020
Von:
Martina Bauer

aus dem Wormser Dom

 

 

 

 

 

 

CHRISTMETTE 2020                                                                   zu: Jes 9, 1-11 und Lk 2, 1-14

Weihnachten bringt die Wende

  1. Der Lockdown soll die Wende bringen, die Welle brechen. Ein harter Lockdown mit massiven Kontaktbeschränkungen, auch über Weihnachten. Maximal 5 Personen, engster Familienkreis, höchstens aus zwei Haushalten. Und das ist schon die Lockerung, die für Weihnachten gestattet ist, ansonsten gilt: möglichst keine Kontakte. Abstand, Mundschutz. Auch hier im Gottesdienst. 80 (30) Teilnehmer sind zur Christmette zugelassen, wo sonst an die 1000 zusammenkamen. Der Lockdown soll die Wende bringen, damit es dann endlich wieder aufwärts geht. Hoffentlich gelingt es.
  2. Nun ist Corona nur eines der Probleme, an denen unsere Welt krankt. Natürlich: die Pandemie hat scheinbar alle anderen Probleme aus der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt, alles andere scheinbar völlig überlagert. Aber auch in Corona-Zeiten ertrinken im Mittelmeer Flüchtlinge, auch in diese Heiligen Nacht fristen Hundertausende Flüchtlinge ihr Leben in den zahllosen Flüchtlingslagern unter teils schlimmsten Bedingungen: im Libanon, auf Lesbos. Auch im Corona-Jahr schreitet die Abholzung und Brandrodung der Regenwälder ungehindert voran; da die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit weg ist noch viel dramatischer als zuvor. Der Klimawandel bedroht vor allem die ärmsten Länder. 700 Millionen Menschen in der Welt hungern, tausendfach sterben und verhungern Kinder im Sudan, in Somalia, in Burundi, im Tschad und anderswo. Kein schönes Thema für Weihnachten und für die Heilige Nacht, zugegeben. Aber so ist die Welt nun einmal, die Welt, in die hinein Gottes Sohn geboren wird.
  3. Wie der Lockdown angesichts der Corona-Lage, so soll Weihnachten, recht verstanden, die Wende bringen für die schlimmen Zustände der Welt. Denn das ist es, was die Propheten von alters her verheißen haben: der Messias kommt in die Welt als der Retter, der Erlöser; der, der die geschunden Welt heil macht. Alle Jahre feiern wir so Weihnachten, in der Hoffnung, dass sich etwas ändert, das es besser wird in der Welt. Ist also das Projekt Weihnachten, Gottes großes Projekt zur Rettung der Welt, gescheitert? So wie der versuchte „Lockdown light“ im November gescheitert ist?
  4. Nein, ich glaube fest: Weihnachten bringt die Wende, Weihnachten birgt in sich die Kraft, die Welt zu verwandeln, zu verändern, von Grund auf. Natürlich: Gott kommt nicht wie Superman, der, was wir Menschen seit Jahrtausenden nicht auf die Reihe bekommen nun endlich richtet. Er kommt ganz anders als von den Menschen erwartet. Nicht der große Held, der die Sache in die Hand nimmt; sondern als kleines, ohnmächtiges Kind. Nicht in einem Palast, sondern in einem armen, zugigen Stall. Nicht von allen bejubelt und gefeiert, sondern arm, obdachlos, abgewiesen, ohne Bleibe. Und doch, das ist unser Glaube: dieses Kind, dass da auf einer Handvoll Stroh in einem Stall zur Welt kommt, ist die Hoffnung auf eine bessere Welt: „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf!“ Denn in diesem Kind kommt Gott selbst in die Welt. Gott kommt dort zur Welt, wo die Nacht am dunkelsten ist, die Verzweiflung am größten. Und er kommt, um etwas zu ändern, um endlich die Wende zu bringen.
  5. Gott kommt als der Immanuel, der Gott mit uns. Er kommt als Mensch, um uns in Dunkelheit und schwierigen Situationen zur Seite zu stehen. Er geht mit uns, als Mensch unter Menschen. Er leidet mit uns, freut sich mit uns, sorgt sich mit uns, ist einfach da. Nun ändert das allein noch nichts und kann das Ruder in der Welt nicht herumreißen. Aber Gott zeigt uns auf diese Weise, was wir tun können, damit sich etwas ändert.
  6. Christ der Retter ist da!“, das ist die zentrale Botschaft der Heiligen Nacht. Wir feiern in dieser Nacht die Ankunft des Erlösers, des Retters. Einer, der kommt, um die Welt zu retten: wie schön wäre es, wenn Weihnachten die Wende bringt, wenn es ab jetzt wieder aufwärts ginge, alles gut wird. Aber jeder weiß: auch morgen wird noch Corona sein. Der Lockdown geht bis mindestens 10. Januar; die Einschränkungen durch das Virus werden uns noch viele Monate begleiten, auch wenn hoffentlich bald das große Impfen beginnt. Weihnachten bedeutet nicht: Gott kommt in die Welt und alles ist mit einem Schlag gut - Corona und alle anderen Probleme. Auch nach den Feiertagen werden weiter Menschen auf den Flüchtlingsschiffen ertrinken, werden weiter Kriege geführt, geht das Abholzen der Regenwälder weiter und schreitet der Klimawandel weiter voran.
  7. Trotzdem bin ich der Meinung, dass Weihnachten, wenn wir es richtig feiern, die Wende bringen kann. Aber wie feiern wir Weihnachten so, dass es wirklich fundamental etwas ändert in der Welt? Es hängt sicher nicht davon ab, mit wie vielen Menschen wir Weihnachten zusammen feiern dürfen; oder ob wir noch rechtzeitig vor dem Lockdown unsere Geschenke besorgt hatten. Weihnachten hängt – Gott sei Dank – auch nicht davon ab, ob es gelungen ist, noch einen Platz in der Christmette oder im Weihnachtshochamt zu ergattern. Weihnachten will die Welt verändern! Und zwar von Grund auf. Ja, dieses Kind in der Krippe ist der Retter, der Messias, der die Wende bringen kann. Seit Weihnachten, seit jenem ersten Weihnachten vor 2000 Jahren wirbt Gott jeden Tag neu um uns Menschen, bittet, dass wir ihm einen Platz geben in unserer Welt, in unserem Leben. Er will ein Teil unseres Lebens sein! Ob Weihnachten etwas ändert, hängt entscheidend davon ab, ob wir Weihnachten, ob wir Gott an uns heranlassen, in unser Herz lassen.
  8. Der Lockdown verlangt, um die Wende zu bringen, Abstand; Kontakte reduzieren und vermeiden; „social distancing“, wie das heute so schön heißt. Gottes Weg zur Rettung der Welt geht genau umgekehrt: er sucht die Beziehung zum Menschen; er will uns begegnen, als Mensch, auf Augenhöhe. Um es auf den Punkt zu bringen: Weihnachten ist das Fest der Begegnung zwischen Gott und dem Menschen, zwischen Himmel und Erde; das Fest der Liebe. Denn das ist es, was diese Welt wirklich im Innersten zusammen hält: die Liebe, mit der Gott sich um uns Menschen sorgt und die uns in diesem Kind in der Krippe begegnet. „Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget. Sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget. Gott wird ein Kind, hebet und träget die Sünd!“ heißt es in einem Weihnachtslied. Gottes Weg zur Rettung der Welt ist die Liebe, die uns in diesem Kind anstrahlt! Wenn Gott Mensch geworden ist, dann bedeutet das, dass er uns mit menschlichem Antlitz begegnet. Er begegnet uns in den Menschen, die unsere Liebe, unsere Fürsorge, unsere Zuwendung und Hilfe brauchen. Er begegnet uns in unseren Familienangehörigen, Freunden, Berufskollegen, aber auch in den Menschen, mit denen wir uns vielleicht schwer tun, die uns verletzt haben, mit denen wir zerstritten sind, die uns Unrecht getan haben. Er begegnet uns dort, wo es auch in unserem Herzen dunkel ist: in unserer Ängsten, unserer Einsamkeit und Trauer, unserer Sorge um unsere eigene Gesundheit, und die der Menschen, die wir lieben.
  9. Hier entscheidet sich, ob Weihnachten die Wende bringt: in der Liebe, die uns in diesem Kind in der Krippe aufscheint; und ob wir diese Liebe an uns heranlassen, in unser Herz lassen, uns verändern, verwandeln lassen und ob wir diese Liebe wie ein Licht weitertragen zu den Menschen, in die Dunkelheit der Welt hinein, damit sich die Welt verwandeln kann. Weihnachten kann radikal die Wende bringen – wenn wir nur den Gott, der heute geboren wurde, in unser Herz lassen.

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