Schmuckband Kreuzgang

Gedenkgottesdienst 75 Jahre Stadtzerstörung

Bombennacht 2020 (4) (c) PG Dom St. Peter und St. Martin / Martina Bauer
Bombennacht 2020 (4)
Datum:
Fr. 21. Feb. 2020
Von:
Martina Bauer

Aus der Ansprache von Propst Schäfer:

Liebe Schwestern und Brüder!

Am 21. Februar 1945, irgendwann nach 19:00 Uhr, heulten die Sirenen; gegen 20 Uhr erreichte ein Geschwader britischer Bomber die Stadt Worms; innerhalb weniger Minuten versanken 2/3 der Innenstadt in Schutt und Asche. 239 Menschen, darunter viele Kinder, fanden den Tod; am 18. März vollendeten amerikanische Bomber das Zerstörungswerk.

Wir sind heute hier zusammen gekommen, um der Ereignisse vor 75 Jahren zu gedenken: der Zerstörung, des unermesslichen Leids, der Toten. Die Kerzen, die hier brennen, entzündet von unter anderem von Damen und Herren der Wormser Pax Christi –Gruppe, erinnern an die 239 Toten. Was damals geschehen ist, können und dürfen wir nicht dem Vergessen anheimfallen lassen! Der verheerende Bombenangriff hat Wunden und Narben hinterlassen, die im Stadtbild von Worms auch nach 75 Jahren noch sichtbar sind:, vor allem aber in den Herzen der Menschen, die das Inferno damals erlebt und überlebt haben; im Herzen der Menschen, die in jener Nacht Angehörige verloren haben.

Zum Gedenken gehört auch, dass wir uns bewusst machen, dass die Ereignisse jener Nacht nicht für sich allein stehen. Sie stehen untrennbar verbunden in einer Reihe von Schuld, Versagen und Unrecht, das lange vor dem 21. Februar 1945  begann – die ersten Häuser in Worms, die brannten und zerstört wurden, das waren 1938 die jüdische Synagoge  und jüdische Geschäftshäuser; die ersten Städte, die brannten, waren die von deutschen Bombern 1940/41 dem Erdboden gleichgemachte englische Stadt Coventry, das waren London, Warschau und andere Städte. Dieser von Deutschland ausgehende Brand erfasste am Ende schließlich auch die deutschen Städte: Dresden, Hamburg, Frankfurt, Kassel, Mainz und Worms.

Was besonders betroffen macht: der Ungeist, der damals in die Katastrophe führte, ist auch heute noch und wieder neu lebendig: was in diesen Tagen in Hanau passiert ist, macht sprachlos. Es ist derselbe blinde Hass und wirre Fanatismus, dieselbe Ideologie – als ob die Menschen einfach nichts aus der Vergangenheit lernen. Deshalb brennen neben den Kerzen für die 239 Wormser Bombenopfer vor 75 Jahren heute hier auch Kerzen für die 11 Opfer von Hanau.

Wenn wir der Ereignisse in dieser für unsere Stadt so verheerenden Nacht heute vor 75 Jahren gedenken, dann geht das nicht ohne das Bekenntnis, dass auch das Versagen unserer Väter und Vorväter in die Katastrophe geführt hat; es geht nicht ohne das Bekenntnis, dass auch unser Versagen heute Mitschuld ist an den Kriegen und der Gewalt in unseren Tagen, Mitschuld daran, dass auch in dieser Nacht Menschen etwa in Syrien vor Bomben und Raketen zittern müssen. Menschen jüdischen Glaubens sich in ihren Synagogen bedroht fühlen. Unschuldige Opfer in Hanau sterben. Unser Gedenken bliebe unglaubwürdig und unwirksam, wenn es nicht auch das Bekenntnis unseres Versagens, unserer Schuld, wenn es nicht auch unsere Bereitschaft zur Umkehr mit einschließen würde.

In der im November 1940 von deutschen Bombern zerstörten Kathedrale von Coventry wurde wenig später eine Inschrift angebracht, nur zwei Worte: „Father forgive“.

In der im November 1940 von deutschen Bombern zerstörten Kathedrale von Coventry wurde wenig später eine Inschrift angebracht, nur zwei Worte: „Father forgive“.

 

Mit diesen Worten, aus denen später eine Bußlitanei wurde, mit dem Bußgebet von Coventry, wollen wir gemeinsam vor Gott um Vergebung bitten:

(Wir antworten jeweils: „Vater, vergib!“)

 

BUSSGEBET / VERSÖHNUNGSGEBET VON COVENTRY

Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. (Römer 3, 23)

So beten wir:

Vater, vergib.

 

Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,

Vater, vergib.

 

Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist,

Vater, vergib.

 

Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,

Vater, vergib.

 

Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen,

Vater, vergib.

 

Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,

Vater, vergib.

 

Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,

Vater, vergib.

 

Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,

Vater, vergib.

 

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4, 32)

 

Bombennacht 2020 (6) (c) PG Dom St. Peter und St. Martin / Martina Bauer
Bombennacht 2020 (6)

Gütiger Gott,

wir gedenken in dieser Nacht der Zerstörung vor 75. Jahren. Wir gedenken der Opfer, die im Bombenhagel ihr Leben verloren.

Wir bitten dich: Rühre du die Herzen der Menschen an und gib uns Gedanken des Friedens und der Versöhnung. Erfülle die Menschen mit Ehrfurcht vor dem Leben eines jeden Einzelnen, vor dem Leben aller Völker, Religionen und Nationen.

Gib, dass der Wille zum Frieden den Hass überwindet und Rache der Versöhnung weicht. Lass die Menschen erfahren, dass sie alle deine Kinder sind, Schwestern und Brüder, denen du deine Liebe schenkst. Und lass uns selbst in dieser Liebe leben.

Gütiger Gott, mach uns und alle Menschen zum Werkzeug deines Friedens.

Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn.

 

(vgl. Friedensgebet der Mönche des Europaklosters Gut Aisch)

 

Bombennacht 2020 (21) (c) PG Dom St. Peter und St. Martin / Martina Bauer
Bombennacht 2020 (21)

Segen

Gott unser Herr.

Segne die Menschen,

die damals vor 75 Jahren die Schrecken der Zerstörung,

den Krieg mit al seinem Elend und die schwere Zeit danach

erlebt haben, und die noch heute darunter leiden,

die Verletzungen davon getragen haben an Leib und Seele,

bis in die nachfolgenden Generationen hinein.

 

Segne alle Menschen, die damals schweres Unrecht,

Verfolgung, Leid und Mord erlitten haben

in unserem Volk und durch unser Volk.

Segne auch die Menschen, die heute, in unseren Tagen

Krieg und Zerstörung, Terror und Fanatismus,

Vertreibung und Heimatlosigkeit erleiden müssen

und die Angst haben und sich fragen,

ob ihre Kinder und Kinderkinder eine gute Zukunft erleben dürfen.

 

Segne alle, die sich für Frieden, Gerechtigkeit

und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen,

die Versöhnung schaffen, Menschenrechte einfordern,

Fanatismus und rechter Gewalt die Stirn bieten,

und ihre Stimme erheben für alle, die schwach und wehrlos sind

und keine Stimme haben.

 

Segne unsere Stadt,

alle Menschen, die hier zusammen leben,

unterschiedlich in ihren Kulturen, ihrem Denken und ihrem Glauben,

und doch vereint in der Sehnsucht nach Frieden und Glück.

 

So segne euch alle

der gnädige und barmherzige Gott:

Der Vater + der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

 

Gehet hin in Frieden.

 

Mitwirkende:

         Orgel Dom:                         Dan Zerfaß

         Orgel Dreifaltigkeit:           Ellen Drolshagen

         Chor:                                  Bachchor Worms, Ltg. E. Drolshagen

         Liturgen:                            Dekan Storch, Propst Schäfer

         Mitwirkende Zelebranten:  Pfr. Herbert, Pfr. Fey, Pfr. Wagner

         Lektor*innen

 

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