Schmuckband Kreuzgang

Unsere Weihnachtskrippe

...und die Predigt vom Weihnachtshochamt von Propst Tobias Schäfer 

Weihnachtskrippe 2019 (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Weihnachtskrippe 2019
Datum:
Mi. 25. Dez. 2019
Von:
Martina Bauer

WEIHNACHTSHOCHAMT LJ A                                                                             25.12.2019

(Dom, 10:00 und 11:30 Uhr)                                                       zu: Jes 52, 7-10 und Joh 1, 1-18

Was ist anders?

  1. Was ist heute anders als gestern? Was ist bei ihnen heute anders als gestern? – Seltsame Frage, werden die meisten jetzt wahrscheinlich denken. Was soll denn schon groß anders sein. Das Leben geht weiter, sagen wir. Alles geht seinen Gang. Schönes Fest gehabt. Hoffe ich jedenfalls, dass Sie alle das sagen können. Vielleicht gab’s hier und da unterm Weihnachtsbaum auch mal etwas Stress, aber das kennt man ja, das gehört auch fast schon dazu. Aber sonst: alles normal. Was soll schon groß anders sein. Alle Jahre wieder eben. Jetzt noch die Feiertage, heute vielleicht die Familie, Besuche, wie das eben so üblich ist, und dann kann man nach den Feiertagen wieder zur Tagesordnung übergehen. Ja, das Leben geht weiter.
  2. Eigentlich schade. Denn wenn wir wirklich, richtig Weihnachten feiern würden, wenn wir wirklich und im tiefsten Herzen begreifen, was Weihnachten ist, dann müsste heute Morgen alles anders sein. Buchstäblich alles, die ganze Welt steht Kopf! Denn meine Güte: Heute Nacht wurde Gott geboren! Als Mensch in dieser Welt geboren. Gott ist seit dieser Nacht mitten unter uns! Wenn das nicht alles anders macht. Alles müsste anders sein in unserem Leben.
  3. Es gibt ja solche Ereignisse, die wirklich alles anders machen. Nichts ist mehr so wie vorher! Wenn ein geliebter Mensch stirbt etwa. Es sind meistens schlimme, schreckliche Ereignisse, Schicksalsschläge, die uns das so erleben, empfinden lassen, dass mit einem Schlag nichts mehr so ist wie vorher, dass mit einem Schlag plötzlich alles anders ist. Bei positiven Ereignissen empfinden wir das nicht so häufig, nicht so radikal. Vielleicht noch, wenn Eltern erleben, dass ihnen ein Kind geboren ist, besonders beim ersten Kind. Da sagen Eltern manchmal: das hat alles verändert, mein ganzes Leben verändert.
  4. Ja, heute Nacht ist ein Kind geboren, das alles verändert hat, nicht nur für seine Eltern, sondern für die ganze Welt: Jesus Christus. Er ist, wie es der Evangelist Johannes im Prolog seines Evenagliums, diesem wunderbaren Hymnus, diesem Lobgesang meditiert: der Logos, das Wort Gottes, Gottes tiefe Weisheit. In ihm ist das Leben. Er ist das Licht, das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet. Er ist der Anfang, aus dem alles hervorgegangen ist, der Ursprung. Dieses göttliche Wort ist Fleisch geworden, ist Mensch geworden. Gott wird Mensch: alles ist anders seit diesem Augenblick. „Das helle Licht der Ewigkeit trifft unsre Dunkelheiten. Ein Augenblick der Erdenzeit wird Angelpunkt der Zeiten. Gott teilt mit uns ein Menschenlos - vom ersten Tag im Mutterschoß bis in die Nacht des Todes“, so beschreibt ein Dichter das Geheimnis dieser Nacht, die alles verändert hat.
  5. Klar, werden sie jetzt sagen, aber das ist ja schon ein Weilchen her. Klar glauben wir, wir sind ja schließlich Christen, dass damals vor 2019 Jahren in Betlehem etwas ganz Besonders passiert ist, etwas das auch irgendwie die Welt verändert hat. Aber wenn das alles ist, dann ist das Christentum nicht mehr als etwas Nostalgie und Brauchtumspflege. Wenn es nur darum geht, an etwas zu erinnern, was hunderte und tausende Jahre zurückliegt. Nein, wir feiern Weihnachten heute, weil wir glauben, dass das immer neu geschieht, seit jener Nacht in Betlehem. Dass Gott immer neu als Mensch zu uns kommt, unter uns wohnen will, die Welt verändern will. Es geht um so viel mehr als um nostalgische Erinnerung an längst Vergangenes. Es geht darum, dass Weihnachten, dieses Weihnachten 2019, die Welt verändern möchte, uns und unser Leben verändern möchte. Alles soll, alles müsste anders sein seit heute Nacht.
  6. Klar: wenn man nüchtern in die Welt schaut, kann man schon meinen: so arg hat Weihnachten die Welt nun nicht verändert. Die Engel haben, wie immer, vollmundig über der Krippe vom Frieden auf Erden gesungen. Und trotzdem schlagen sich die Menschen auch heute wie vor zweitausend Jahren gegenseitig die Köpfe ein, führen munter weiter ihre Kriege, rüsten auf, bedrohen sich gegenseitig. Das Kind wurde als Retter, als Heiland, als Erlöser aus allem Leid gepriesen, und doch gibt es auch heute wie damals Menschen, die leiden müssen, die an schweren, unheilbaren Krankheiten leiden, Menschen, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen, Süchtige, Abhängige, Obdachlose. Zu dem Kind pilgern die Weisen aus den fernsten Ländern um ihm zu huldigen, und doch tun wir uns bis heute schwer mit Fremden in unserem Land, mit anderen Kulturen, Religionen, Weltanschauungen, überhaupt mit Menschen, die einfach anders sind, anders denken, anders ticken als wir. War Weihnachten also umsonst? War alles umsonst, alles nur ein schöner Mythos, der es uns an den Feiertagen ein wenig warm ums Herz macht, aber mehr auch nicht?
  7. Es gehört zum unergründlichen Plan Gottes, dass er seinen Einzug in diese Welt so unglaublich unspektakulär, so bescheiden, so unaufdringlich inszeniert. Er kommt nicht mit tausenden himmlischer Heerscharen, die die Welt umkrempeln und aufräumen, alles Böse, alle Bösen ausmerzen. Er kommt nicht in königlichem Prunk und Pracht. Er kommt hilflos, klein, als Kind in einem Stall. Ohne Bleibe. Im Grunde eine einzige Bitte: Nehmt mich auf!
  8. Und genau das ist das Geheimnis von Weihnachten: dass Weihnachten, dass buchstäblich alles davon abhängt, ob wir diesen Gott, der so unaufdringlich und klein bei uns ankommt, wirklich aufnehmen, ob wir ihm Raum geben in unserem Leben, in unserer Welt. „Er kam in sein Eigentum – aber die Seinen nahmen ihn nicht auf!“ so erschreckend nüchtern beschreibt Johannes in seinem Evangelium die ganze Misere. „Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden. Aber die Welt erkannte ihn nicht!“ Das genau ist der Grund, warum sich nichts ändert. Weil dieser Gott, an den wir glauben, keiner ist, der sich mit Gewalt durchsetzt, die Macht des Stärkeren; sondern einer, der darum bittet, dass wir ihm Raum geben in unserem Leben. Denn dann wird wirklich alles anders. Wo wir Gott Raum geben im unserem Leben, verändert es uns selbst, unser Miteinander, die Welt: „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden!“ Wer ihn wirklich aufnimmt, wer Weihnachten so feiert, dass er begreift: Gott will bei mir wohnen! Der ist ein anderer Mensch, was sage ich: nicht mehr nur ein gewöhnlicher Mensch, sondern wirklich: „Kind Gottes“.
  9. Wer also immer noch der Meinung ist: eigentlich hat sich nichts verändert seit gestern, der hat Weihnachten noch nicht begriffen. Der hat nicht wirklich Weihnachten gefeiert. Den lade ich ein: nehmen Sie sich heute oder in diesen Tagen etwas Zeit, stellen Sie sich hier im Dom an die Krippe und schauen Sie sie einfach einmal in Ruhe an. Und wenn Sie dann nicht nur bestaunen, was unser Küster und sein Team dieses Jahr wieder alles neu und noch schöner gemacht haben – und das haben sie! – sondern wenn Sie dann einfach einmal das Kind in der Krippe anschauen, betrachten, meditieren, seine Hilflosigkeit und Ohnmacht spüren, aber auch diese Liebe, die unglaubliche Liebe Gottes, die sich hier zeigt, dieser Gott, der uns so unglaublich nahe sein will, dann, da bin ich fest überzeugt, wird das etwas in Ihnen verändern. Und dann nehmen sie dieses Kind mit – natürlich nicht physisch, nicht dass uns jemand das Jesuskind aus der Krippe klaut. Sondern im Herzen. Nehmen sie dieses kleine Kind in der Krippe im Herzen mit, geben Sie Gott Raum in ihrem Herzen, in ihrem Leben. Und sie werden sehen: es wird etwas verändern. Vielleicht nicht mit einem Schlag und alles, aber ganz allmählich. Kommen Sie wieder, wiederholen Sie das Ganze: die Krippe hier steht bis zum 2. Februar. Machen sie so diesen menschgewordenen Gott, seine unfassbare Liebe, mehr und mehr zu einem Teil ihres Lebens. Aber Vorsicht: Das Ganze hat Risiken und Nebenwirkungen. Es wird Ihr Leben verändern. Es wird die Welt verändern. Denn das ist Weihnachten, wenn wir es ernst nehmen: ein radikaler Neuanfang für die ganze Welt.
 

Unsere Weihnachtskrippe

33 Bilder