Offener Freizeit-Treff im Caritas-Zentrum Edith Stein

„Hier habe ich meine Freunde“

Treff (c) Anja Weiffen
Treff
Datum:
Do. 30. Aug. 2018
Von:
Kirchenzeitung "Glaube und Leben"
Ihr zweites Wohnzimmer nennen manche den offenen Freizeit-Treff im Caritas-Zentrum Edith Stein. Das Zentrum in Mainz bietet Menschen mit psychischen Erkankungen eine Anlaufstelle. Zur Atmosphäre der Geborgenheit tragen die Besucherinnen und Besucher selbst viel bei.

Die ehemalige DDR interessiert Manuela Fatima W. brennend. Dass ihr Großvater „von drüben“ stammt, hatten ihre Eltern ihr verheimlicht. „Ich lese dazu Reportagen, ich sauge darüber alles auf wie ein Schwamm“, sagt die 49-jährige in Mainz geborene Frau. Doch das ist nicht das Einzige, was sie über ihre Familie berichtet: vom Vater misshandelt, von der Mutter an den Haaren gezogen, vom Bruder missbraucht. Aus Kindertagen stammen ihre Epilepsie und ihre Gehbehinderung. „Ich habe einige chronische Erkrankungen.“ So nennt sie ihre Essstörung, die Bulimie, und ihre Angststörung. „Dadurch bin ich jetzt Rentnerin“, erzählt sie.
Akut hat sie ein anderes existenzielles Problem. „Ich habe meine Wohnung verloren und lebe jetzt mit meinem Freund auf dem Campingplatz.“ Manuela W. sitzt vor einer Tasse Kaffee auf der Terrasse des Caritas-Zentrums Edith Stein. Sie blinzelt in die Sonne und überlegt, seit wann sie im Wohnwagen wohnt. „Seit Oktober, das weiß ich genau, am 7. Oktober ist der Geburtstag der DDR.“ In die Innenstadt kommt sie zum Einkaufen, um abends bei der Pfarrer-Landvogt-Hilfe zu essen, und zum Freizeit-Treff. Ihr Freund begleitet sie. „Wegen meiner Angststörungen“, sagt sie.

„Die Leute denken dann, ich bin faul“

Den offenen Freizeit-Treff hier im Caritas-Zentrum nennt sie wie viele andere Besucherinnen und Besucher „Club“. „Dagobertclub“ hieß der Treff damals, als die Caritas-Einrichtung noch in der Dagobertstraße in der Mainzer Altstadt beheimatet war. Damals wie heute ein offener Treff, heißt er heute ausdrücklich „offener Freizeit-Treff“, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt. Manuela W. kommt seit circa drei Jahren. „Hier habe ich meine Freunde. Hier sorgen sie sich um einen. Auch wenn es einem mal nicht so gut geht und man nicht zum Treff kommt, ist das okay.“ Vom Treff erfahren hat sie durch Mundpropaganda, „ich bin mal mit jemandem mitgegangen“, erzählt sie. Im „Dagobertclub“, wie sie sagt, fühlt sie sich angenommen, so wie sie ist. Anders als oftmals im restlichen Leben. Im Gegensatz zu anderen körperlichen Behinderungen „sieht man meine Behinderung nicht“, erklärt sie. „Die Leute denken dann, ich bin faul, wenn ich beispielsweise einer älteren Frau im Bus nicht Platz mache wegen meiner Epilepsie und Gehbehinderung.“
So sein können, wie man ist, das schätzen die Besucher des offenen Treffs sehr. Die Runde im Clubraum ist sich in diesem Punkt einig, alle nicken, als einer der Besucher das ausspricht. Der Raum strahlt eine familiäre Atmosphäre aus. Um einen Wohnzimmertisch stehen zwei Sofas, auch an weiteren Tischen mit Stühlen können sich die Besucher in großer Runde oder in kleinen Grüppchen zusammensetzen. Was das Wort „offen“ im Namen offener Freizeit-Treff bedeutet, zeigt sich während der zwei Stunden, die der Treff dauert. Zwischen dem Clubraum und der kleinen Küche ist ein Kommen und Gehen. Der eine holt sich ein Glas Wasser, eine Frau kocht sich eine Tasse Kaffee und beißt nebenbei noch in ihre mitgebrachte Stulle. Auf dem Wohnzimmertisch steht eine Holzschale mit Münzen drin, die Kaffeekasse. Nicht nur um die Küche kümmern sich die Besucher, auch eine Kasse verwalten sie selbst.

von Anja Weiffen

Den ganzen Beitrag mit weiteren Hintergründen lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben" vom 2.September 2018

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