Pfarrer Elmar Jung (c) privat

„Der Tod fragt nicht nach Terminen“

Pfarrer Elmar Jung
Datum:
Mi. 27. Jan. 2021
Von:
"Moment mal" Anruf: Anja Weiffen/ Kirchenzeitung

Nicht nur in Sachsen ist zu spüren, dass zurzeit mehr Menschen sterben als üblich. Auch Pfarrer Elmar Jung in St. Nazarius in Rödermark Ober-Roden muss in diesen Tagen viele Menschen beerdigen.

Können Sie kurz die Lage in Ihrer Gemeinde beschreiben?
Schon im November hat die Zahl der Verstorbenen zugenommen. Seit Anfang des Jahres gib es sehr viele Todesfälle. Nach Weihnachten ist es eigentlich für unser Pfarrteam ruhiger, aber diesmal hatten wir keine Pause. Sechs Todesfälle in den ersten Januartagen, das ist in einer Gemeinde viel. Aber der Tod fragt nicht nach Terminen.
Welche Rolle spielt Covid-19?
Viele Hochbetagte sind unter den Verstorbenen. Diese Gruppe ist natürlich besonders durch Covid-19 gefährdet. Kürzlich ist auch eine 105-Jährige gestorben, ohne von dem Virus heimgesucht worden zu sein. Jedoch stehen mehr und mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Corona. Aber man redet nicht so gerne darüber. Es gibt bei Angehörigen ein Gefühl des Stigmas, nicht genug zum Schutz getan zu haben. Zudem ist es für Menschen sehr belastend, wenn sie einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten und vom Tod ihres Angehörigen erfahren, ohne dass sie ihn nochmals sehen konnten. Weder konnten sie sich vorher verabschieden, noch dürfen sie häufig den Toten sehen, um weitere Ansteckung zu vermeiden. Nur ein Anruf, dass jemand verstorben ist; das war’s.
Ein hochbetagter Vater hat vor einigen Wochen seinen 60-jährigen behinderten Sohn, um den er sich sein ganzes Leben gekümmert hat, durch Covid-19 verloren. Der Vater sagte mir unter Tränen, er wäre so gerne noch einmal bei seinem Sohn im Krankenhaus gewesen. Wenn solch ein Abschied ohne Begegnung am Ende eines Lebens steht, kostet dies Menschen unglaublich viel Kraft zur Bewältigung.
Wie empfinden Sie als Seelsorger die aktuelle Situation?
Jede Beerdigung ist eine eigene intensive Herausforderung in meinem seelsorglichen Tun. Da hat jeder Satz und Gedanke eine wichtige Aufgabe zum Trost für die Angehörigen zu leisten. Es gilt nicht nur den Lebenslauf eines Verstorbenen gut zu kennen, sondern ihn auch als Mensch zu würdigen und zu fragen: Was hat uns dieser Mensch mit seinem Leben zu sagen? Ein Mensch soll nicht nur gut beerdigt worden sein, sondern sein Leben ist es in seiner Einmaligkeit wert, noch einmal sichtbar zu werden.


Anruf: Anja Weiffen

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 31. Januar 2021. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de