„Wir wollten ein Signal setzen, auch nach außen, dass wir es ernst damit meinen, Verantwortung gemeinsam zu tragen.“ (c) Bistum Mainz | MKrost

Ein Quantensprung

„Wir wollten ein Signal setzen, auch nach außen, dass wir es ernst damit meinen, Verantwortung gemeinsam zu tragen.“
Datum:
Do. 5. Mai 2022
Von:
Anja Weiffen/ Kirchenzeitung

Zur Bistumsleitung gehört seit Kurzem eine Frau. Ein Gespräch mit Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars, und Generalvikar Udo Markus Bentz zu den Hintergründen eines neuen Amtes.

Wir wollen konsequent das Vier-Augen-Prinzip vorleben und Vorbild sein.

Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz (c) Bistum Mainz
Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz

Aus dem Vatikan kam bisher keine Reaktion, antwortet Stephanie Rieth auf die Frage nach Rom. Warum auch, das neue Amt, mit dem sie seit Mitte April betraut ist, liegt im Rahmen des Kirchenrechts. „Im Kirchenrecht ist vieles möglich“, sagt die 47-jährige Pas-
toralreferentin. Bevollmächtigte des Generalvikars heißt das Amt, das Bischof Peter Kohlgraf neu eingerichtet und dazu Stephanie Rieth berufen hat.

Aufarbeitung bleibt Chef-Sache

Dass einer nicht geweihten Person, zumal einer Frau, eine so hohe Leitungsfunktion übertragen wird, hat in deutschen Bistümern Seltenheitswert. Nicht, dass es nicht ähnliche Veränderungen in anderen Bistümern gäbe: Das Erzbistum München und Freising hat seit Anfang 2020 eine Amtschefin, das Erzbistum Hamburg seit April 2020 einen Verwaltungsdirektor. Seit vergangenem Jahr ist ein Laie im Bistum Münster an der Spitze der Verwaltung tätig. Allesamt neue Leitungspositionen auf höchster Ebene für Nicht-Priester. Rieth bezeichnet die Veränderung im Bistum Mainz allerdings als etwas „fundamental anderes“, da hier kein Bereich aus dem Amt des Generalvikars herausgelöst wird. Das Amt bleibe in seiner Ganzheit bestehen. Weihbischof Udo Markus Bentz weist darauf hin, dass es anderswo vor allem um eine Manager-Position geht, zugeschnitten auf die Verwaltung. „Bei uns teilen sich zwei Theologen das Amt des Generalvikars.“ Denn pastorale Entscheidungen seien immer auch Entscheidungen über Ressourcen und umgekehrt. Im Zuge dieser Amtserweiterung haben Rieth und Bentz nun sowohl gemeinsame Aufgaben als auch jeweils eigene Verantwortungsbereiche. Nach außen kann Stephanie Rieth als Bevollmächtigte des Generalvikars sogar das Bistum und den Bischöflichen Stuhl vertreten, allerdings nur in ihren Aufgabenfeldern.

„Jetzt beginnt ein Ringen miteinander“

Was auffällt, ist, dass Rieth mit einer heiklen Chef-Sache betraut ist: Die Koordination von Intervention, Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt gehört zu ihren Aufgaben in Eigenregie. Sie führt in diesen Angelegenheiten zum Beispiel Dienst- und Mitarbeitergespräche. Auch nach außen repräsentiert sie das Bistum, in der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen und in den Gremien der Deutschen Bischofskonferenz zu Intervention und Prävention. Nachgefragt, wer bei diesem Thema letztlich die Verantwortung trägt, wer auch für etwas gerade stehen muss, antworten Rieth und Bentz: „Das Thema bleibt Chef-Sache.“ Im Fall der Fälle würden sowohl der Bischof, als auch der Generalvikar sowie dessen Bevollmächtigte oder Bevollmächtigter gemeinsam die Verantwortung tragen, auch wenn aktuell mit Stephanie Rieth eine Person eigenverantwortlich handelt und Ansprechpartnerin ist.
„Zur Eigenverantwortung gehört immer auch eine gute Kommunikation“, erklärt Rieth. „Wir wollen konsequent das Vier-Augen-Prinzip vorleben und damit auch Vorbild sein für andere Bereiche des Leitungshandelns.“ Dieses Prinzip sorgt bei wichtigen Entscheidungen für eine gegenseitige Kontrolle. Das eng verzahnte Arbeiten mit dem Generalvikar ist sie als dessen bisherige Persönliche Referentin gewohnt. Warum hätte es nicht so weitergehen können? Weihbischof Bentz: „Wir wollten ein Signal setzen, auch nach außen, dass wir es ernst damit meinen, Verantwortung gemeinsam zu tragen.“ Gerade beim Thema Aufarbeitung habe er gespürt, dass es nicht nur Berater braucht sondern auch eine Person mit Leitungsvollmacht, die nicht-priesterlich ist, damit nicht nur Priester
über Priester entscheiden. „Es brauchte hier einen Quantensprung.“ Das Prinzip habe sich auch für andere Bereiche als fruchtbar erwiesen. Es sei seine Grundüberzeugung, sagt Bentz, „gemeinsame Verantwortung ist das, was der missionarischen Kraft der Kirche am ehesten entspricht.“

„Jetzt beginnt ein Ringen miteinander“

Künftig muss nicht nur die Ausgestaltung des neuen Amts weiterentwickelt werden. Auch steht für die Amtsinhaberin als vorherige Persönliche Referentin das Hineinwachsen in ihre Rolle an. Das ist Bentz und Rieth bewusst. „Jetzt beginnt ein Ringen miteinander“, sagen sie lachend, „um nicht in alte Rollenmuster zu fallen.“ Pionierarbeit für einen Kulturwandel beim Thema Leitung. Rieth: „Diesen Wandel wollen wir glaubwürdig verwirklichen.“

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