Unterwegs mit dem Pfarrboot Tirió

Ein neuer „Himmel“ aus Jute

Unterwegs mit dem Pfarrboot Tirió
Datum:
Do. 31. Okt. 2019
Von:
Kirchenzeitung Bistum Mainz

Kirchenzeitung "Glaube und Leben"

Diese Texte sind einzigartige Zeugnisse: Während 44 Jahren haben Gunter Bee und Alfons Blumenfeld, Priester des Bistums Mainz, regelmäßig nach Deutschland geschrieben und von ihrer Arbeit in Brasilien berichtet. Ihre Briefe sind gerade als Buch erschienen. Eine Leseprobe. 

„In Brasilien bin ich ,Padre Alfonso‘“, schreibt Alfons Blumenfeld in die Chronik über seine Ankunft in Juruti am 24. Juni 1972. „Pfarrer Gunter Ferdinand Bee, der einige Jahre später kommt (1984), ist ,Padre Fernando‘“, fügt Alfons Blumenfeld hinzu.

Chronik-Berichte und die regelmäßigen Rundbriefe der Bistumspriester Alfons Blumenfeld und Gunter Bee sind das Herzstück des Buchs „Briefe vom Amazonas“, des neuen Jahrbuchs des Bistums Mainz. Im Folgenden lesen Sie Auszüge aus vier Rundbriefen aus vier unterschiedlichen Jahrzehnten:


Juruti, den 2. Dezember 1974. Alfons Blumenfeld schreibt:

„Wie ist die Lage bei uns, und was tun wir? Das verflossene halbe Jahr war ausgefüllt mit Reisen zu unseren Kapellen, Neugründung von Gemeinschaften, biblischen Triduen im Hinterland der Pfarrei, katechetischen Studientagen in der Stadt, in einer Nachbarpfarrei und einem zweiwöchigen Katechetenkurs in Óbidos. Die Tendenz solcher Treffen geht immer deutlicher dahin, kein vom Leben isoliertes Studium zu betreiben, sondern die Realität im Licht des Evangeliums sehen zu lernen.“ (…) Schließlich noch einige gemischte Informationen: In Brasilien ist seit Jahren ein großes Rennen nach Erzen ausgebrochen. Über 250 ausländische Firmen führen vor allem im Amazonasgebiet Probebohrungen durch, die meisten natürlich illegal. Auch im Gebiet von Juruti  sind seit langem zwei Firmen am Bohren. Kürzlich wurde nun vertraglich den größten Aluminiumproduzenten Japans die Förderung und Produktion von Aluminium im Gebiet unserer Nachbarpfarrei Oriximiná genehmigt. 1979 wird dort die Produktion beginnen und bis 1985 auf 640 000 Tonnen Aluminium pro Jahr gesteigert werden. Dort, wo jetzt Barackenlager sind, wird in wenigen Jahren eine Stadt mit 35 000 Einwohnern sein. Ähnliche Verträge sind schon abgeschlossen oder werden noch folgen; im Amazonasgebiet seien die reichsten Bauxitvorkommen der Erde. Es gibt Gerüchte, man habe im Gebiet von Oriximiná Kupfervorräte entdeckt. Es wird Verdienstmöglichkeiten geben. Für unsere Leute ein Hoffnungslicht. Aber ob die beginnende Zerstörung eines nahezu unberührten ,Paradieses‘ für die Menschheit als Ganzes gesehen zu begrüßen ist, bleibt mehr als fraglich.“

 

Juruti, den 30. Mai 1986. Alfons Blumenfeld schreibt:

„Liebe Verwandte und alle Freunde unserer Arbeit in Juruti! Wir haben gestern Fronleichnam gefeiert. Zum ersten Mal seit langem haben wir die Prozession vom Morgen auf den späten Nachmittag verlegt. Als sie um 17 Uhr beginnen sollte, war eine einzige Frau in der Kirche. Eine halbe Stunde später konnten wir dann aber anfangen. Es war eine schöne Prozession. Wenn das Volk Gottes unterwegs ist, dann wächst es an Zahl und an Glaubensstärke. Zur Eucharistiefeier am Schluss der Prozession war die Kirche geladen voll. Wir haben einen neuen ,Himmel‘ aus unserer selbstgewebten Jute hergestellt und neue Leuchter aus unserer Töpferei auf den Altar gestellt. Eucharistie verwandelt die Früchte unserer Arbeit und macht, dass aus dem Land der Bauern, das in zunehmendem Maß Quelle von Gewalttätigkeit und Tod ist, ein Land von Schwestern und Brüdern wird. Ich schreibe Euch das, damit Ihr seht, dass wir nicht nur soziale und politische Arbeit machen, sondern dass es uns vor allem um die Glaubenskraft des Volkes Gottes geht, von der wir alle leben und die uns Kraft zu sozialen und politischen Umwandlungen gibt.“

Juruti, den 26. November 1990. Gunter Bee schreibt:

„Vielleicht noch ein Wort zur ,großen Politik‘. Dem Vernehmen nach kommt der neue brasilianische Präsident in den Industrienationen gut an. Das leuchtet ein, denn offenbar favorisiert er eine Politik des liberalen Kapitalismus. Der brasilianische Markt soll durch Verminderung der Zölle für Importe aus Europa und den Vereinigten Staaten geöffnet werden – und ein Anfang ist bereits gemacht. Wir stellen hier fest, dass sich für die Armen Brasiliens nichts geändert hat, es sei denn zum Schlechteren. Die Kaufkraft des Cruzeiro hat weit abgenommen. Nach außen mag es schön aussehen, wenn eine Inflation von 80 Prozent (März) auf 17 Prozent (Oktober) sinkt. Es ging aber wieder einmal auf Kosten der Arbeitnehmer. Viele Entlassungen, viele Konkurse, auch großer Firmen. Kapitalismus mag in den gut strukturierten Ländern funktionieren; hier ist er der Tod.“


Juruti, den 14. September 2010. Alfons Blumenfeld mit Gunter Bee. Die beiden Missionare schreiben:

„Liebe Freunde unserer Amazonasmission in Deutschland! Vielleicht haben einige von Euch den Dokumentarstreifen gesehen, der im vorigen Jahr bei uns hier in Juruti aufgenommen worden ist und im Oktober unter dem Titel ,Aufstand am Amazonas‘ beim WDR ins ARD-Programm kam. Der unbewaffnete Widerstand unserer Leute, angeleitet von den Franziskanerschwestern von Maristella, hat Aufsehen erregt und auch Früchte gebracht. Die 9 000 Bewohner der von der Alumi- niumerzausbeutung betroffenen Region von Juruti Velho wurden inzwischen vom Alumiumkonzern als ursprüngliche Bevölkerung anerkannt. Ihre Genossenschaft hat erste hohe Entschädigungsbeträge erhalten. Der Konzern wird alle weiteren Bedingungen erfüllen. Er hat die Erfahrung gemacht, wozu die Leute imstande sind.“

Das Jahrbuch 2019

Erstmals beschäftigt sich ein Jahrbuch des Bistums Mainz mit der Missionsarbeit des Bistums. In dem diesjährigen Band stehen Briefe der Amazonas-Missionare Alfons Blumenfeld und Gunter Bee aus den Jahren 1972 bis 2016 im Zentrum. Alfons Blumenfeld und Gunter Bee waren vor ihrem Wirken in Brasilien als Priester in Rüsselsheim tätig. Das Jahrbuch bietet außer den Briefen und Chronik-Berichten weitere Texte zur Missionsarbeit wie etwa von der Missio-Referentin Eva Baillie oder von Alois Bauer, dem Leiter der Geschäftsstelle Weltmission / Gerechtigkeit und Frieden im Bischöflichen Ordinariat. Weihbischof Udo Markus Bentz hat ein Vorwort geschrieben. 


Gunter Bee und Alfons Blumenfeld: „Briefe vom Amazonas. Berichte und Bilder aus 44 Jahren Missions- und Entwicklungsarbeit in Juruti/Brasilien 1972-2016“, herausgegeben von der Geschäftsstelle Weltkirche / Gerechtigkeit und Frieden im Bischöflichen Ordinariat Mainz.
Erschienenen in der Reihe: Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz. Beiträge zur Zeit-  und Kulturgeschichte der Diözese – Jahrgang 2019, herausgegeben von Barbara Nichtweiß, Bistum Mainz Publikationen, 276 Seiten, 18 Euro


Das Buch ist im Infoladen des Bistums Mainz erhältlich, Heiliggrabgasse 8, 55116 Mainz, Telefon 06131 / 25 38 88, E-Mail: infoladen@ bistum-mainz.de, Internet:  infoladen-bistum-mainz.de

Den Beitrag mit weiteren Hintergründen lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben"

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