Christine Wüst-Rocktäschel

„Ich erlebe mich befreit“

Christine Wüst-Rocktäschel
Datum:
Mo. 10. Juni 2019
Von:
Kirchenzeitung/ Maria Weissenberger

Kirchenzeitung "Glaube und Leben"

Germanistik und Anglistik hatte sie studiert, hatte einen Job in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Den kündigte sie, als sie 37 war. Christine Wüst-Rocktäschel hat sich entschieden, Gemeindereferentin zu werden.

 

„Die Sache der Kirche hat mich zeitlebens begleitet und getragen“, erzählt die jetzt 43-Jährige Christine Wüst-Rocktäschel. Für Glaube und Kirche unterwegs zu sein, gehörte zu ihrem Leben – und immer wieder einmal hatte sie das Gefühl, es könnte ihr Weg sein, beruflich in der Kirche zu arbeiten. Aber auch Zweifel bewegten sie gelegentlich: Glaube ich wirklich genug an Gott, um diesen Weg zu gehen?
Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit empfand sie als „charmanten Beruf“, sie hatte einen „tollen Job“, der sie herausforderte und der „an die Nieren gehen“ konnte, zumal dabei viel Politik im Spiel war. Ihr Einsatz für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Schwerpunkt ihrer Arbeit bei den Offenbacher Stadtwerken, war für Christine Wüst-Rocktäschel mit viel Idealismus verbunden, nutzt sie doch aus Überzeugung Busse und Bahnen.

Zum ersten Studientag eine Schultüte

Doch der Wunsch, beruflich in der Kirche tätig zu werden, setzte sich durch. Sie entschied sich, Gemeindereferentin zu werden – obwohl sie wusste: Fünf Jahre Ausbildung lagen vor ihr – nicht gerade einfach mit zwei kleinen Kindern. Gut, dass ihr Ehemann Jörg Rocktäschel ihre Entscheidung mitgetragen und seine Arbeitszeit als Bankkaufmann reduziert hat, um sich mehr um die heute elfjährige Tochter Eleonore und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Henriette kümmern zu können. „Sonst wäre es gar nicht gegangen“, weiß Christine Wüst-Rocktäschel. Sie ist froh, dass die Familie „hinter ihr gestanden“ hat. „Zum ersten Studientag an der Katholischen Hochschule haben sie mir eine Schultüte geschenkt“, erinnert sie sich lächelnd.
Zweifel, ob es richtig war, „umzusteigen“, bewegen sie jetzt, kurz vor ihrer Sendung in den Dienst des Bistums, nicht. „Ich habe während des Studiums so viele Menschen kennengelernt, mit denen ich mich austauschen konnte und die mich mitgetragen haben“, sagt sie. „Allen, die mich unterstützt und begleitet haben, bin ich sehr dankbar.“
Das gilt auch für die Pfarrgemeinde in Heidesheim, wo sie zwei Jahre als Gemeindeassistentin tätig war, von der langjährigen Gemeindereferentin Maria Sieben als Mentorin begleitet. „Die Menschen waren sehr offen mir gegenüber.“ Ihre Erfahrungen in der Gemeinde haben sie klar in ihrer Entscheidung bestätigt. Sie war in der Kommunion- und Firmvorbereitung eingesetzt, bei Familien- und Kindergottesdiensten, im Religionsunterricht und bei ökumenischen Gottesdiensten, zum Beispiel im Diakonie-Zentrum „Zoar“ in Heidesheim, in dem schwerst körperlich und geistig behinderte sowie psychisch erkrankte Menschen leben.
Besonders berührt haben sie einige tragische Todesfälle, „bei denen wir auch im Team gespürt haben, dass wir an unsere Grenzen kommen“. Wie Menschen durch den Glauben die Kraft finden, trotz einschneidender Schicksalsschläge weiterzumachen, das beeindruckt sie sehr.

Erzählen, dass Gott mich nicht fallen lässt


Ein Projekt, das ihr sehr am Herzen lag und über das sie ihre Hausarbeit geschrieben hat, war ein Einkehrnachmittag über Schuld und Vergebung. Sie hatte verschiedene kreative Angebote zum Thema vorbereitet, es gab das Angebot zum seelsorglichen Gespräch oder auch zum Beichtgespräch, für das Pfarrer Markus Metzler zur Verfügung stand. Auch ein Bußgottesdienst gehörte zum „Programm“.
Warum gerade Schuld und Vergebung? „Menschen werden schuldig, wir machen alle Fehler – auch ohne es zu wollen“, erklärt Christine Wüst-Rocktäschel. „Da finde ich es wichtig zu erzählen, dass Gott mich nicht fallen lässt.“ Damit hat sie offenbar einen Nerv getroffen – immerhin 20 Menschen sind gekommen. „Für manche war der Nachmittag ohne Gottesdienst ,rund‘, anderen war der Bußgottesdienst wichtig, einige sagten auch: Gut, dass ich jetzt beichten kann.“
Die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen ist ihr nicht schwergefallen, sagt Christine Wüst-Rocktäschel. „Ich finde es wichtig zu signalisieren: Wenn es Fragen gibt oder Hilfestellung nötig ist, bin ich da. Aber ich kann durchaus auch Verantwortung an andere abgeben – ich habe es ja mit Menschen zu tun, die in ihrem Leben ihre Frau und ihren Mann stehen. Als Ehrenamtliche hat es mir auch immer gut getan, ernstgenommen zu werden.“
Als Sendungsspruch hat sich Christine Wüst-Rocktäschel einen Satz aus dem Galaterbrief ausgesucht: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ – „Ich erlebe selbst Befreiung durch den Weg, den ich eingeschlagen habe“, sagt sie. Und es gehört für sie wesentlich zum pastoralen Auftrag, Jesu Anliegen zu vermitteln, die Menschen zu befreien.


Sendungsfeier mit Bischof Peter Kohlgraf am 15. Juni um 10 Uhr in der Augustinerkirche in Mainz.

Diesen Beitrag lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben" vom 9. Juni

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