33 Jahre Gedächtnis des Bistums Mainz

Dr. Hermann-Josef Braun geht als Leiter des Dom- und Diözesanarchivs in Ruhestand

April 2021: Dr. Hermann-Josef Braun geht Ende April nach 33 Jahren als Leiter des Mainzer Dom- und Diözesanarchivs in Ruhestand. (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Mo. 26. Apr. 2021
Von:
tob (MBN)

Mainz. Dr. Hermann-Josef Braun geht Ende April nach 33 Jahren als Leiter des Mainzer Dom- und Diözesanarchivs in Ruhestand. Zuständig ist das Archiv für die schriftliche Überlieferung des Bischöflichen Ordinariates sowie der Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen des Bistums. Neben dem Schriftgut des Ordinariates, Pfarrarchiven und Kirchenbüchern machen etwa auch Nachlässe von Geistlichen das Dom- und Diözesanarchiv zu einer wichtigen Quelle für Forschungen von Historikern, Ahnenforschern oder etwa auch für die Planung von Baumaßnahmen im Bistum.

Am heutigen Standort im Mainzer Rochusstift ist das Archiv seit 1991 beheimatet. Mit der Aufnahme seiner Tätigkeit als Archivleiter am 1. August 1988 verantwortete Braun die Planung und Organisation des Archivumzuges aus der Grebenstraße in das neue Domizil im Rochusstift. Im Rahmen eines Bewerbungsgespräches im September 1988 wies der damalige Generalvikar Martin Luley die spätere Mitarbeiterin darauf hin: „Das Dom- und Diözesanarchiv befindet sich fachlich und organisatorisch quasi in der Eiszeit. Unter der neuen Leitung muss erhebliche Aufbauarbeit geleistet werden.“

Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die intensive Arbeit der Pfarrarchivpflege ab 1991. Dabei wurden die beiden Bereiche der aktuellen Schriftgutverwaltung (Pfarr-Registratur) und das Pfarr-Archiv (ältere Überlieferung) zusammengeführt. Heute verfügt das Dom- und Diözesanarchiv über eine umfangreiche Sammlung an Akten und Fotos, die die Situation jedes einzelnen Pfarrarchivs erläutert. Inhaltliche Schwerpunkte wurden etwa auch seit 2000 durch die Themen „Zwangsarbeiter in Einrichtungen der katholischen Kirche“ und seit 2010 „Sexueller Missbrauch in der Kirche“ gesetzt. Aktuell unterstützt das Dom- und Diözesanarchiv die Forschungen der Mitarbeiter des unabhängigen Aufklärungsprojektes „Erfahren. Verstehen. Vorsorgen“ (EVV) zur Untersuchung sexueller Gewalt im Bistum Mainz und stellt alle relevanten Akten und Dokumente zur Verfügung.

Braun war stets überdiözesan engagiert und hatte von 1994 bis 1998 den Vorsitz der Bundeskonferenz der Archive der katholischen Kirche in Deutschland übernommen. In dieser Funktion veranstaltete er die sogenannte Leitlinientagung zum Berufsfeld des Kirchenarchivars, bei der neben dem Mainzer Bischof Karl Lehmann auch der Präsident der päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche, Erzbischof Francesco Marchisano, seine programmatische Schrift „Die pastorale Funktion der kirchlichen Archive“ vorstellte, in der etwa eine strikte Professionalisierung des kirchlichen Archivwesens gefordert wird.

Über die Jahre begleitete Braun weitere größere Tagungen mit den Expertisen des Dom- und Diözesanarchivs: etwa den 100. Geburtstag von Bischof Stohr (1990), den 100. Geburtstag von Kardinal Volk (2003), den 100. Geburtstag von Weihbischof Josef Maria Reuß (2006), den 200. Geburtstag von Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (2011) und im gleichen Jahr den 50. Todestag von Bischof Stohr. Gerade solche Tagungen sind für Braun gute Beispiele, an denen sich ablesen lasse, wie in den Beständen des Archivs viele Entwicklungsströmungen in Theologie und Kirche erforscht werden können. Ein Bereich, in dem es auch für künftige Generationen noch viel Forschungsmaterial gibt. So sind etwa die Tagebücher, die Kardinal Hermann Volk während des Zweiten Vatikanischen Konzils geführt hat, bislang wissenschaftlich noch nicht ausgewertet.

In besonderer Erinnerung ist ihm die Restaurierung des Domsgickels auf dem Mainzer Dom im Jahr 2013. Bei Reparaturarbeiten fanden sich im Inneren des Wetterhahns in einer Bleikapsel sieben Urkunden seit 1773, die im Dom- und Diözesanarchiv transkribiert und in der Publikation „Vis-à-vis mit dem Domsgickel“ veröffentlicht wurden. Im September 2020 wurde im Diözesandepot der Kirchlichen Denkmalpflege eine Zeitkapsel mit fünf Urkunden aus dem Wetterhahn der zerstörten Mainzer Pfarrkirche St. Christoph entdeckt, die dem Dom- und Diözesanarchiv zur dauernden Aufbewahrung übergeben wurden. Auch diese Urkunden wurden transkribiert. Darüber hinaus hat Braun die Restaurierung der durch Hitzeeinwirkung stark beschädigten Urkunden veranlasst.

Die ältesten Schriftstücke des Dom- und Diözesanarchivs fanden große Beachtung im Rahmen der internationalen, interdisziplinär angelegten Fachtagung „Alter Dom zu Mainz“ im April 2015 zu der historischen Bauforschung der Johanniskirche. Es handelt sich um drei Reliquienauthentiken, das heißt Echtheitszeugnisse von Reliquien auf Pergament, die aus der Zeit zwischen 700 und 800 stammen und erstaunlich gut erhalten sind.

Braun ist es gelungen, das Dom- und Diözesanarchiv zu einem weit über Mainz hinaus anerkannten Archiv zu entwickeln, das in der eigenen Verwaltung und auch in Wissenschaftskreisen über eine hohe Reputation verfügt. Dies schlägt sich insbesondere in der großen Zahl wissenschaftlicher Benutzer wie auch an den zahlreichen Arbeiten nieder, die als Qualifizierungsarbeiten ganz oder zu großen Teilen mit Mainzer Quellen angefertigt wurden.

Publikationen mit den Schwerpunkten Kirchengeschichte und Landesgeschichte haben seine Tätigkeit stets begleitet. Im Handbuch für Mainzer Kirchengeschichte hat er etwa die Kapitel über die Epochen seit Beendigung des Kulturkampfes bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges verfasst. Braun war beispielsweise von Anfang an im Forschungsverbund zur Geschichte der Universität Mainz engagiert und ist Mitglied des Vorstandes des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz und im Beirat des Mainzer Altertumsvereins.

Hermann-Josef Braun (Jahrgang 1953) wurde in Hirschfeld/Hunsrück geboren. Nach dem Abitur in Trier und der Ableistung des Wehrdienstes studierte er Französisch und Geschichte in Trier und Poitiers. Er war zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier tätig, wo er 1985 seine Promotion in Geschichte vorlegte. Von 1984 bis 1986 absolvierte er sein Archivreferendariat am Landeshauptarchiv Koblenz, der Archivschule Marburg und dem Bundesarchiv Koblenz. Nach dem zweiten Staatsexamen (Archivarische Staatsprüfung) an der Archivschule Marburg arbeitete er zunächst im Bistumsarchiv Trier. Die Leitung des Dom- und Diözesanarchivs in Mainz hatte er zum 1. August 1988 übernommen.