„Den Wert des europäischen Projekts bewusst machen“

Traditioneller St. Martinsempfang des Katholischen Büros in Mainz im Erbacher Hof

Martinsempfang (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Di. 6. Nov. 2018
Von:
tob (MBN)
Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat dafür geworben, „den Wert des europäischen Projekts wieder bewusst zu machen, vor allem bei den jungen Menschen“. Das sagte Kohlgraf in seiner Ansprache beim traditionellen St. Martinsempfang am Dienstagabend, 6. November, in Mainz. Gerade junge Menschen müssten die Erfahrung machen können, „dass Europa ihnen Chancen eröffnet. Das muss auch auf lokaler und regionaler Ebene, auch auf Landesebene sichtbar werden“, sagte Kohlgraf.
Martinsempfang (c) Bistum Mainz / Blum

Aktuell sei Europa „durch einen Prozess der Renationalisierung und eine Erosion von Solidarität bedroht“, sagte Kohlgraf. „Das ist ernüchternd und stellt die Anhänger der Europäischen Einigung vor argumentative Herausforderungen: Man muss zeigen können, warum die Idee der europäischen Einigung weiterhin attraktiv und sinnvoll ist.“

Er wies darauf hin, dass Europa von seinen Gründern als Friedensprojekt verstanden worden sei. Wörtlich sagte er: „Die friedliche Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union ist ohne Frage ein Fortschritt in der europäischen Geschichte. Auch wenn es in Europa wei-terhin unterschiedliche Interessen gibt, so ist doch das berühmte Zitat des Kommissions-präsidenten Jean-Claude Juncker richtig, der sagte: ‚Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen!“

Der Bischof erinnerte an „die unbestreitbaren Erfolge der Europäischen Union“, die 2012 auch durch die Verleihung des Friedensnobelpreises gewürdigt worden seien.  Die Europäische Union habe wesentlich Anteil daran, dass aus einem „Kontinent der Kriege“ ein „Kontinent des Friedens“ wurde. Dies scheint jedoch inzwischen in Vergessenheit geraten zu sein, sagte Kohlgraf.

Deutschland habe als größte Wirtschaftsmacht eine besondere Verantwortung in Europa: „Wir dürfen unsere starke Stellung in Wirtschaft und Politik nicht als Hegemon nutzen und den anderen unsere Vorstellungen aufoktroyieren. Europäische Solidarität ist auch von uns gefordert, auch dann, wenn wir nicht direkt davon profitieren, sondern sie von uns Opfer verlangt.“ Natürlich sei es legitim, auch Kritik an Europa zu üben, betonte Kohlgraf: „Wenn aber Politiker bei allem, was nicht gut läuft, die Schuld Brüssel anlasten, wie es leider oft geschieht, dann schadet das dem europäischen Projekt. Dieser Versuchung dürfen Landes- oder Bundespolitiker nicht erliegen.“

Dreyer: Gute Kooperation mit dem Katholischen Büro

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, würdigte die „gute Kooperation mit dem Katholischen Büro in den vergangenen Jahren“. Sie dankte dem Katholischen Büro und allen früheren Mitarbeitern für die gute Zusammenarbeit. Besonders dankte sie der Kirche dafür, dass sie das Thema Europa aufgreife und offensiv angehe. Dreyer machte deutlich, dass sie von den Ergebnissen der MHG-Studie erschüttert worden sei. „Es verdient Respekt, dass die Kirche die Studie in Auftrag gegeben habe“, sagte die Ministerpräsidentin. Sie dankte den rheinland-pfälzischen Bischöfen für den jüngst erfolgten Austausch zu Fragen des sexuellen Missbrauchs. „Ich habe den Eindruck, dass Sie die Konsequenzen aus der Studie zur Chefsache gemacht haben. Außerdem habe ich Ihre entschiedene Bereitschaft zur Kenntnis genommen, die Opfer an die erste Stelle zu setzen.“ Auch die Bereitschaft, Missbrauchsfälle konsequent an die Staatsanwaltschaften zu melden, werde der Glaubwürdigkeit der Kirche nutzen, sagte Dreyer.

Der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann dankte in seinem Schlusswort für „das partnerschaftliche Verhältnis“ mit der Landesregierung. Ackermann machte deutlich, dass Fragen des sexuellen Missbrauchs „ein Lernweg für die Bischöfe“ bleiben würden. „Wir werden den Weg der Aufarbeitung entschieden weitergehen.“ Die MHG-Studie habe den Bischöfen die Augen für die systemischen Faktoren des Missbrauchs geöffnet. Ackermann nannte die Selbstverpflichtung der Deutschen Bischofskonferenz „ein ambitioniertes Programm“. Bei der anstehenden Sitzung des Ständigen Rates werde er Strukturen für eine Umsetzung vorlegen.

Rund 160 Gäste im Erbacher Hof

Die Begrüßung im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes hatte der Leiter des Katholischen Büros Mainz, Ordinariatsdirektor Dieter Skala, übernommen. Er begrüßte rund 160 Gäste aus Politik, Kirche und Verwaltung. Skala erinnerte in seiner Ansprache, dass das Katholische Büro Mainz in diesem Jahr seit 50 Jahren als Kontaktstelle der rheinland-pfälzischen Bischöfe mit der Landespolitik besteht. Erster Büroleiter war Prälat Roland Ries (1930-2016) aus dem Bistum Trier.

Wörtlich sagte Skala: „Auch nach 50 Jahren ist das Katholische Büro Mainz mit all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten und neuen Partnerinnen und Partnern, um Kommunikation zu betreiben. Und auch weiterhin werden wir mit Ihnen gemeinsam auf die Sorgen und Nöte der Menschen hören, auf die Her-ausforderungen unserer Zeit achten, um unserer Verantwortung vor Gott und den Men-schen gerecht zu werden. Dabei wollen wir uns auch zukünftig an dem orientieren, was uns der 1. Petrusbrief mit auf den Weg gibt: "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“

Neben Ministerpräsidentin Dreyer waren unter anderen die Staatsministerinnen Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Dr. Stefanie Hubig gekommen, sowie die Staatsminister Professor Dr. Konrad Wolf, Dr. Volker Wissing und Herbert Mertin. Auch Landtagspräsident Hendrik Hering und der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz, Dr. Lars Brocker, waren der Einladung des Katholischen Büros gefolgt. Außerdem waren folgende Vorsitzende der im Landtag vertretenen Fraktionen in den Erbacher Hof gekommen: Christian Baldauf (CDU), Dr. Bernhard Braun (Bündnis 90/Die Grünen), Alexander Schweitzer (SPD) und Dr. Tilo Böhme, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion.
 
Aus den rheinland-pfälzischen Bistümern waren neben Bischof Kohlgraf und Bischof Ackermann unter anderen der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, der Limburger Bischof, Dr. Georg Bätzing, und der Bischof von Speyer, Dr. Karl-Heinz Wie-semann, gekommen. Musikalisch gestaltet wurde der Abend vom Chor des Gymnasiums Theresianum in Mainz unter der Leitung von Studienrätin Ursula Kleffner und Studienrätin Eva Weskamp.

Martinsempfang (c) Bistum Mainz / Blum
Martinsempfang (c) Bistum Mainz / Blum