Die Zeit des Einzelkämpfers ist vorbei

Pontifikalamt mit Bischof Peter Kohlgraf zum Feiertag des Mainzer Priesterseminars

Mainz, 8. Dezember 2018: Bischof Peter Kohlgraf bei seiner Predigt in der Augustinerkirche. (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Sa. 8. Dez. 2018
Von:
tob (MBN)

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat dazu aufgerufen, im Rahmen des Pastoralen Weges im Bistum Mainz auch für Fragen der Ausbildung und Begleitung von Seelsorgerinnen und Seelsorgern zukunftsweisende Lösungen zu suchen.

Mainz, 8. Dezember 2018: Bischof Peter Kohlgraf im Gespräch beim Seminarfeiertag im Priesterseminar. (c) Bistum Mainz / Blum

In seiner Predigt im Pontifikalamt zum Seminarfeiertag am Freitag, 8. Dezember, in der Mainzer Augustinerkirche sagte er: „Das Bild vom leitenden, alles auf sich beziehenden Einzelkämpfer an der Spitze einer Pfarrei oder einer pastoralen Einheit, funktioniert schon lange nicht mehr, auch wenn es in manchen Köpfen und in der Praxis noch leben mag. Auf unserem Pastoralen Weg habe ich das Motiv des ‚Teilens’ vorgeschlagen. ‚Leben teilen - Glauben teilen - Ressourcen teilen - Verantwortung teilen’ hat auch etwas mit unserer Lebens-, Leitungs- und Pastoralkultur zu tun. Finden wir zu einem pastoralen Miteinander vor Ort, auch im Teilen des Lebens, des Glaubens, der Ressourcen und der Verantwortung unter den Priestern, Seelsorgern und Seelsorgerinnen?“ Der Feiertag des Mainzer Priesterseminars findet traditionell am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria statt.

Kohlgraf erinnerte daran, dass die Sprachfähigkeit in Glaubensfragen nicht nur ein formelhaftes Wissen über Inhalte des Glaubensbekenntnisses bedeuten könne, sondern mindestens auch die Ebene der persönlichen Erfahrung und des gläubigen Zugangs einschließe. Und weiter: „Wenn es stimmt, dass nicht wenige Menschen heute eine religiöse Sehnsucht in sich tragen, brauchen sie Wegbegleiterinnen und -begleiter, die einerseits Orientierung aus dem Glauben an Christus geben können, andererseits aber eine individuelle und persönliche Suche begleiten können, die nicht nur fertige Konzepte übertragen auf andere. Dafür braucht es ein echtes Interesse und eine Nähe zum Menschen. Ich kann mir niemanden im kirchlichen Dienst vorstellen, der nicht interessiert gesellschaftliche und politische Fragen verfolgt, und gleichzeitig mit echtem Interesse seinen Mitmenschen begegnet. Glaubensweitergabe ist Beziehungsarbeit.“ Um Glauben als Beziehungsgeschehen gestalten, „brauchen wir Menschen, die ihren Glauben und damit Gott und das Evangelium nicht als Besitz betrachten, die vielmehr fähig sind zur Weiterentwicklung, zur Spurensuche, die neugierig fragen und suchen, die ihrem ‚unruhigen Herzen’ (Augustinus) folgen“.

Mainz, 8. Dezember 2018: Bischof Peter Kohlgraf im Gespräch mit den Sängern des Ensembles Enona beim Seminarfeiertag im Priesterseminar. (c) Bistum Mainz / Blum

Und weiter: „Fünfundzwanzig Jahre bin ich Priester und habe immer wieder auch traurig wahrgenommen, dass wir untereinander kaum über unseren persönlichen Glauben reden können oder wollen. Wie können wir es dann von unseren Gläubigen erwarten? Die Sprachfähigkeit in Glaubensfragen kann nicht nur ein formelhaftes Wissen über Inhalte des Glaubensbekenntnisses bedeuten, sondern beinhaltet mindestens auch die Ebene der persönlichen Erfahrung und des gläubigen Zugangs. Eine Kirche des Teilens beginnt bei uns, vom Bischof über die Priester und die Hauptamtlichen im kirchlichen Dienst.“

Der Bischof ging zu Beginn seiner Predigt auch kurz grundsätzlich auf die Frage nach der künftigen Gestaltung der Priester- und Seelsorgerausbildung ein. Wörtlich sagte er: „Ich sehe keine Lösung darin, die Qualitätssicherung vorwiegend in der Größe von Seminarkollegien zu definieren. So wie wir derzeit auf unserem Pastoralen Weg sehen, dass wir zu einer neuen Logik von Pastoral und zu neuen Wegen der Katechese finden müssen, dass wir vor Fragen eines neuen Verständnisses von Leitung und Ausübung geistlicher Macht und Autorität stehen, so müssen wir auch in der Aus- und Weiterbildung unserer Priester, Diakone und der anderen Seelsorgeberufe darauf reagieren und innovative Ideen entwickeln. Ich lade ein, auch diese Frage in den Pastoralen Weg im Bistum Mainz einzubringen. So wie es keine zufriedenstellende Lösung ist, bei einer bestimmten pastoralen Logik zu bleiben, und aufgrund der Situation nur die Bereiche zu vergrößern, in den Grundhaltungen aber nichts zu verändern, kann es im Bereich von Studium, Aus- und Weiterbildung auch nicht allein um Zusammenlegung und Konzentration gehen. Eine Predigt ist nicht der Ort, dies im Detail zu diskutieren, aber ich möchte wenigstens einige Fenster öffnen.“  

Nach dem Gottesdienst hielt Professor Dr. Michael Kißener, Direktor des Arbeitsbereiches Zeitgeschichte an der Johannes gutenberg-Universität in Mainz, in der Aula des Priesterseminars den Festvortrag zum Seminarfeiertag. Er sprach zum Thema „Kirche zwischen Krieg und Frieden. Katholische Positionen im deutsch-französischen Verhältnis vom Ersten Weltkrieg bis zur Gründung des Europarates.“ Die Begrüßung und Moderation hatte der Regens des Mainzer Priesterseminars, Dr. Tonke Dennebaum, übernommen. Musikalisch gestaltet wurde die Akademische Feier vom Vokalensemble Enona. Nach dem Mittagessen bestand außerdem Gelegenheit zur Besichtigung der Ausstellung „Die Alumnen des Mainzer Priesterseminars im Ersten Weltkrieg. Feldpost an Regens Dr. Blasius Joseph Becker“, die noch bis zum 22. Februar 2019 in den Räumen der Mainzer Martinus-Bibliothek zu sehen ist.