Ein offenes Ohr für Polizistinnen und Polizisten

Polizeiseelsorger Joachim Michalik arbeitet für die Katholische Polizeiseelsorge im Land Hessen (c) Katholische Polizeiseelsorge im Land Hessen
Datum:
Mo. 28. März 2022
Von:
hoff (MBN)

Sie müssen Angehörigen Todesnachrichten überbringen oder bei schweren Verkehrsunfällen vor Ort sein – diese Aufgaben können für Polizistinnen und Polizisten belastend sein. Auch im privaten Umfeld werden sie mit Schicksalsschlägen konfrontiert. Joachim Michalik aus Rosbach ist Polizeiseelsorger im Polizeipräsidium Mittelhessen und im Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidium. Er steht den Polizistinnen und Polizisten in diesen Situationen zur Seite. Im Sommer geht er in den Ruhestand.

Michalik wechselte vor zwölf Jahren in die Polizeiseelsorge in Hessen. Als junger Pastoralassistent traf er einen evangelischen Kollegen, der Polizistinnen und Polizisten bei ihrer Arbeit begleitete. Das weckte Michaliks Interesse. Er fragte, ob er die Polizisten mal auf einer Streife begleiten dürfe. Dann saß er zwei Nächte lang mit Polizisten während der Nachtschicht im Fahrzeug. Ein Polizist bekam gegen Ende der Schicht den Auftrag, in einer Sache zu ermitteln. Während sie im Wagen am Straßenrand saßen, entspann sich ein Gespräch. Der Polizeibeamte erzählte, Michalik hörte ihm zu. „Es geht darum, ohne dass man es ausspricht, das Signal auszusenden: Wenn du willst, kannst du mit mir reden“, erklärt er. Präsent sein, ansprechbar sein, ohne damit ein konkretes Ziel zu verfolgen.

In den Gesprächen geht es nicht nur um belastende Situationen im Einsatz, auch mit privaten Problemen wenden sich die Polizistinnen und Polizisten an Michalik. Etwa, wenn eine Ehe in die Brüche geht, oder die eigenen Kinder straffällig werden. Über alle Dienstgrade hinweg kommen die Kolleginnen und Kollegen der Polizei zu ihm. Dabei spielt es für den Seelsorger keine Rolle, ob sein Gegenüber getauft ist, oder nicht. „Ich bin für alle da“, sagt er. Und ergänzt: „Aber sie dürfen wissen, dass ich katholisch bin.“

Notfallseelsorge in der Wetterau gegründet

Polizeiseelsorger Joachim Michalik (c) Bistum Mainz/Hoffmann

Zuvor hatte Michalik in der Notfallseelsorge gearbeitet. Diese hatte er 1998 in der Wetterau gegründet und bis 2009 geleitet. Kam es damals zu Einsätzen mit Polizei und Rettungskräften, war er für den Kontakt zur Polizei zuständig. Es war schon längere Zeit sein Wunsch, in der Polizeiseelsorge zu arbeiten. Im Jahr 2010 schloss er mit der Notfallseelsorge ab und wechselte zur Polizeiseelsorge. Wie er selbst mit belastenden Erlebnissen zurechtkommt? „Es ist mir zum Glück gegeben, dass mich die Ereignisse nicht dauerhaft begleiten oder belasten“, sagt er. Es sei ihm immer gelungen, das Erlebte mit der Einsatzjacke an der Garderobe abzulegen.

Ursprünglich hatte Michalik ein anderes Ziel vor Augen: Als er 19 Jahre alt war, wollte er Priester werden. Er begann sein Noviziat bei den Oblatenmissionaren auf dem Mainzer Hartenberg. „Beim Zulassungsgespräch zur dritten zeitlichen Profess habe ich dann gemerkt: Das wird nichts“, sagt er. Als Sohn einer Schneiderin hatte er eine Vorliebe für gute Stoffe. „Das Thema Armut hat nicht zu mir gepasst.“ Er trat nach Ablauf der Profess-Zeit nicht in den Orden ein, und kam stattdessen nach dem Ende seines Theologiestudiums nach Gießen. Dort arbeitete er bis 1988 in der Pfarrei St. Albertus, danach 22 Jahre als Dekanatsreferent in der westlichen Wetterau. 

Zu seinen Aufgaben gehört nicht nur die Einsatzbegleitung. Die Polizeiseelsorge feiert auch kleine und große Gottesdienste mit bis zu 2.500 Teilnehmenden, etwa bei der Vereidigung der Polizistinnen und Polizisten. „Zu den Gottesdiensten kommen sogar Polizisten, die eigentlich aus der Kirche ausgetreten, oder gar nicht getauft sind“, sagt Michalik. Auch, wenn die Wasserschutzpolizei ein neues Boot bekommt, werden er und seine evangelischen Kollegen angefragt: „Wir können uns nicht vorstellen, ein Boot in den Dienst zu nehmen, ohne, dass es zuvor gesegnet wurde“, heißt es dann. Auch Wallfahrten und Seminare gehören zum Programm der Polizeiseelsorge.

Berufsethik an der Polizeihochschule

Ein weiteres Aufgabengebiet ist die Lehre an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit. Michalik unterrichtet in Gießen das Fach Berufsethik. „Es geht darum, den Polizeianwärtern klar zu machen, dass es keine ethikfreie Zone in der Polizei gibt“, sagt Michalik. Die Polizisten müssten sich damit auseinandersetzen, dass sie zum Beispiel in die Situation kommen könnten, selbst schießen zu müssen, verdeutlicht der Pastoralreferent. „Dabei geht es nicht darum, ihnen zu sagen, was richtig ist, sondern sie auf die Situation vorzubereiten“, betont er. 

Im Jahr 2017 wurde im hessischen Innenministerium eine Gedenktafel für Polizistinnen und Polizisten eingeweiht, die im Dienst zu Tode gekommen sind. „Ich bin zunehmend darüber erschrocken, wie viele darauf stehen, die durch meine Ausbildung gegangen sind“, sagt Michalik, der auch Landesbeauftragter für die katholische Polizeiseelsorge in Hessen ist. Die jungen Leute würden häufig als Vorteil anführen, dass sie einen sicheren Beruf hätten. „Aber sicher ist ihr Beruf nicht“, gibt Michalik zu bedenken. Der Elan, mit dem sich die jungen Anwärterinnen und Anwärter ausbilden lassen, beeindruckt ihn. Und es ärgert ihn, dass die Polizistinnen und Polizisten in der Gesellschaft oft nicht gut dastehen. „Sie wollen, dass unsere Gesellschaft einen guten Weg geht“, erklärt der Seelsorger. Ein Problem sei der Vertrauensverlust großen Organisationen gegenüber, seien es Parteien, der Staat an sich, oder auch gegenüber den Kirchen.

„Mich fasziniert, dass man in einer säkularen Institution des Staates als Kirche einen Beitrag leisten kann, damit unsere Gesellschaft auf einem guten Weg bleibt“, sagt Michalik. „Und ich nehme mit großer Freude wahr, dass das Angebot von den meisten Polizistinnen und Polizisten gut angenommen wird.“ Auch Angebote wie Familienfreizeiten und Besinnungstage im Kloster Jakobsberg sind gefragt. Diese Angebote gingen über das hinaus, was die Polizei leisten könne. „Wir sind als Gast in dieser Institution, und man vertraut uns sehr, dass wir mit unserem Gastrecht verantwortungsvoll umgehen“, beschreibt Michalik das Verhältnis. 

So sehr ihn die Situation der Kirche am Ende seines Berufslebens bedrückt, Michalik ist dankbar, dass die Kirche ihm ermöglicht hat, so zu arbeiten. „Irgendwie gehör ich auf die Gass“, sagt er. Und wie soll es weitergehen? Michalik freut sich, dass der Druck bald weg ist, den das Arbeitsleben mit sich bringe. Er ist froh, aus der „Tretmühle“ herauszukommen. Als selbständiger Supervisor wird er weiterhin arbeiten. Und im Keller hat er sich schon vor Jahren eine kleine Schreinerei eingerichtet. Außerdem soll mehr Zeit bleiben für die Familie. „Ich habe zwei Töchter, die sind immer für eine Überraschung gut“, sagt er.