„Eine Ahnung von der Gegenwart Gottes“

Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz predigt bei der Dieburger Wallfahrt. Rechts im Bild: Dekan Alexander Vogl (c) Bistum Mainz/Hoffmann
Datum:
Mi. 8. Sep. 2021
Von:
hoff(MBN)

„Wir können etwas von der Gegenwart Gottes spüren, auch wenn wir sie noch nicht vollständig erkennen können“, sagte der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, in seiner Predigt bei der „Großen Dieburger Wallfahrt“ am 7. September, am Vorabend des Festes Mariä Geburt.

Teilnehmende mit Kerzen in der Hand vor der Prozession (c) Bistum Mainz/Hoffmann

Weihbischof Bentz verknüpfte den Gedanken mit einem persönlichen Erlebnis aus seinem Urlaub. Er hatte in den Sommerferien ein paar Tage in Zermatt, am Matterhorn verbracht. Da er eine „Lerche“ sei, gelinge es ihm auch in den Ferien selten, länger als bis sechs Uhr morgens zu schlafen. Das hätte ihm die Gelegenheit geboten, morgens aus dem Fenster zu schauen, mit Blick auf das Matterhorn: „Das Tal lag noch im Dunkeln, es war ganz grau. Die Sonne war noch nicht über die Berge aufgestiegen, sie war noch nicht da. Doch in der Höhe wurde der Gipfel des Matterhorns angestrahlt und leuchtete intensiv in den Farben Rot, Orange und Gelb.“ Da kam ihm der Gedanke, dass es mit dem Matterhorn sei wie mit der Gegenwart Gottes: „Auch, wenn sie noch nicht sichtbar ist, ist es uns möglich, sie zu erahnen. Auch Gott wirkt lange, bevor wir es erahnen.“ Das mache uns Christen zu Hoffnungsträgern. Wir sollten nicht pessimistisch in der Welt leben, sondern uns dieser Hoffnung vergewissern, die wir haben dürften.

Zur Lichterwallfahrt zogen die Teilnehmenden mit Kerzen um die Wallfahrtskirche (c) Bistum Mainz/Hoffmann

Bentz stellte auch einen Bezug her zur Gottesmutter Maria: „Sie wird oft die Morgenröte des Heils Gottes genannt. Und in der Tat, wurde durch sie schon etwas vom Wirken Gottes in der Welt spürbar, noch bevor es durch das Wirken Jesu sichtbar wurde.“ So sei es zum Beispiel bei der Hochzeit von Kanaa gewesen, als sie schon voller Hoffnung war, und Jesus etwas zutraute, obwohl dessen Zeit eigentlich noch nicht gekommen war. „Gottes Heilswillen strahlt in ihr auf.“ Das sei auch der Grund, warum viele Pilgerinnen und Pilger in der Pietà der Dieburger Gnadenkapelle Trost und Hoffnung finden würden: „In diesem Bild ist noch nichts von Ostern zu erkennen. Aber die Menschen schauen mit den Augen des Glaubens auf das Gnadenbild und können die österliche Botschaft darin schon sehen.“ Bentz ermutigte die Teilnehmenden der Wallfahrt, auf diese Ahnung Gottes zu vertrauen, und ihm zuzutrauen, dass er einen Plan habe für ihr Leben. Diese Worte richtete er besonders an die jungen Pilgerinnen und Pilger.

Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie

In einer Lichterprozession zogen die Pilger durch die Dieburger Innenstadt (c) Bistum Mainz/Hoffmann

Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Wallfahrt mit Einschränkungen statt. Die Zahl der Teilnehmenden war auf 300 begrenzt. Es galten Abstandsgebot und Maskenpflicht. Trotzdem strahlte Dekan Alexander Vogl Zuversicht aus: „Wir sind froh und dankbar, die Wallfahrt in dieser Form feiern zu können“, sagte er zur Begrüßung. „Es war schlimm und traurig letztes Jahr, als nichts stattfinden konnte“, erinnerte er sich. „Und wir freuen uns, dass auch Firmlinge, Ministranten, Kinder und Jugendliche da sind“, richtete er einen besonderen Gruß an die Jüngeren.

Nach dem Festgottesdienst zogen die Teilnehmenden in einer „kleinen Lichterprozession“ um die Wallfahrtskirche und durch die Dieburger Innenstadt. Dabei sangen sie Marienlieder und hielten Fürbitte. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Kirchenchor unter der Leitung von Werner Utmelleki. Der Gottesdienst war der Auftakt zu weiteren Gottesdiensten und Wallfahrtsveranstaltungen zur Dieburger Gnadenkapelle.

Stichwort: Die Wallfahrtstradition in Dieburg

Die Pietà in der Dieburger Gnadenkapelle (c) Bistum Mainz / Hoffmann

Der Anfang der Dieburger Wallfahrt liegt im Dunkeln. Das heute noch in Dieburg verehrte Gnadenbild entstand um das Jahr 1420. Der Künstler der Pietà ist unbekannt. Sie stellt Maria als Inbegriff von Leid und Schmerz dar, wie ihr toter Sohn an ihrer Brust lehnt. Am 7. April 1498 weihte der Mainzer Weihbischof Erhard die Dieburger Pietà. Verehrt wurde diese schmerzhafte Muttergottes in der 1232 erbauten Muttergotteskapelle neben der Pfarrkirche. Ob dort vorher ein anderes Gnadenbild verehrt wurde, ist nicht überliefert. 

Der von 1670 bis 1679 in Dieburg tätige Pfarrer Johann Caspar Diemer erwarb sich besondere Verdienste um die Wiederbelebung der Wallfahrt nach dem Dreißigjährigen Krieg. Auf ihn geht die jetzige Form der Wallfahrt im Wesentlichen zurück. Er bestimmte das Fest Mariä Geburt am 8. September als Hauptwallfahrtstag, da ihm dieser Termin nach Abschluss der landwirtschaftlichen Arbeiten besonders günstig erschien. Für das 18. Jahrhundert wird von einer größeren Zahl wunderbarer Heilungen vor dem Gnadenbild berichtet. 1697 wurde die Marienkapelle im Zuge der Erweiterung der angrenzenden Wallfahrtskirche abgerissen. 1930 entstand im Rahmen einiger baulicher Erneuerungen ein Außenaltar an der Wallfahrtskirche. 

Der Standort der heutigen Wallfahrtskapelle war Mittelpunkt des römischen Dieburg gewesen. Bereits im neunten Jahrhundert wurde dort eine dreischiffige Basilika erbaut, auf deren Grundmauern das Hauptschiff der heutigen Wallfahrtskirche steht. Heute wird die Wallfahrt an Mariä Himmelfahrt (15. August) mit Kräuterweihe in Dieburg üblicherweise als „Kleine Wallfahrt“ bezeichnet und die Wallfahrt an Mariä Geburt (8. September) als „Große Wallfahrt“.

Weitere Informationen zur Wallfahrt: www.bistummainz.de/pfarrei/dieburg-peter-und-paul/Wallfahrt/