Festgottesdienst „900 Jahre Wormser Konkordat“

Predigt von Nuntius Eterović / Vortrag von Professor Kirchhof

Worms, 25. September 2022: Nuntius Nikola Eterović würdigte beim Festgottesdienst das Wormser Konkordat; daneben Propst Tobias Schäfer (rechts) und Bischof Peter Kohlgraf. (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
So. 25. Sep. 2022
Von:
tob (MBN)

Worms. Mit einem festlichen Pontifikalamt im Wormser Dom hat die Wormser Domgemeinde an das Jubiläum „900 Jahre Wormser Konkordat“ erinnert. Der Apostolische Nuntius für Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, würdigte in seiner Predigt am Sonntag, 25. September, die große Bedeutung, welche dem Konkordat bis heute zukomme. Es sei der Beginn einer langen Reihe von Vereinbarungen, die das Verhältnis von Staat und Kirche regeln. 

 

Worms, 25. September 2022: Der Apostolische Nuntius für Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović (rechts) und der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf beim Festgottesdienst. (c) Bistum Mainz / Blum

Als „wegweisendes Wort Jesu“ zum Verhältnis von Staats und Kirche verwies der Nuntius auf Matthäus 22,21, wo es heißt: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört.“ In den gemeinsamen Angelegenheiten (res mixtae) wie dem Religionsunterricht, theologischen Fakultäten oder der Krankenhausseelsorge setzten sich Staat und Kirche für das Wohl der Menschen ein. Erzbischof Eterović hob hervor, dass die Kirche stets offen für den Dialog mit dem Staat sei. Zu Beginn des Gottesdienstes hatte der Nuntius als offizieller Vertreter des Heiligen Vaters in Deutschland die herzlichen Grüße von Papst Franziskus überbracht.

Worms, 25. September 2022: Propst Tobias Schäfer beim seiner Begrüßung im Wormser Dom (c) Bistum Mainz / Blum

Konzelebranten des Gottesdienstes waren unter anderen der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und der Wormser Propst Tobias Schäfer, der die Begrüßung im Dom übernommen hatte. „Die Mauern unseres Domes sind Zeugen dieses Ereignisses, dass bis heute das Staat-Kirche-Verhältnis prägt“, sagte Propst Schäfer. Bischof Kohlgraf dankte dem Nuntius am Ende des Gottesdienstes, dass er zu diesem „bedeutenden Jubiläum“ nach Worms gekommen sei. Bei der Beschäftigung mit dem Konkordat sei ihm deutlich geworden, dass die Kirchengeschichte vor 900 Jahren mit dem Austausch der Vertragsdokumente zwischen Kaiser und Päpstlichem Legaten „durch die Mächtigen gestaltet worden ist“, betonte Kohlgraf im Dom. „Heute bin ich dankbar dafür, dass wir die Kirchengeschichte mit vielen Menschen in unseren Gemeinden gestalten und nicht mehr nur die Großen und Mächtigen.“

Mit dem Wormser Konkordat (auch als „Pactum Calixtinum sive Heinricianum“ bezeichnet) war nach Jahrzehnten zwischen Papst Calixt II. und dem römisch-deutschen Kaiser Heinrich V. der Investiturstreit zwischen geistlicher und weltlicher Macht beigelegt worden. Am 23. September 1122 waren in Worms die Urkunden des Konkordates ausgefertigt und ausgetauscht worden.

Festakt im Wormser Haus am Dom

Worms, 25. September 2022: Festgottesdienst zum Jubiläum

Beim anschließenden Festakt im Haus am Dom referierte der frühere Bundesverfassungsrichter, Professor Dr. Paul Kirchhof, zum Thema „Die Entwicklung von ‚weltlicher und geistlicher Gewalt‘ in der Gegenwart“. „Die große Klugheit des Konkordates war auch ihr Schweigen“, sagte Kirchhof, denn mit der Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt sei in einem Kooperationsverfahren Frieden gefunden worden, „gerade auch weil man die Antworten auf die großen Fragen offen gelassen hat“. Das heutige Verfassungskonzept in Deutschland sei „eine Spätfolge des Wormser Konkordates“.

Worms, 25. September 2022: Nach dem Festgottesdienst fand ein Festakt im Haus am Dom statt (v.l.n.r.): Jan Metzler (MdB), OB Adolf Kessel, Nuntius Nikola Eterović, Bischof Peter Kohlgraf, Professor Paul Kirchhof und Propst Tobias Schäfer. (c) Bistum Mainz / Blum

Kirchhof betonte die Bedeutung der Kirche als „Navigator für eine innere moralische Bindung“ der Menschen. „Denn wenn jeder nur selbstbezüglich lebt, hat unser freiheitliches Verfassungskonzept keine Zukunft.“ Inzwischen sei die Trennung von Staat und Kirche „fast alltäglich“, allerdings sei das Miteinander heute gefährdet durch einen „militanten Laizismus“, welcher der Kirche keinen Raum geben wolle. Das aber sei „wider die Neutralität des Staates“, sagte Kirchhof, da auch alle Religionen die gleiche Berechtigung hätten.

Er erinnerte an die Aussage von Ernst-Wolfgang Böckenförde („Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“) und fügte hinzu, dass der Staat auch von Voraussetzungen lebe, „die er selbst hegen und pflegen muss“. Weiter sagte er: „Wenn ein Kind nicht in den Raum des Religiösen geführt worden ist und nicht weiß, was Religion ist, dann kann es auch das Angebot der Religionsfreiheit nicht annehmen. Deswegen müssen wir uns anstrengen, dass wir den Kindern religiöse Fertigkeiten mitgeben.“

Kirchhof konstatierte, dass auch die Kirche an einem „Wendepunkt“ sei, der in den großen Kirchenaustrittszahlen deutlich werde. Als die beiden großen Probleme benannte er die Missbrauchsverbrechen und das Kirchenrecht, „dessen Anforderungen an die Priester in eine priesterlose Zukunft führen wird“. Und weiter: „Wir können nicht so fortfahren wie bisher. Und mit Blick auf die Weltkirche ist das eine schwere Aufgabe.“ Die Lösung liege nicht in der Zentralisierung, „sondern unsere Bundesstaatlichkeit zeige, dass sich Freiheit in Vielfalt entfaltet“. Der Synodale Weg in der Kirche zeige sich als „Weg des Miteinanders“, sagte Kirchhof. „Es tut sich etwas und wir dürfen hoffnungsvoll sein.“

Worms, 25. September 2022: Paul Kirchhof und seine Ehefrau Jutta Kirchhof im Gespräch mit Nuntius Nikola Eterović. (c) Bistum Mainz / Blum

Mit dem Wormser Konkordat sei noch keine Trennung von Staat und Kirche vollzogen worden, sondern es sei „das Samenkorn, aus dem sich unser heutiges Staat-Kirche-Verhältnis entwickelt hat“, sagte Bischof Kohlgraf in seinem Grußwort. Heute erlebe er in der Zusammenarbeit der Bischöfe mit den Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen ein „ausgewogenes und gutes Verhältnis, auch wenn es nicht spannungsfrei ist und sicher nicht einfacher werden wird“. In dieser Zusammenarbeit leiste die Kirche im Sinne des Subsidiaritätsprinzips an der Seite des Staates einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft, betonte Kohlgraf.

Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Worms

Worms, 25. September 2022: Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat bereits Übung: Es ist nicht das erste Mal, dass sich Bischof Kohlgraf in das Goldene Buch der Stadt Worms eintragen darf; rechts Propst Tobias Schäfer. (c) Bistum Mainz / Blum

Der Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel verwies in seinem Grußwort auf die „zeitgemäß konzipierte Sonderausstellung“ zum Jubiläum. Bis zum 30. Dezember zeigt das Museum der Stadt Worms im Andreasstift die Ausstellung „Spiel um die Macht - Von Canossa nach Worms“. Im Rahmen des Festaktes trugen sich Nuntius Eterović, Bischof Kohlgraf und Professor Kirchhof außerdem in das Goldene Buch der Stadt Worms ein. Musikalisch wurde der Festakt von Lisa Lainsbury (Flöte) und Joachim Schmitz (Klavier) gestaltet.

Neben der laufenden Ausstellung im Andreasstift stand das Jubiläum im September auch im Mittelpunkt einer dreitägigen wissenschaftlichen Tagung („Das Wormser Konkordat von 1122 im europäischen Kontext“), die von der Stadt Worms in Kooperation mit dem Wormser Altertumsverein organisiert wurde. Dazu wird im Nachgang ein Tagungsband veröffentlicht. Am Dienstag, 11. Oktober, bietet die Dompfarrei außerdem im Haus am Dom einen Vortrags- und Gesprächsabend mit der früheren Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, an. Der Abend beginnt um 19.00 Uhr und steht unter der Überschrift „Christliche Kirchen und die Kunst des Politischen“.