„Generationswechsel beim Bistum sorgt auch für Reibungen”

Mainzer Generalvikar Udo Bentz reagiert auf die Kritik in Sachen Erbacher Hof und Bruder-Konrad-Stift

Das Bruder Konrad-Stift (c) Archivfoto Harald Kaster-VRM
Datum:
Di. 20. Dez. 2022
Von:
VRM

Mainz. Hängt beim Bistum Mainz der Haussegen schief? Im Erbacher Hof soll es im Zuge der Umstrukturierung zu Dissonanzen gekommen sein, jetzt gibt es Unstimmigkeiten wegen eines Immobilienverkaufs der Marienschwestern im Bruder-Konrad-Stift. Generalvikar und Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz, erklärt im Interview, wie es dazu kam. Dieser Artikel ist am Dienstag, 20.Dezember, in der Allgemeinen Zeitung Mainz veröffentlicht worden.

Der Mainzer Weihbischof und Generalvikar Dr. Udo Markus Bentz (c) Bistum Mainz

Herr Bentz, erst die Diskussionen um den Erbacher Hof, jetzt das Bruder-Konrad-Stift. Brodelt es hinter den Kulissen des Bistums?

Ich glaube nicht, dass es brodelt. Bei beiden Themen geht es um die Dynamik rund um einen Generationswechsel im Bistum: in der Leitung des Erbacher Hofes und bei der Frage der Zukunftssicherung bei den Marienschwestern im Bruder-Konrad-Stift. Der Erbacher Hof soll zu einer modernen Akademie werden. Ich erfahre bei den Mitarbeitenden ganz viel Bereitschaft, den Aufbruch mitzugestalten. Denjenigen, die die ganzen Jahre die Verantwortung getragen haben, fällt es schwer loszulassen. Für mich ist wichtig: Mit einem Wechsel der Verantwortung gilt es, die Chance zu nutzen, Dinge neu anzupacken.

Diese Probleme rühren also aus dem Veränderungsprozess her? Oder würden Sie einräumen, dass auch Fehler gemacht wurden?

Ich sehe bei der Neuausrichtung des Erbacher Hofes nichts, was schiefgelaufen ist. Was die Zukunftsausrichtung der Marienschwestern betrifft, sind dagegen Dinge schiefgelaufen. Hier wurden Transparenz- und Compliance-Regeln verletzt. Das kann ich als Generalvikar nicht durchgehen lassen. In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, das Bistum hätte ein Auge auf das Vermögen des Ordens geworfen. Das war nie der Fall und wäre rechtlich auch gar nicht möglich. Und es sieht aus, als sei das Genehmigungsverfahren, das der Orden gegenüber dem Bistum nicht eingehalten hat, eine formale Lappalie. Das ist es nicht. Es kam zu einem Immobiliengeschäft zwischen dem Orden und einem Investor. Die Marienschwestern sind ein Orden bischöflichen Rechts, sodass alle wesentlichen Entscheidungen und Rechtsgeschäfte einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen; und das ist die bischöfliche Verwaltung. Von dem Immobiliengeschäft haben wir aber erst nach dessen Abschluss erfahren. Eine notwendige Genehmigung war nicht eingeholt worden. Und da frage ich mich natürlich: Warum?

Was bedeutet das genau?

Bischof Kohlgraf und ich sind seit 2017 dabei, auf allen Ebenen des Bistums Compliance-Regelwerke und eine entsprechende Organisationskultur zu etablieren. Kirche braucht noch mehr als bisher verlässliche Transparenz. Davon bin ich überzeugt. Wir mühen uns um den Vertrauenswiedergewinn der Kirche. Wenn dann bei Geschäften diese Regeln nicht eingehalten werden, dann haben der Bischof und ich damit ein massives Problem. Das heißt: Wir müssen einschreiten und Verantwortung wahrnehmen.

Woran lag es Ihrer Meinung nach, dass diese Genehmigungen nicht eingeholt wurden? Hätten Sie möglicherweise vom Verkauf der Immobilie abgeraten?

Fest steht, dass das Bistum da keine Aktien im Spiel hat und kein Interesse daran hatte, die Immobilie selbst zu kaufen. Der Orden ist vermögensrechtlich völlig eigenständig. Das Bistum hat die Aufsichtspflicht und dafür Sorge zu tragen, dass die Geschäfte ordnungsgemäß abgewickelt werden, die Wertgutachten im Blick zu halten und zu schauen, dass niemand über den Tisch gezogen wird. Die Entscheidung, ob verkauft wird oder nicht, liegt allein bei den Schwestern. Aber wir können einordnen und beraten, ob die Konditionen des Verkaufs in Ordnung sind. Dabei geht es auch uns darum, sicherzustellen, dass das Vermögen der Schwestern gesichert ist.

Was halten Sie vom Verkauf der Immobilie, um dort Wohnungen entstehen zu lassen?

Wir hätten schon die Frage gestellt, ob es die richtige Entscheidung ist, dort hochpreisige Wohnungen zu errichten. Ich finde, es hätte doch eher dem Geist der Schwestern entsprochen, einen Teil des Projektes in eine Tagespflege umzuwandeln und einen Teil des Gebäudes für betreutes Wohnen statt ausschließlich für freies teures Wohnen zu nutzen. Für beides werden dringend Plätze gesucht. Das hätte womöglich eher dem Sendungsauftrag des Ordens entsprochen und hätte ebenso die eigene Vorsorge für das Alter sichern können.

Warum haben Sie den Vatikan eingeschaltet?

Zunächst hat der Bischof eine bischöfliche Visitation, also eine Untersuchung, angeordnet. Dazu gehörte auch die Frage des Generationenwechsels vor dem Hintergrund, dass der Orden schon lange keinen Nachwuchs mehr hat. Von den acht Schwestern ist die Mehrheit alt und pflegebedürftig. Schon vor zwei Jahren war der Orden damit beauftragt worden, Konzepte zu entwickeln, wie der Orden nicht nur finanziell in die Zukunft geführt werden kann, sondern auch, wie das für die Stadt unglaublich wertvolle geistige Erbe erhalten werden kann. Es hat sich gezeigt, dass grundlegende Veränderungen notwendig sind. Das fällt dann in die Kompetenz von Rom – unter anderem in der Frage, ob der Orden möglicherweise einem anderen angeschlossen werden kann, oder ob das Ordensvermögen in eine Stiftung überführt werden soll. Da auch die bischöfliche Visitation offenbar nicht entsprechend ernst genommen wurde, haben wir Rom angefragt, ob es dort eine Zuständigkeit für solche Fragen gibt und ob es hilfreich ist – wieder der Transparenz wegen – eine zweite Instanz hinzuzuziehen. Rom hat dann entschieden, sich einzuschalten.

Zu welchem Ergebnis ist Rom gekommen?

Das Ergebnis ist selbstredend: Die Ordensleitung wurde abgesetzt, der Hausgeistliche wurde abgesetzt. Es braucht eine neue Verfassung und das Immobiliengeschäft ist im Nachhinein zu prüfen und zu genehmigen – auch, wenn wir das Rechtsgeschäft nicht rückgängig machen können. Die Wohnungen sind ja schon gebaut.

Hat die Abberufung von Prälat Dietmar Giebelmann etwas mit dem Verkaufsgeschäft zu tun?

Mit Sicherheit hat die Abberufung etwas mit den Vorgängen rund um die Visitation zu tun, aber auch mit der Grundfrage, wie die Ordensgemeinschaft rechtlich, organisatorisch aber auch spirituell geistlich gut begleitet werden kann. Dabei braucht es einen neuen Blick von jemandem der neue Schritte geht. Das heißt nicht, dass Prälat Giebelmann ein Zelebrationsverbot im Bruder-Konrad-Stift hat. Aber in der Rolle des Hausgeistlichen braucht es einen personellen Wechsel.

Wie geht es jetzt weiter?

Mit der neuen Ordensleitung sind wir in sehr konstruktivem Austausch, wir haben alle Unterlagen für die Prüfung zusammen, wir haben jemanden gemeinsam mit den Schwestern beauftragt, der die neue Verfassung schreiben soll. Dabei geht es auch um ein neues Trägerkonstrukt, bei dem das Ordensvermögen vom Bruder-Konrad-Stift getrennt wird.

Wie gehen Sie und der Bischof mit der Kritik an Ihrer beider Person in beiden Fällen um?

Beim Erbacher Hof sind wir die Gestaltenden und haben die Prozesse in der Hand. Dabei ist es für jemanden, der lange Jahre sehr wertvoll gestaltend tätig sein konnte, offenkundig schwer, Abschied zu nehmen und sich zu verändern. Das habe ich als verantwortlicher Generalvikar im Blick, aber ich habe es nicht in der Hand, wie es jemandem gelingt, das gut zu gestalten. Bei der Trennung von Akademie und Tagungshaus gab es sicher auch große Unsicherheit bei den Mitarbeitern, mit wem und wie es weiter geht. Gleichzeitig herrscht auch Aufbruchstimmung. Wir wollen aber einer neuen Leitung kein fertiges Konzept vorlegen; auch diese Unsicherheit, die dadurch entsteht, muss man aushalten.

Will Ihnen in diesem Prozess jemand schaden? Auch, was mögliche künftige Berufungen Ihrer Person an andere Stellen betrifft?

Ich strebe nirgendwo anders hin. Unabhängig davon: Wo immer Sie etwas verändern, gibt es Menschen, die mitgestalten wollen. Und es gibt diejenigen, die sich schwertun. Die müssen wir mitnehmen. Und es gibt diejenigen, die durch Ruhestand nicht mehr mitgestalten können. Da habe ich wenig Möglichkeiten. Das Amt des Generalvikars ist manchmal wie ein Blitzableiter, bei dem sich Schwierigkeiten, Frustrationen und unterschiedliche Vorstellungen bündeln. Es gehört zu jeder Führungsaufgabe dazu, das gut wahrzunehmen und sich keine Panzerhaut zuzulegen. Aber: Wer’s allen recht macht, macht es niemandem recht. Der Bischof und ich versuchen, in den enormen Herausforderungen von Vertrauensverlust und Veränderung von Kirche in der Gesellschaft, das sehr wach wahrzunehmen und neu zu gestalten. Das führt zu Umbrüchen, Reibung, Dynamiken. Es setzt Energie frei – leider auch destruktive. Und das haben wir in diesem Fall erlebt.

Das Interview führten Maike Hessedenz und Dennis Rink.

 

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Der Artikel ist erschienen am Dienstag, 20. Dezember 2022.