Kohlgraf: "Gemeinsam machen wir uns stark für den Abzug der Atomwaffen aus Büchel"

Videobotschaft des Pax Christi-Präsidenten zum dritten Aktionstag gegen Atomwaffen

Ankündigung zum dritten Aktionstag gegen Atomwaffen in Büchel (c) Projektgruppe „Kirchen gegen Atomwaffen“
Datum:
Sa. 6. Juni 2020
Von:
tob (MBN)

Büchel/Mainz. Der dritte kirchliche Aktionstag gegen Atomwaffen in Büchel findet in diesem Jahr aufgrund der Corona-Krise am Samstag, 6. Juni, virtuell statt. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat sich als Pax Christi-Präsident in einem Grußwort zum Aktionstag für den Abzug der Atomwaffen aus Büchel ausgeprochen. Über die Internetseite der Projektgruppe "Kirchen gegen Atomwaffen" (https://kirchengegenatomwaffen.wordpress.com/) kann das Video zum diesjährigen Aktionstag ab 13.00 Uhr abgerufen werden. Neben Kohlgraf wird untern anderen auch die Stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD, Präses Annette Kurschus, ein Grußwort sprechen. Im Folgenden dokumentieren wir den Wortlaut des Grußwortes von Bischof Kohlgraf:

Liebe Friedensengagierte,
liebe Streiterinnen und Streiter für die Abschaffung der Atomwaffen,

Ihnen allen, die nun online am kirchlichen Aktionstag für den Abzug der Atombomben aus Büchel teilnehmen, gilt mein Dank für Ihr Engagement.

Als pax christi-Präsident weiß ich, wie viele von Ihnen über Jahre und Jahrzehnte am Ball geblieben sind und auf die Gefahren der nuklearen Waffen hinweisen. Das ist in Deutschland und Europa eine sehr wichtige Stimme, weil sich eine gefährliche Sorglosigkeit gegenüber der atomaren Bewaffnung und dem sogenannten Nato-Schutzschirm entwickelt hat. Mit Ihren politischen Aktionen verleihen Sie auch der christlichen Friedensethik Ausdruck.

Die Logik der atomaren Abschreckung war kein Weg zum Frieden, wie ihn das Zweite Vatikanische Konzil versteht: „Der Friede besteht nicht darin, dass kein Krieg ist; er lässt sich auch nicht bloß durch das Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte sichern; er entspringt ferner nicht dem Machtgebot eines Starken; er heißt vielmehr mit Recht und eigentlich ein "Werk der Gerechtigkeit" (Jes 32,17). Er ist die Frucht der Ordnung, die ihr göttlicher Gründer selbst in die menschliche Gesellschaft eingestiftet hat und die von den Menschen durch stetes Streben nach immer vollkommenerer Gerechtigkeit verwirklicht werden muss“ (Gaudium et spes 78).

Vor diesem Hintergrund lässt sich die atomare Abschreckung der letzten Jahrzehnte nur beurteilen als „höchst labiles Spannungsverhältnis zwischen den Machtblöcken, das jederzeit zu einer direkten militärischen Konfrontation hätte führen können.“[1] Das Erleben dieser Nachkriegszeit war ein höchst „prekäres Sicherheitsgefühl“[2].

Die Kirche hat demzufolge wiederholt vor der atomaren Abschreckungspraxis gewarnt, insofern sie keine Grundlage für echte Friedensbemühungen darstellt. 1983 äußerten sich die Bischöfe in „Gerechtigkeit schafft Frieden“, dass eine atomare Bedrohung – wenn überhaupt – immer nur auf Zeit ethisch vertretbar sei.

Im März 2010 beschloss der Deutsche Bundestag in diesem Sinne mit „breiter Mehrheit“, die „Bundesregierung solle sich mit Nachdruck für den Abzug der Atomwaffen einsetzen“. Politische Willensbekundungen dazu namhafter Politiker folgten. Bereits 1996 hatte der Internationale Gerichtshof den Einsatz und die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen als „grundsätzlich völkerrechtswidrig“ bezeichnet[3].

Die pax christi-Bewegung und viele protestantische Engagierte haben deutlich Position bezogen. Inzwischen hat Papst Franziskus mit seinen Worten und mit der Unterstützung des Atomwaffenverbotsvertrages durch den Vatikan klargemacht: Schon der Besitz von Atomwaffen ist zu ächten, erst Recht die Drohung damit und ihr Einsatz sowie die Herstellung. Dies ist jetzt auch die Position der katholischen Kommission Justitia et pax geworden. Ihr Engagement hat das mitangestoßen.

Gemeinsam machen wir uns dafür stark, dass auch Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt und damit einen Beitrag zu einer dauerhaften internationalen Friedensordnung leistet. Gemeinsam machen wir uns stark für den Abzug der Atomwaffen aus Büchel. Die Idee der Sicherheit durch Abschreckung und die falschen Hoffnungen, die in die nukleare Teilhabe gesetzt werden, müssen endlich überwunden werden. Das gilt aktuell besonders wieder in diesen Tagen, in denen vom Heraufziehen eines neuen „Kalten Krieges“ zwischen den Großmächten USA und China gesprochen wird[4] und auch andere Großmächte aufrüsten.

Protest ist gut und wichtig.

Aber für mindestens genauso wichtig halte ich es, aktiv und konstruktiv für die Wege zu werben, die zu echtem Frieden führen. Ich weiß, dass viele von Ihnen dies tun und dies auch eine starke Säule des Engagements von pax christi ist.

Ich will Sie heute ausdrücklich dazu ermutigen auch darin nicht nachzulassen und weiter daran zu arbeiten, diese Wege noch stärker ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit zu bringen, ja letztlich auf einen Bewusstseinswandel hinzuarbeiten: Internationale Solidarität, die Unterstützung für wirtschaftliche schwächerer Weltregionen und die Schaffung fairer Wirtschaftsbedingungen, die Förderung des Klima- und Umweltschutzes sind auch Formen der Konfliktprävention und der Friedenssicherung; die Methoden ziviler Friedenssicherung und Konfliktbewältigung sind oft wirkungsvoller als der Einsatz militärischer Mittel. Sie sind ein Beitrag zu unser aller Sicherheit. Ich wünsche mir, dass dies noch mehr in den Köpfen ankommt.

Gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie erfahren wir, wie verbunden wir als eine Menschheitsfamilie sind. Wir erleben, um wie viel mehr wir Zusammenarbeit und Fürsorge füreinander brauchen, um dieser weltweiten Bedrohung zu begegnen. Mit militärischer Abschreckung kommen wir hier ganz gewiss nicht weiter. 

Danken möchte ich auch der Projektgruppe "Kirchen gegen Atomwaffen", in der auch pax christi mitarbeitet, für die Organisation der kirchlichen Aktionstage in Büchel. Diese Treffen sind ein starkes Signal auf die Politik hin und zugleich eine wunderbare Bestärkung untereinander.

Dieses Jahr stehen wir leider nur online in Kontakt, aber ich freue mich schon auf nächstes Jahr, denn ich habe sehr gerne die Einladung angenommen und werde am 3. Juli 2021 mit beim Fliegerhorst in Büchel den ökumenischen Gottesdienst feiern.

Seien Sie und Ihre Arbeit gesegnet!

[1] Eberhard Schockenhoff, Kein Ende der Gewalt? Friedensethik für eine globalisierte Welt, Freiburg, Basel, Wien 2018, 73.

[2] Ebd. Nd

[3] Dazu Heribert Prantl, Neue Befreiung, in SZ vom 23.05.2020, S.4.

[4] Tageszeitungen vom 25.5.2020.