Maßnahmen des Bistums Mainz gegen sexualisierte Gewalt

Aufruf zur Mitwirkung im gemeinsamen Betroffenenbeirat läuft noch bis 28. März

(c) Bistum Mainz
Datum:
Mi. 17. März 2021
Von:
tob (MBN)

Mainz. Angesichts der aktuellen öffentlichen Diskussion zum Thema Missbrauch und sexualisierte Gewalt in der Kirche verweist das Bistum Mainz nochmals auf die verschiedenen Maßnahmen der Diözese in diesem Bereich:

Unabhängiges Aufklärungsprojekt EVV

Das Bistum Mainz hat im Juni 2019 den Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber beauftragt, ein unabhängiges Projekt zur Aufklärung der Missbrauchstaten im Bistum Mainz durchzuführen. Das Projekt „Erfahren. Verstehen. Vorsorgen“ (EVV) nimmt Taten sexuellen Missbrauchs und sexualisierter Gewalt seit 1945 in den Blick und fragt danach, wie im Bistum damit umgegangen wurde. Ein großes Anliegen ist es auch, bislang verborgenes Wissen über Fälle sexualisierter Gewalt im Bistum ans Licht zu bringen. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat mehrfach dazu aufgerufen, dass Menschen, die Kenntnis haben von Taten sexualisierter Gewalt im Bistum Mainz, den Kontakt zu Rechtsanwalt Weber suchen.

Bei der Vorstellung seines Zwischenberichtes hatte Weber im Oktober 2020 die gute Zusammenarbeit mit dem Bistum Mainz hervorgehoben: „Bischof Peter Kohlgraf kann und will nach unserer Einschätzung alle Karten auf den Tisch legen“, betonte Weber vor Journalisten im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes. Weber hat darauf hingewiesen, dass „Anfang 2022 ein realistischer Termin“ für seinen Abschlussbericht sei, der ebenso im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wird.

Aufarbeitungskommission und Beraterstab seit 2019

Im Bistum sind bereits 2019 eine unabhängige Aufarbeitungskommission und ein ständiger Beraterstab eingerichtet worden, die beide mit internen und externen Fachleuten besetzt sind. In der Aufarbeitungskommission engagieren sich seit Anfang 2021 auch zwei Vertreterinnen der Landesregierungen von Hessen und Rheinland-Pfalz: Die frühere Präsidentin des Oberlandesgerichtes Koblenz, Marliese Dicke, ist vom Land Rheinland-Pfalz entsandt worden und die frühere Bundesfamilienministerin, Dr. Kristina Schröder, vom Land Hessen.

Einzelne Maßnahmen der Aufarbeitung

Auch unabhängig vom EVV-Projekt unterzieht das Bistum Mainz den Umgang mit der Aufklärung von Missbrauchstaten in der Vergangenheit einer Prüfung. Die lückenlose Weitergabe aller bekannten Sachverhalte an die Generalstaatsanwaltschaften ist erfolgt und das Bistum hat gegenüber den Staatsanwaltschaften in Rheinland-Pfalz und Hessen seine vollumfängliche Kooperationsbereitschaft zum Ausdruck gebracht. Überprüft wird darüber hinaus, ob in kirchenrechtlicher Hinsicht alle notwendigen Schritte unternommen wurden, und ob gegebenenfalls kirchliche Verfahren nachgeholt werden müssen.

Gemeinsamer Betroffenenbeirat der Diözesen Fulda, Limburg und Mainz

Mit einem gemeinsamen Betroffenenbeirat wollen die drei Bistümer Fulda, Limburg und Mainz Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kirche an der Aufarbeitung in den Bistümern beteiligen. Der Betroffenenbeirat wird unabhängig von den Diözesen arbeiten und durch eine externe Geschäftsführung unterstützt werden. Zur Mitwirkung am Betroffenenbeirat laden die drei Bischöfe Michael Gerber (Fulda), Georg Bätzing (Limburg) und Peter Kohlgraf (Mainz) Menschen ein, die im kirchlichen Bereich sexualisierte Gewalt erlitten haben. „Wir können Missbrauch in der Kirche nur aus der Perspektive der Betroffenen angemessen aufklären und verhindern“, betonen die Bischöfe Gerber, Bätzing und Kohlgraf. Der Betroffenenbeirat begleitet die Arbeit der beteiligten Diözesen im Themenfeld der sexualisierten Gewalt aus Sicht der Betroffenen und ist darin unabhängig von jeglicher Weisung und Einflussnahme durch die Diözesen und ihre Vertreter. Damit dient er der kontinuierlichen und institutionalisierten Wahrnehmung der Betroffenenperspektive in diesem Themenfeld. Der Aufruf zur Beteiligung über die jeweiligen Büros der Generalvikare läuft noch bis Ende März. Die Auswahl wird durch ein unabhängiges, mit externen Personen besetztes Gremium vorgenommen.

Weiterentwicklung der Präventionsmaßnahmen

In den Pfarreien und Einrichtungen des Bistums Mainz werden kontinuierlich Maßnahmen zur Weiterentwicklung qualifizierter Standards der Präventionsmaßnahmen im Rahmen Institutioneller Schutzkonzepte umgesetzt. Grundlegend ist den Institutionellen Schutzkonzepten die partizipative Entwicklung einer achtsamen Haltung, sowie die Vereinbarung auf Standards und Verhaltensweisen sowie die Sicherstellung von Handlungssicherheit auf der Grundlage transparenter Beratungs-, Beschwerde- und Meldewege. Diese Institutionellen Schutzkonzepte werden entsprechend der Präventionsordnung des Bistums im nächsten Jahr in allen Pfarreien und Einrichtungen in Kraft gesetzt. Wiederbesetzt worden ist im Bistum Mainz die Stelle der Präventionsbeauftragten; neu eingerichtet wurde 2020 der Runde Tisch Prävention als Netzwerk von Zuständigen aus zahlreichen Arbeitsbereichen. Neu eingerichtet wurde im Jahr 2020 auch die Stelle eines Interventions- und Aufarbeitungsbeauftragten.

Ansprechpersonen für Betroffene

Ab sofort steht Volker Braun als weitere Ansprechperson des Bistums Mainz für Betroffene von sexualisierter Gewalt zur Verfügung. Braun nimmt die Aufgabe der unabhängigen Ansprechperson gemeinsam mit Schwester Marie Bernadette Steinmetz RSM wahr. Die beiden Ansprechpersonen sind im Bistum Mainz unabhängig von der Bistumsleitung. Sie sind für die Aufnahme und Weitergabe von Meldungen sexuellem Missbrauchs im Bistum Mainz zuständig. Für Betroffene oder Angehörige, die ein seelsorgliches Gespräch wünschen, stehen Mitarbeiter des Instituts für Geistliche Begleitung zur Verfügung.

Bisher geleistete Entschädigungszahlungen

Das Bistum Mainz begrüßt die Anfang 2021 in Kraft getretene, neue Ordnung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids, mit dem alle 27 Bistümer in Deutschland einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung gehen. Das einheitliche Verfahren, das auf der Herbstvollversammlung 2020 in Fulda beschlossen wurde, garantiert ein transparentes und unabhängiges Verfahren.

Im Bistum Mainz sind nach dem alten Verfahren bislang 73 Anträge auf Anerkennungszahlung für Opfer von sexuellem Missbrauch gestellt worden. Vier Anträge wurden durch die Zentrale Koordinierungsstelle beim Büro für „Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich“ abgelehnt. Aktuell sind noch drei Anträge nach dem alten Verfahren offen. Insgesamt ist eine Summe von 382.000 Euro bezahlt worden. Der niedrigste Betrag lag bei 1.000 Euro; der höchste Betrag lag bei 13.000 Euro. Für Therapien hat das Bistum Mainz bislang 130.200 Euro aufgewendet.

Nach der neuen Ordnung für das Verfahren zur Anerkennung des Leids in Fällen sexualisierter Gewalt (ab 1. Januar 2021) sind bislang elf Folgeanträge eingegangen sowie acht neue Anträge, also insgesamt 19 Anträge nach dem neuen Verfahren. Bisher wurde von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) einer dieser Folgeanträge mit 2.000 Euro bewilligt.

Keine Kirchensteuermittel für Anerkennungszahlungen

Mit der Neuorganisation der Aufarbeitung und Aufklärung im Bistum Mainz im Jahr 2018 wurde ein eigenes Konto für Anerkennungszahlungen eingerichtet, das nicht mehr über Kirchensteuermittel finanziert wird. Für die Leistung der Anerkennungszahlungen werden seitdem Zinserträge des Bistums Mainz verwendet. Darüber hinaus fordert das Bistum von noch lebenden Tätern die Übernahme subsidiär geleisteter Anerkennungszahlungen. Über die Entschädigungszahlungen hinaus wurden zusätzlich für einzelne Betroffene Therapiekosten und Kosten für Paartherapien übernommen, teilweise auch für notwendige Folgetherapien.

Hinweise: 

  • Unabhängiges Aufklärungsprojekt „Erfahren. Verstehen. Vorsorgen“: Rechtsanwalt Ulrich Weber: Harzstraße 22, 93057 Regensburg, Telefon: 0941/7060631, E-Mail: uweber@uw-recht.org, Internet: uw-recht.org
  • Die unabhängigen Ansprechpersonen für Betroffene von sexualisierter Gewalt im Bistum Mainz sind:
    Volker Braun
    Telefon: 0176 / 12 53 90 21
    E-Mail: volker.braun@missbrauch-melden-mainz.de
    und
    Sr. Marie Bernadette Steinmetz RSM
    Telefon: 0157 / 80 63 85 97
    E-Mail: sr.marie-bernadette.steinmetz@missbrauch-melden-mainz.de
  • Betroffene, die an einer Mitarbeit im gemeinsamen Betroffenenbeirat der Bistümer Fulda, Limburg und Mainz interessiert sind, wenden sich bitte bis zum 28. März mit dem Formular, das auf den Internetseiten der Diözesen verfügbar ist, direkt an die Büros der jeweiligen Generalvikare:

    Für das Bistum Mainz:
    Weihbischof und Generalvikar Dr. Udo Markus Bentz
    Bischöfliches Ordinariat Mainz
    Bischofsplatz 2
    55116 Mainz
    Telefon: 06131/253-260
    Fax: 06131/253-554
    E-Mail: generalvikar@bistum-mainz.de
    Kurzadresse im Internet:  bistummainz.de/gegen-sexualisierte-gewalt 

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