„Schrei nach Gerechtigkeit“ (5.9.2015-17.1.2016)

Sonderausstellung im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Mainz eröffnet

plakat-jpg-01 (c) Dommuseum Mainz (Ersteller: Dommuseum Mainz)
Datum:
Do. 3. Sept. 2015
Von:
am (MBN)
Mainz. Mit einem Festakt im Mainzer Dom ist am Freitag, 4. September, die Sonderaus-stellung „Schrei nach Gerechtigkeit. Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformati-on“ eröffnet worden. Das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum zeigt die Schau, die von Samstag, 5. September 2015, bis zum 17. Januar 2016 zu den Öffnungszeiten des Dommuseums zu sehen ist, anlässlich des anstehenden Reformationsgedenkens im Jahr 2017.

„Wir wollen erkunden, wie die Menschen um 1500 in unserer Region gelebt haben. Dies ist auch wichtig zu wissen, wenn man auf die Themen und Probleme der Reformationszeit schaut. Manchmal gibt es doch auch in der Reformationsgeschichte Verengungen. Wir haben in den letzten Jahrzehnten gelernt, ohne Martin Luthers Originalität abzustreiten, wie sehr diese Zeit in den mannigfachen Aufbruch- und Erneuerungsbewegungen des zu Ende gehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit wurzelt: Die große Bedeutung der deutschen Mystik, der spätmittelalterlichen Theologie, des gelebten Mönchtums und der zeitgenössischen Reformbewegungen", sagte der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, in seiner Begrüßung. Das Leben der normalen Menschen dieser Zeit sei im Kontext der kirchlichen Ereignisse „ein Stück weit Stiefkind" gewesen. Lehmann wies außerdem darauf hin, dass drei Mainzer Museen - Gutenberg-Museum, Landesmuseum und Dommuseum - einen „besonderen Schwerpunkt im Südwesten" anlässlich des Reformationsgedenkens setzen wollen. „Unsere Ausstellung ist auch ein Erweis hervorragender Zusammenarbeit der Museen untereinander", sagte der Kardinal.

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, sagte in ihrem Grußwort, dass Rheinland-Pfalz wie kein anderes Land im Westen Deutschlands zentrale Erinnerungsorte der frühen Reformationszeit vorzuweisen habe. Auch wenn Rheinland-Pfalz von der Religionszugehörigkeit der Bevölkerung her ein eher „katholisches Land" sei, so habe es hier vor 500 Jahren bedeutende religionsgeschichtliche Ereignisse gegeben, sagte Dreyer. Gemeinsam mit den Ausstellungen im Gutenberg-Museum und im Landesmuseum sei nun ein „anschaulicher Blick auf die Reformationszeit" möglich. Der Ausstellungstitel „Schrei nach Gerechtigkeit" habe angesichts der derzeitigen Flüchtlingssituation auch einen ganz aktuellen Bezug, sagte Ministerpräsidentin Dreyer weiter. Sie zitierte in diesem Zusammenhang aus der Rede von Papst Franziskus vor Flüchtlingen in Lampedusa im Juli 2013. Er habe dort die mitmenschliche Verantwortlichkeit mit klaren Worten dargestellt. Ein weiteres Grußwort sprach der Dekan des evangelischen Dekanates Mainz, Andreas Klodt.

Festansprache von Staatsminister Robbers

In seiner Festansprache bezeichnete Professor Dr. Gerhard Robbers, rheinland-pfälzischer Minister der Justiz und für Verbraucherschutz, die Ausstellung im Vorfeld des Reformationsgedenkens als „ein Geschenk". Sie sei ein „Zeichen des Zusammengehörens, ein Ausdruck der Gemeinsamkeit, eine Geste des Miteinanders. Und in ihrem Inhalt zeigt diese Ausstellung, worauf es ankommt: Klarheit, Unvoreingenommenheit, mutige Auseinandersetzung." Zudem weise die Ausstellung darauf hin, dass Religion „etwas zutiefst Menschenzugewandtes" sei. Konkrete Gerechtigkeit sei ein menschliches Grundbedürfnis, sagte Robbers.

Und weiter: „Wichtige Impulse für unser Verständnis von Gerechtigkeit, wichtige Anstöße für konkrete Verbesserungen der sozialen Verhältnisse kamen aus der Kirche, von der Religion. Das ist auch heute so. Religion hatte immer und sie hat weiterhin unmittelbare Auswirkungen für die ganze Gesellschaft. Im öffentlichen Diskurs, im konkreten praktischen Tun. Der Sozialstaat des Grundgesetzes bliebe ohne das Tun der Kirchen und Religionsgemeinschaften bloßes weithin leeres Wort. Religiös gegründete Krankenhäuser und Pflegeheime, Kindergärten und Schulen, die zahlreichen Hilfsorganisationen, das stille Wort der Ordensschwester, sie alle füllen diesen Krug der Gerechtigkeit."

Journalisten-Rundgang durch die Ausstellung

Die große Sonderausstellung im Mainzer Dommuseum stellt über zwei Etagen und auf 2.000 Quadratmetern und mit rund 220 Exponaten erstmalig die Lebensumstände von Laien und Klerikern in den Jahren zwischen der Mainzer Stiftsfehde 1461/62 und dem Übergreifen der süddeutschen Bauernkriege auf das Mainzer Erzstift, das weltliche Territorium der Mainzer Kurfürsten, um 1525/26 vor. Dieser Zeitraum kurz vor Martin Luther und dem Beginn der Reformation sei wissenschaftlich und ausstellungstechnisch „relativ schlecht aufgearbeitet", sagte der Direktor des Dom- und Diözesanmuseums, Dr. Winfried Wilhelmy, bei einem Journalistenrundgang durch die Ausstellung am Mittwoch, 2. September.

Die Zeit um 1500 sei geprägt gewesen von Armut, Krankheit und der ständigen Furcht vor Hölle und Fegefeuer. Gleichzeitig habe die Bevölkerung einen verstärkten Anspruch auf Wohlstand, soziale und politische Selbstbestimmung erhoben, massiv die Einhaltung der „göttlichen Gerechtigkeit" eingefordert. Den Menschen sei es aber nicht um einen Umsturz gegangen, betonte Wilhelmy, der auch Kurator der Ausstellung ist, sondern um eine „gerechte Herrschaft". Auf diesen Ruf nach gesellschaftlicher und religiöser Gerechtigkeit hätten die Mainzer Erzbischöfe mit einer „Wirtschafts- und Bildungsoffensive" reagiert, was sich beispielsweise an der Gründung der Mainzer Universität im Jahre 1477 zeige. Durch den wirtschaftlichen Aufbruch habe sich das Mainzer Erzstift unter der „Regierung des Krummstabes" zu einer der „Innovativregionen" des Deutschen Reiches entwickelt, sagte Wilhelmy. Dies führte langfristig zu einem überdurchschnittlichen Wohlstand und einem hohen Bildungsstand weiter Bevölkerungskreise.

Während der erste Teil der Ausstellung den „Schrei nach Gerechtigkeit" schwerpunktmäßig thematisiert, werden im zweiten Teil hochkarätige, teilweise noch nie gezeigte Werke der Schatz- und Textilkunst, der Buch- und Tafelmalerei sowie der Skulptur aus diesem Zeitraum gezeigt. „Wir haben in unserer Sonderausstellung alles versammelt, was in der mittelrheinischen Kunst gut und teuer ist", sagte Wilhelmy. Zu den „Höhepunkten der Ausstellung" gehöre dabei die Doppelmadonna aus der Basilika in Kiedrich, die erstmals außerhalb der Kirche gezeigt werde, hob Wilhelmy hervor.

Hinweise:

  • Weitere Informationen zur Ausstellung sowie zum Programm rund um die Ausstellung auch im Internet unter www.dommuseum-mainz.de. Hier finden sich im Bereich „Presse" auch zahlreiche Bilder zum Download.
  • Die Öffnungszeiten des Dommuseums sind dienstags bis freitags von 10.00-17.00 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen von 11.00-18.00 Uhr. Der Eintritt zur Sonderausstellung beträgt acht Euro, bzw. ermäßigt sechs Euro; die Familienkarte I kostet acht Euro und die Familienkarte II 16 Euro. Am persönlichen Namenstag ist der Eintritt frei.
  • Zu der Ausstellung ist ein umfangreicher Begleitkatalog erschienen: Wilhelmy, Dr. Winfried (Hrsg.): „Schrei nach Gerechtigkeit. Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation". Verlag Schnell&Steiner, Regensburg 2015, 488 Seiten mit 420 Farb- und Schwarz-Weiß-Abbildungen. Der Katalog ist in der Ausstellung für 29,95 Euro zu erwerben, im Buchhandel kostet er 37,95 Euro. ISBN: 978-3-7954-2965-2